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Es wurde langsam dunkel und Tjamand war noch nicht in der Bibliothek eingetroffen. Ob er wohl wartete? Von Luna hatte sie seinen Namen erfahren, er hieß Thyrus und war gemeinsam mit Benedictus hergekommen.

Der Schmerz an ihrem Bauch war abgeklungen und sie konnte schon wieder besser gehen. Trotzdem hatte sie sich davonschleichen müssen, denn die Frau, die sie betreute, hatte sie partout nicht gehen lassen. Vermutlich merkte sie bald, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Das hieß sie musste sich beeilen.

Glücklicherweise bemerkte sie die Tür zur Bibliothek nur einen Moment später. Sie war klein und knarrte, als sie sie öffnete.

Innen war es dunkel, die Fenster waren offenbar durch die langen Vorhänge verdeckt.

Sie streckte die Hand aus und beschwor eine kleine Flamme herauf, die erbsengroß über ihrer Handfläche schwebte, bis sie schließlich zu der Größe eines Korkens anschwoll und munter weitertanzte. Der Schein zeigte ihr einen Teil der großen Regale, die gefüllt waren mit unterschiedlichen Büchern.

            „Thyrus?“, flüsterte sie vorsichtig.

            „Tjamand“, ertönte eine Stimme dicht neben ihr und sie erschrak. Sie stolperte und stieß gegen eines der Regale, wobei sie einige Bücher mit zu Boden riss. Es gab einen unüberhörbaren Lärm.

Verlegen rappelte sich auf und wollte gerade eine neue Flamme heraufbeschwören, als Thyrus mit den Fingern schnippte und eine murmelgroße, leuchtende Kugel erschien.

Er ließ sie von der Hand in die Luft rollen und sie blieb dort leise hängen, wie ein leuchtender Regentropfen, der nicht auf die Erde fällt.

            „Also?“, fragte sie und stellte sich ihm gegenüber.

            „Leise. Wir dürfen nicht entdeckt werden, das würde Fragen aufwerfen. Was möchtest du wissen?“, raunte er. Jetzt bemerkte sie erst die Wunde an seinem Arm, doch sie mahnte sich, nicht zu auffällig auf die Verletzung zu schauen, denn er ließ sie nicht auf die Augen.

            „Alles“, erwiderte sie, doch dann fügte sie schnell hinzu: „Wer waren diese Wesen? Wieso haben sie uns angegriffen? Was wollen sie? Wie erholen sich die anderen?“

Thyrus überlegte, als müsste er zuerst die Antworten zurechtlegen.

            „Ich kann dir nicht auf alles eine Antwort geben, dafür entschuldige ich mich jetzt schon, aber ich werde versuchen, alles so gut wie möglich zu erklären. Die anderen erholen sich ganz gut, wir sind dabei, sie zu pflegen. Es sind zwei Menschen umgekommen, aber im Angesicht der Zerstörung ist es ein Wunder, dass es nicht mehr Tote gab. Sovrial gleicht noch einem Schlachtfeld, aber die, die gesund sind, sind bereits damit beschäftigt es wieder aufzubauen“, begann Thyrus.

Tjamand hörte ruhig und gespannt zu, sie hatte Angst, dass er nicht mehr erzählen wollte, falls sie ihn unterbrach.

            „Unter den Angreifern waren viele Wesen vertreten, auch Magier. Es waren sehr viele. Wir glauben zu wissen, wer diese Kreaturen gewesen sind und wir glauben auch, dass es nicht das letzte Mal war, dass sie gekommen sind“, fuhr er mit bebender Stimme fort.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Tjamand zuckte zusammen. Thyrus streckte die Hand nach seiner Lichtquelle aus und ließ sie in seiner Hand verschwinden. Es war ihm sichtlich peinlich, als ein älterer Magier vor ihnen stand und sie misstrauisch beäugte.

            „Was tut ihr hier?“, verlangte er zu wissen und Tjamand stellte sich vor die heruntergefallenen Bücher und versuchte sie so zu verdecken.

Thyrus antwortete nicht sofort, weswegen der Mann die Frage harsch wiederholte.

            „Wir wollten nach einem Buch suchen“, antwortete Tjamand schnell und versuchte Thyrus entsetzten Blick zu ignorieren. Offenbar hatte sie etwas Falsches gesagt. Das ist nicht meine Schuld. Du hättest auch etwas erwidern können!

            „So, welches denn?“, hakte der Mann argwöhnisch nach und ließ mit einem Schnippen die Feuer in den Schalen aufflammen. Tjamand bemerkte, dass sie immer noch ihr geschundenes Gewand trug und als hätte Thyrus bemerkt was los war, versuchte er die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

            „Eines über den Zauber, der sie getroffen hat“, antwortete er sofort. „Wir wollten wissen, ob er lange braucht, um zu verheilen.“

Tjamand nickte nur zustimmend und der Mann kniff die Augen zusammen. Er musterte ihr Gewand von unten bis oben und sein Blick blieb an dem Verband hängen.

„Es war ein Fluch, der sie hätte töten können. Er lässt offene Wunden schneller entstehen als sie mit einer Waffe zugefügt werden könnten – ohne dass der Angreifer verletzt wird.“

Zuerst schwiegen sie alle, dann sagte Tjamand schnell: „Ja, danke schön, dann können wir uns die weitere Suche sparen.“

            „Ja, ich möchte Euch auch danken“, pflichtete Thyrus ihr bei und schob sich vorsichtig an dem Mann vorbei.

            „Wenn ihr das nächste Mal ein Buch sucht, kommt wenn die Sonne am höchsten steht. Meistens hält sich dort Sirius auf – er kann euch dann helfen. Außerdem stört ihr so die Nachtruhe aller. Und nach diesem Angriff brauchen wir keine weitere Aufregung!“, knurrte er. Tjamand nickte hastig und entschuldigte sich noch einmal, während sie sich an ihm vorbei drückte. Er folgte ihnen mit den Augen, bis sie um die Ecke gebogen waren.

            „Was tun wir jetzt?“, fragte Tjamand leise.

Thyrus starrte sie kurz an, dann antwortete er bestimmt: „Wir gehen schlafen. Es ist bereits dunkel und es könnte Misstrauen erwecken, wenn wir durch die Gänge schleichen. Ich denke, du weißt alles, was du wolltest. Auf Wiedersehen!“

Zuerst wollte Tjamand ihn zurückhalten und ihn überreden, ihr mehr zu erzählen, aber dann sagte sie nur knapp: „Auf Wiedersehen!“

Thyrus entfernte sich schnellen Schrittes und Tjamand stand alleine im Gang.

Ich sollte besser in den Krankensaal zurückkehren, bevor sie beginnen, nach mir zu suchen.

Langsam drehte sie sich um und ging gemächlich zurück, während sie über das Gehörte nachdachte.

Nein, viel hatte sie nicht erfahren. Dass es verheerende Schäden gab, das wusste sie. Und dass viele Wesen darunter auch Magier dabei gewesen waren war ebenfalls nichts Neues.

Seufzend schlich sie durch den Raum und setzte sich auf das Bett. Es quietschte leicht, als sie sich hinlegte und zudeckte. Erst jetzt bemerkte sie, wie kalt ihr war.

Einzig und allein die Tatsache, dass die Feinde vielleicht zurückkamen, war neu.

Sie lauschte dem Atem von Benedictus, bis sie endlich einschlief.

Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now