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Als sie die Augen wieder aufschlug, fühlte sie sich besser. Ihr Hals kratzte nicht mehr bei jedem Atemzug den sie tat und ihre Glieder schmerzten nicht.

Es war Nacht.
Das bemerkte sie sofort, auch, wenn der fast volle Mond nahezu so hell schien wie die Sonne.

„Tjamand?", hörte sie eine leise Stimme. Thoas saß nur wenige Schritte neben ihr und musterte sie besorgt.

„Wie geht es dir?", fragte er fast nervös. In seinen Händen zerriss er ein Blatt und warf die Reste auf die Erde.
Tjamand rieb sich den Kopf und setzte sich auf. Der Boden unter ihr war hart, zuerst schien er leicht zu kippen, doch dann war ihr Schwindelgefühl verschwunden.
„Besser, danke", erwiderte sie und sah sich um. Die Gruppe begann bereits, alles wieder zu verschnüren. Neben ihr war ein großer Berg Erde, als wäre etwas vergraben worden. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch seine Stimme wieder auf ihn gelenkt.
„Wir werden bald wieder aufbrechen. Wir haben viel Zeit verloren, durch unsere Rast. Zu viel", erklärte er ihr und erhob sich.
Tjamand streckte ihre steifen Glieder und atmete tief aus. Thoas warf ihr noch einen letzten Blick zu, dann saß auf sein Pferd auf. Tjamand tat es ihm gleich und vergaß, nach dem Kind zu fragen, das sie aus den Flammen geholt hatte.  Stattdessen ritten sie erneut los.

„Wann werden wir den nächsten Ort erreichen?", fragte sie leise, mit einem Blick zurück auf die Trümmer und Asche der Stadt. Was, wenn wir wieder zu spät kommen?

Thoas zögerte. „Morgen Abend, wenn wir rasch sind. Ich denke jedoch, wir werden in der Nacht Revil erreichen."
Sie nickte und drehte den Kopf in die andere Richtung. Die Bäume verschwanden langsam, der Fluss wurde reißender durch die Steine, die in ihm zu sehen waren. Die raue, harte Oberfläche wurde immer wieder von den weiß schäumenden Wellen überspült und verschwand für kurze Augenblicke, sodass es aussah, als würde das Wasser von selbst Hügel schlagen.
Der Wind pfiff und wurde von den wenigen Bäumen, die immer spärlicher wurden kaum abgehalten.
Der Winter musste bald kommen, die Wärme hatte sie schon lange verlassen.
Sowie vor einigen Wochen noch Vögel gesungen hatten war es hier still, außer dem heulenden Wind und dem wilden Wasser schien hier kein Leben zu sein.

In den Sommertagen musste man auf diesem Pfad aufpassen, Wegelagerer verbargen sich oft hinter den wenigen Bäumen, doch jetzt waren sie hier allein.
Wohl hatten sie nun andere Sorgen und Gedanken.

Tjamands schwarze Haare wehten ihr ins Gesicht und sie blinzelte. Die Kälte kroch ihr unter den Stoff und sie fror.
Dennoch - ihre Schwäche gegen die Kälte war nicht so schwerwiegend wie die Aufgabe, die sie zu erledigen hatten.
Wenn sie sich nicht beeilten, verwüsteten diese Kreaturen noch weitere Orte und schufen mehr Zerstörung und Leid.

Sie zitterte mehr, als sie sich erinnerte, wozu sie imstande waren. Tjamand mahnte sich, langsamer zu atmen und sich zu beruhigen. Jetzt schon Angst zu schüren, war nicht klug. Aus jedem kleinen Funken kann ein Feuer entstehen, das einen Wald niederbrennen kann.

Der Mond stand hell am Himmel. Die Landschaft hatte sich stetig verändert. Waren die Bäume ganz verschwunden gewesen, so waren sie jetzt umso zahlreicher wieder zurück. In dem fahlen Licht schien alles milchig weiß zu sein. Die Mauern der Stadt wirkten weiß, als wären sie aus Schnee.
Tjamand beobachtete, wie die Männer mit den Wachen redeten und schließlich eingelassen wurden. Langsam stieg sie ab und führte das Pferd hinter den anderen durch das große Tor.
Die Hufe klapperten laut auf den Steinen.

Mit einem kurzen Nicken grüßte sie die Wachen mit dem Wappen auf der Brust, doch diese starrten nur weiter in die Ferne.
Die Stadt hatte viele Gassen und Straßen, das bemerkte sie sofort, sie war viel größer als Sovrial. Eine Brücke führte zu einer großen Kapelle, die in den Himmel ragte. Steinstufen waren um das Gebäude gebaut und umrahmten es.

Ihre eigenen Beine waren schwer wie Blei, es war, als wäre sie den ganzen Weg selbst gelaufen und obwohl sie von dem Pferd getragen worden war, fühlte sie sich erschöpft.
Sie überhörte, wie Aron, der Führer der Gruppe, etwas zu ihnen sagte, denn sie betrachtete immer noch die Bauwerke der Stadt.
Offenbar hatte er nichts Bedeutendes gesagt, denn sie zogen weiter, bis sie zu einem Haus kamen, an dem ein Schild aushing. Zur Stadtbrücke.
Sie traten ein, die Pferde ließen sie in der Obhut dreier Mitglieder der Gruppe, die sie offensichtlich in die Stallungen bringen wollten.

Die warme Luft schlug ihr sofort entgegen, sie war stickig und es roch nach einer nicht allzu lang vergangenen Mahlzeit, die verzehrt worden war.
Ein überraschter Mann kam zu ihnen, er hatte blonde, dünne Haare. Seine Augen huschten von dem einen zu dem nächsten Besucher.
„Wir brauchen ein Zimmer", überging Aron die gestotterte Begrüßung des Mannes. Auch ihm machte die Müdigkeit wohl zu schaffen.

Hastig nickte der Mann. „Natürlich, natürlich. Ich habe fünf Zimmer frei, für nur zwanzig Goldstücke die Nacht."
Tjamand verbarg ihre Entrüstung über den Preis. Selbst Aron zögerte, doch dann nickte er.
„Habt Dank."
Der Mann deutete eine Treppe nach oben, die sie alle nacheinander erklommen. Tjamand nahm den Schlüssel entgegen und ging in das letzte Zimmer im Flur. Die Tür schwang auf und gab den Blick auf ein kleines Zimmer frei. Darin stand nur ein Bett und ein Stuhl, ein kleiner Tisch sollte wohl als Nachttisch dienen, auf ihm befand sich noch eine Kerze.
Thyrus verabschiedete sich von ihr und wünschte ihr eine gute Nacht und Tjamand schloss die Tür. Das Bett war weich und es dauerte nur wenige Momente, bis sie einschlief.

Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now