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Um ihr Fußgelenk spürte sie einen stechenden Schmerz. Thoas Klauen bohrten sich tief in ihr Fleisch und sie fühlte wie ihr Blut floss.

Verzweifelt versuchte sie sich an den herumliegenden Ästen festzuhalten, doch es war vergeblich. Sie wurde von Thoas über den rauen Boden geschleift. Holzsplitter verfingen sich in ihrer Haut und gruben sich darunter ein.
„Hör auf damit!", flehte sie unter Tränen und versuchte immer wieder, einen Strauch oder einen großen Ast zu fassen zu bekommen, um zu verhindern, dass er sie weiter ziehen konnte. Schließlich spürte sie seinen warmen Atem in ihrem Nacken und sie wurde von einem weiteren Weinkrampf geschüttelt.

In ihrer Angst griff sie nach einem morschen Stock, der nass vom Regen und kalt vom Raureif war und schlug damit in seine Richtung. Tjamand holte mehrmals aus und hieb auf Thoas ein. Ich tue ihm weh. Ich tue Thoas weh.

Holz flog durch die Luft und sie hörte wie Thoas überrascht brüllte und ihren Fuß losließ. Sie spürte, wie sich seine Krallen aus ihrem Fleisch zogen und wie ihr Blut floss.
Panisch stolperte über die Sträucher und biss ihre Zähne zusammen, als sie den Schmerz in ihrem Fuß spürte. Hinter sich hörte sie sein Brüllen und vor ihren Augen verschwammen die Bäume. Verzweifelt ließ sie sich hinter einen umgestürzten Baum fallen und spürte seine nasse, stinkende Rinde an ihrem Rücken.
Sie zitterte und schloss kurz die Augen, bevor sie einen Blick auf ihr Fußgelenk war und aufschluchzte. Blut lief daran herunter und man konnte deutlich sehen, wo Thoas sie gepackt hatte. Dreck und Tannnadeln klebten in dem roten, dickflüssigen Blut.

Das Atmen fiel ihr schwer und sie versuchte, leise zu sein, als sie Thoas hörte. Oder das, was einmal Thoas gewesen war. Es war eine hässliche Kreatur, die sie töten wollte. Wieso wollte es das?
Zögerlich umklammerte sie einen spitzen, dünnen Ast, und zitterte. Sein Schnauben war jetzt sehr nah, er musste fast neben ihr sein. Tjamand konnte seine Gestalt verschwommen durch die Äste erkennen.

Ihr Herz hämmerte, als sie aus ihrem Versteck hervorbrach und auf ihn zu sprintete.
Die Kreatur wirbelte herum und der Ast durchstieß seinen Körper. Sie sah seine braunen, aufgerissenen Augen, die überrascht leuchteten. Tränen flossen über ihre Wange und sie hatte Angst, dass ihre Beine bald nachgaben.
Die Finger der Kreatur wurden kleiner und rundeten sich wieder ab wie normale Menschenfinger, seine braunen Augen wurden wieder normal und seine Statur wurde wie vorher, bis ihr Freund, bis Thoas vor ihr stand und um Luft röchelte.
„Nein", flüsterte sie schockiert. Sie hatte ihren Freund getötet. Schnell atmend ließ sie den Stock los und der Körper ihres Freundes sackte zu Boden. Blut tränkte sein Hemd und sie sank weinend neben ihm zu Boden. Ihr Fuß blutete, doch das war ihr gleich. Ihr Fuß konnte bluten, soviel er wollte. Was viel mehr schmerzte, war ihr Herz, das gebrochen war und mit ihm zu sterben schien.

Ihre Augen brannten und ihr wurde bewusst, dass diesmal, wenn sie weinte, nicht wieder Thoas hinter ihr stehen würde, um ihr Mut und Kraft zu geben und sie schließlich nach Hause zu begleiten. Sie würde ihn nie wieder sehen. In ihrem Kopf sah sie noch einmal seine lebendigen Augen, hörte noch einmal sein Lachen und seine Stimme, wenn er mit ihr sprach.
Sie fühlte sich erschöpft und zu nichts imstande. Alles, was sie jetzt tat, war sinnlos. Thoas war fort, man konnte ihm nicht mehr helfen. Sein Herz war stehen geblieben, sein Körper war bereits kalt und von der Wärme verlassen. Er lag bewegungslos zwischen den Ästen und dem Gestrüpp. Warum hatte sie das getan?

Lieber hätte sie sterben sollen! Sie hatte ihn getötet! Langsam erhob sich Tjamand. Ihr Fuß stach, als sie ihn aufsetzte, aber der Schmerz schien sie daran zu erinnern, dass sie noch lebte. Er holte sie zurück, in diese Welt, wo sie getrennt war von Thoas, getrennt von der einzigen Person, für die sie in den letzten Tagen gelebt hatte.
Vorsichtig und zärtlich strich sie ihm eine Haarsträhne aus der weißen Stirn und schloss seine Augen, sodass es fast so wirkte, als würde er von jetzt an schlafen. Einen langen, endlosen Traum träumen. Vielleicht kam sogar sie darin vor? Vielleicht ging es ausschließlich um sie? Alles hätte gut werden können, doch mit ihrem Einfall, fort zu reisen, hatte sie sein Schicksal besiegelt, seinen Tod. Sie schüttelte den Kopf. Gib dir nicht die Schuld!

Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now