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Tjamand wusste nicht, wie lange sie in der Asche ihrer Erinnerungen saß und glitzernde Tränen weinte. Schließlich spürte sie, wie jemand sie vorsichtig antippte.

Schnell wischte sie sich die Tränen fort sog Luft ein und drehte sich um.

Thyrus sah ihr in die Augen, sein Blick war undurchschaubar. Für einige Momente sahen sie sich nur an, dann sagte er mit rauer Stimme: „Sirius schickt mich. Du hast die Erlaubnis in der Gilde zu leben.“

            „Ich will nicht in der Gilde leben“, fuhr sie ihn mit tränenerstickter Stimme an. „Ich will hier wohnen.“

Sie hörte ihre Stimme und merkte, wie lächerlich sie klang. Trotzdem lenkte sie nicht ein und wartete, bis Thyrus zu ihr getreten war. „Du weißt, dass das nicht geht. Komm mit mir! Bitte“, fügte er heiser hinzu. Seine haselnussbraunen ließen Mitleid aufleuchten.

Tjamand stand auf, ihr Gewand war beschmiert mit Ruß und Asche und sie klopfte den Dreck notdürftig ab. Die Trauer in ihr versiegte, der Hass ebbte ab, die Verzweiflung war verschwunden und zurück blieb eine endlose Leere, die sie von innen heraus auffraß.

            „Wir haben alle gelitten“, sagte er plötzlich. „Aber wir dürfen nicht stehen bleiben. Die Zeit vergeht und unser Leben ebenfalls. Wir müssen wieder neuen Mut fassen, nach allem was geschehen ist!“

            „Aber wie?“, flüsterte sie und ihre Stimme brach.

Sie hörte seine Schritte, wie er näher kam, als sie noch auf die Überreste starrte. Dann spürte sie, wie er sie zögerlich in den Arm nahm, während sie eine leise Botschaft in den Himmel schickte. Die Leere in ihr füllte sich mit einem neuen Gefühl und sie atmete ruhiger, bis sie leise sagte: „Ich werde mitkommen.“

Er lächelte leicht, dann nickte er und zog sie sanft aber bestimmt fort von ihrem früheren Haus.

Die Gänge und Räume waren leer, alle schliefen, als sie eintrafen. Es musste tiefste Nacht sein. Thyrus leitete sie zu einer Tür, dann verabschiedete er sich und ließ ihre Hand los. Tjamand lächelte matt und brachte ein undeutliches „Danke“ zustande, bevor sie die Tür öffnete und eintrat.

Jedoch schloss sie die Tür nicht, bevor er um eine Ecke gebogen und verschwunden war.

Dann ließ sie sich auf das Bett fallen und dachte daran, wie der Wind die Asche ihres Hauses verwehte, mit sich trug, auf eine lange Reise. Und eine einzige Träne rollte ihre Wange hinunter und tropfte auf den weißen Bettbezug

Doch dann wusste sie, dass dieses Gefühl, das sie jetzt in sich trug, keine Leere mehr war. Es war keine Wut, keine Angst oder Trauer. Thyrus hatte recht. Sie mussten alle neue Hoffnung und neuen Mut schöpfen, durften nicht von Trauer verschlungen werden.

Sie legte sich in das weiche Bett und wie die Zeit verrann, wurde sie in eine angenehme Dunkelheit in den Schlaf getragen.

Sie wurde geweckt von einem Klopfen an der Tür.

            „Ja?“, rief sie und setzte sich verschlafen auf. Ihre Augen brannten und ihr Kopf schmerzte von dem langen Tränenvergießen.

Die Tür öffnete sich langsam und zögerlich. Schließlich trat Luna ein. Sie schien nicht zu wissen, wie sie sich verhalten sollte, aber Tjamand lächelte müde. Jetzt brauchte sie kein Mitleid mehr.

            „Hallo“, ergriff Tjamand das Wort, „wieso bist du hier?“

Luna kam zur ihr. Erst jetzt bemerkte sie, wie groß dieser Raum eigentlich war. Gegenüber von ihrem Bett standen ein Schrank, daneben ein Tisch mit einem Tintenfass und einer Feder und ein Spiegel mit geschwungenem Rahmen. Wie lange sie wohl hierbleiben konnte?

Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now