Prolog

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Wie jeden Tag war es dunkel und schwarz. Egal, ob es Nacht oder Tag war.
Man gewöhnte sich an die Dunkelheit und an die Stille, die herrschte, wenn man allein war. Denn man war  die meiste Zeit allein. Mit etwas Glück traf man auf andere, die ebenfalls in der Dunkelheit umherirrten, aber sonst war man auf sich gestellt und musste sehen, wie man sich zurechtfand.
Trotzdem war es besser, niemandem zu begegnen. Man wusste nicht sicher, wer sich alles herumtrieb und welchen Charakter er hatte. Besser begegnete man niemandem, als dem Falschen.

Gestern hatte er noch ein großes Feuer entzünden können. Es war das zweite Mal, dass er das geschafft hatte und seit langem hatte er wieder einen genauen Blick auf seine Umgebung werfen können.
Sie war voller Pflanzen gewesen, die sich zum Boden hin neigten. Sie hatten Ähnlichkeit mit Bäumen, nur waren sie kleiner und das Blätterdach war spärlicher, sodass man den schwarzen Himmel sehen konnte.
Die Blätter waren zackiger und trockener, obwohl sie dicker und rauer waren als die, die er von der normalen Welt kannte. Auf einer kleinen Lichtung hatte er ein Lager aufgeschlagen, immer noch hatte er keine eine Höhle oder Ähnliches gefunden, wo er bleiben konnte. Es dauerte lange, bis man einen Unterschlupf gefunden hatte.
Jetzt war er seit zwei Tagen ununterbrochen auf den Beinen, sie taten weh und sein Rachen war trocken. Er konnte auch länger unterwegs sein, wenn er es sich recht überlegte...Seit er hier war, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Ohne das Feuer wäre er verrückt geworden, nicht sicher, wo oben und wo unten war. Natürlich, ein wenig konnte er sehen, sonst würde er sich nicht richtig durch das Unterholz schlagen können, aber es war nicht viel.
Es war gerade so viel, dass man überlebte, aber zu wenig, um bei Sinnen zu bleiben.

Kein Wind pfiff durch die Äste, es war oft windstill hier. Manchmal stürmte es, helle Blitze schnellten dann auf die Erde nieder, oder es war urplötzlich eiskalt. Die Sonne schien nie, er hatte sie hier noch nie gesehen und war sich nicht sicher, ob sie noch existierte.

Ihm fröstelte, als er Stimmen hörte und hoffte inständig, dass es dort etwas zu essen gab.
Die Beeren, die er gesehen hatte, wollte er nicht essen. Womöglich waren sie giftig und er bekam furchtbare Krämpfe, bis er auf der Schwelle zwischen Leben und Tod stand. Die Beeren würden ihn nicht töten, nur quälen, ihm schreckliche Schmerzen bereiten. Er hatte das schon einmal durchstehen müssen. Am liebsten hätte er sich sein Messer in die Brust gerammt, doch er war stark gewesen, auch, wenn er vor Schmerz geschrien und sich gekrümmt hatte wie ein Wurm. Schlagartig war ihm der Appetit vergangen.
Vorzugsweise Wasser. Es war selten hier. Wie Wärme und Licht.
Aber er wusste mittlerweile, dass er nicht den Sonnenaufgang sehen würde, wenn er die Augen nach einer unbequemen Nacht aufschlug.

Ob es gerecht war, was er hier erleben musste, bestritt er. Oft schon hatte er in den Himmel geschrien und geglaubt, dass sie ihn hören konnten. Doch eine Reaktion war nie zurück gekommen. Vermutlich hatten sie sowieso nichts gehört, sie achteten nicht darauf, für sie war die Sache damit erledigt.

Die Stimmen wurden lauter und er schlug sich weiter durch das Geäst, das dichter schien, als ein Teppich gewebt werden konnte.
Er konnte nur dumpf verstehen, was gesagt wurde.
„Sind alle erschienen?“, hörte er eine raue Stimme, die sich unter lautem Gemurmel deutlich abhob.
Eine leisere, helle Stimme antwortete. „Wir sollten noch warten, es waren mehr, ich bin mir sicher.“
Ein lautes Schnauben. „Wie du meinst, wir werden warten. Aber nicht mehr lange, die Zeit verrinnt schnell und es eilt.“
Er war bedacht, auf keinen Ast zu treten. Schon jetzt wollte er seine Fähigkeiten beweisen.
Vor drei Tagen, oder zwei, er wusste es nicht mehr, war ein Schatten zu ihm gekommen. Für einen Schatten war er groß und breitschultrig gewesen, nicht dünn und knochig, wie er sie immer verumutet hatte.
Der Schatten war schnell wieder gegangen, hatte ihm nur knappe Informationen gegeben.
Freundlich war er jedenfalls nicht gewesen. Hatte ihn angefahren, er solle still sein, er habe ihm etwas mitzuteilen.
 „Ich werde da sein“, hatte er selbst versprochen und wie erwartet, war der Schatten daraufhin sofort in der Dunkelheit verschwunden. Seitdem hatte er kein Zeichen von irgendjemand erhalten.

Und ganz im Vertrauen auf die Worte des Schattens, war er dem Rauch gefolgt, den er gesehen und vor allem gerochen hatte.
Nun, er hatte offenbar die Wahrheit gesagt, denn die Stimmen wurden lauter, diesmal mischten sich neue darunter und er konnte nichts mehr verstehen.
Er konnte die Stimme des Schattens hören. Er war also auch eingetroffen.
Natürlich. Er hatte ihn auch eingeladen, wenn man es so nennen konnte.
Kurz atmete er noch durch, um sich zu beruhigen, dann löste er sich aus dem Schatten.
Offensichtlich war er nicht annähernd so leise gewesen, wie er es sich gedacht hatte, denn es waren schon einige Blicke auf ihn gerichtet, noch bevor er auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Der Schatten verzog sein Gesicht zu einem selbstsicheren Grinsen und nickte ihm unauffällig zu.
„Sei gegrüßt“, wurde er empfangen. Der Ton war kalt, wenn auch zufrieden.
Der Schatten winkte ihm mit spitzen Klauen zu.
Kurz neigte er noch den Kopf zu dem, der ihn empfangen hatte, dann gesellte er sich zu dem Schatten, obwohl seine Fingerspitzen kribbelten und sein Gefühl ihn davon abhielt. Schatten waren nicht die besten Kameraden, so viel wusste selbst er.
„Ich wusste, du würdest erscheinen!“, sagte der Schatten zu ihm und entblößte eine Reihe spitzer, schwarzer Zähne. Allein seine Augen waren gelb, so hell wie früher der Mond am Himmel geleuchtet hatte.
„Wirklich? Nun, ich bin hier“, erwiderte er selbst und wusste nicht, was er davon halten sollte.
Die große Lichtung war gefüllt mit seltsamen Wesen, die er trotz der Dunkelheit erkennen konnte. Am Rande der Lichtung hatte es jemand geschafft, Fackeln zu platzieren, deren Flammen jetzt im Wind zuckten und sich wanden.
„Es ist Zeit, zu beginnen. Ich habe etwas zu verkünden“, ertönte die raue Stimme, dieselbe, die ihn begrüßt hatte und eine Gestalt trat aus der Dunkelheit.
Dann wurde es leise auf der weiten Lichtung und alle lauschten der rauen Stimme, ohne einen Mucks von sich zu geben.

Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now