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Das erste was sie spürte als sie wieder zu Bewusstsein kam, war, dass die Nässe verschwunden war. Ihre Glieder schmerzten nicht mehr und sie spürte, dass ihr die vergangenen Stunden gut getan hatten.

Jetzt erst öffnete sie die Augen. Um sie herum war nur eine braune Stoffwand zu sehen und dumpfe Stimmen zu hören. Tjamand lag auf einer zusammengelegten Decke und neben ihr stand ein Krug mit Wasser. Die Trockenheit in ihrem Mund bewegte sie dazu, gierig danach zu greifen und in großen Schlucken zu trinken, sodass das Wasser an ihren Mundwinkeln herab lief.
Ein Schein drang durch die Stoffwand herein und sie lugte vorsichtig hinaus. Sofort spürte sie den rauen, kalten Wind, der ihr die Haare zauste.
Gestalten lagen um ein Feuer, das halb erloschen war. Sie schliefen, wie es schien und Tjamand verließ zögernd das Zelt. Neben dem ihren stand noch eines, das etwas größer war und grünes Gewebe hatte. In der Nacht hätte man sie wohl ohne das brennende Feuer nicht bemerkt. Leise schlich sie auf dem mit Tannennadeln bedeckten Waldboden auf den Eingang des anderen Zeltes zu. Vorsichtig spähte sie in das Innere. Eine Frau saß auf einem Stuhl. Sie war hochgewachsen und dürr, blonde, strohgleiche Haare umspielten ihr Gesicht. Als sie Tjamand entdeckte, fuhr sie erschreckt hoch.
Sind sie doch meine Feinde? schoss es ihr durch den Kopf, als sie das verzerrte Gesicht der Frau bemerkte.
„Dir geht es besser", sagte sie. Aus ihrem Tonfall konnte sie nicht erkennen ob es eine Frage oder eine Feststellung war.
Oder ob es ihr missfiel.

„Ja", erwiderte Tjamand knapp. „Wer seid ihr?", fragte sie schließlich, als die Frau schwieg.

„Mein Name ist Domitia", antwortete die Frau, aber Tjamand unterbrach sie. Ihre Stimme war feindselig, das wusste sie. „Ich habe nicht gefragt, wie Ihr heißt, sondern wer ihr seid", zischte sie und wartete. Dass es mehr töricht als mutig gewesen war, die Frau so anzufahren, war ihr bewusst, aber es war zu spät für eine Entschuldigung.

„Wir sind nicht deine Feinde, sonst hätten wir dich getötet, als wir dich fanden", entgegnete Domitia trocken.
Die Frage ließ sie unbeantwortet und Tjamand hakte nicht nach.

„Wo ist der Junge?", sagte sie und sah sich suchend im Zelt um. Eine Gestalt lag weit hinten auf einer hohen Schicht aus Stoff. Vermutlich war es aufgeschichtete Kleidung.
Wie bei ihr stand daneben ein Krug.
„Wie geht es ihm?"
„Er wird es überleben, es könnte schlimmer sein", erwiderte die Frau und an ihrem Tonfall spürte Tjamand, dass sie ihr zeigen wollte, dass sie keinesfalls alles durfte und den Bogen nicht weiter spannen sollte.
„Danke", sagte sie also und Domitia lächelte. Die Stimmung entspannte sich und die Atmosphäre wurde besser.
„Setz dich. Du musst hungrig sein."
Die Frau bot ihr einen Sitzplatz neben ihr an und Tjamand lächelte und ließ sich nieder.

Brot und Käse waren in einer Schüssel und sie glaubte selbst das Fleisch riechen zu können. Ihr Magen knurrte leise, als wollte er ihr befehlen, endlich zuzugreifen, doch sie zögerte und nahm erst auf ein freundliches Lächeln von der Frau hin ein Stück des Brotes. Domitia ließ sie bei keiner ihrer Bewegungen aus den Augen und Tjamand wägte ab, ob sie ihr vertrauen konnte. Einerseits hatte sie recht: wieso hatten sie sie nicht einfach getötet?

Sie konnten keine finsteren Absichten haben, warum teilten sie sonst selbst die Nahrung mit ihr?
Tjamand lag eine Frage auf der Zunge, sie brannte wie eine Flamme, aber sie wagte nicht, sie zu stellen. Sie wollte zuerst Zeit vergehen lassen, ehe sie noch einmal fragte, wieso sie sie gerettet hatten und wer sie seien. Noch waren es nicht ihre Freunde, es waren lediglich keine Mörder. Aber das sagte nichts über ihre Absichten aus.
Das und noch viel mehr flogen in ihrem Kopf umher wie Herbstblätter im Wind, als sie sich an dem Brot bediente, aber keinen einzigen der Gedanken oder der Fragen sprach sie aus, nichts ließ sie über ihre Lippen kommen.

Sie musste sparsam mit Worten sein, sie wusste noch nicht, wem sie vertrauen konnte, nicht in dieser dunklen Zeit. Instinktiv hatte sie das Gefühl, dass diese Frau und die anderen Personen ihr etwas darüber verraten konnten ... über die Geschehnisse und warum alles so war, wie es war.
Sie spürte wie das Essen sie träge machte, sie gähnte und die Augen fielen ihr zu, doch sie aß, denn sie wusste nicht, wann sie das nächste Mal zu essen bekommen würde.
Die Frau musterte sie stetig, doch sie verschwamm vor ihren Augen, die Müdigkeit lähmte sie, bis ihr das letzte Stück des Brotes aus der Hand in den Schlamm fiel und sie einschlief.

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⏰ Last updated: Mar 30, 2016 ⏰

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Schwarzes Feuer / on holdWhere stories live. Discover now