Kapitel 21

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In der rechten Hand hält er den grauen Motorradhelm, mit der linken fährt er sich durchs Haar. Jez betritt gerade das Schulhaus, lässt seinen Blick über die vielen kleineren oder größeren Schülergruppen wandern und steuert dann auf die Clique zu. Auch Max und Betty stehen dabei. Einen Moment zögert Jez. Er hat, seit er am Samstag einfach abgehauen ist, nicht mehr mit ihnen gesprochen, geschrieben oder sonst etwas.

„Hey, Jez." Jez dreht den Kopf. Romy hat hinter ihm das Schulgebäude betreten und lächelt sanft.

„Hey." Jez erwidert Romys Lächeln und steuert dann hinter ihr auf die Clique zu. Als beide die Gruppe erreicht haben, spürt er fast augenblicklich die Blicke von Max und Betty auf sich. Da er den beiden nicht vor der gesamten Gruppe erklären will, dass er am Samstag vielleicht ein bisschen überreagiert hat, lächelt er beiden zu und hofft, dass sie es deuten können. Betty sieht ihn ein wenig gequält an, aber Max scheint sein Lächeln gedeutet und verstanden zu haben. Er lehnt sich zu Betty nach vorne, die mit dem Rücken zu ihm steht und tut so, als würde er ihr einen Kuss auf den Hinterkopf geben, doch in Wirklichkeit murmelt er etwas selbst für Jez Unverständliches. Betty dreht sich zu ihrem Freund um, sieht zu ihm hoch und sieht dann zu Jez, bevor sie zufrieden lächelt. Wenigstens ist das Problem gelöst... Für heute hat er aber noch ein anderes Problem zu lösen. Aber dazu muss er erst Kimmy noch finden...

Mit den Augen sucht Jez die Aula ab, entdeckt Finn, Neah und einige andere Jungs und Mädchen aus der zwölften Klassenstufe, mehr aber nicht. Es macht ihn nervös, dass er Kimmy noch nicht entdeckt hat. Und es lässt ihm Zeit, dass immer mehr und mehr Gedanken über das geplante Gespräch mit ihr in seinem Gehirn Platz finden. Wird Kimmy noch einmal so reagieren, wie schon einmal? Wird sie ihn wenigsten aussprechen lassen? Wird sie Jez Variante von der Nacht vielleicht doch annehmen? Oder wird sie immer noch alles abstreiten? Und was soll er tun oder sagen, wenn sie ihn wieder als grandiosen Lügner bezeichnet? Wenn sie... Mit dem Jackenärmel wischt Jez über das dreckige Visier seines Helmes, allein in der Hoffnung, es würde ihn vielleicht ablenken. Vielleicht wird sie ihn aber auch sofort verstehen... Und vielleicht wird sie sich entschuldigen. Dafür, dass sie ihm diese Sache unterstellt hat und dass sie ihm keine Möglichkeit gegeben hat sich zu erklären... Jez hebt den Blick und erstarrt beinahe, als Kimmy direkt in sein Blickfeld fällt. Sie trägt eine weiße Bluse, darüber eine helle Jeansjacke, schwarze Vans und einen schwarzen, kurzen Skater-Rock. Ihre Haare liegen offen über ihren Schultern, die langen Ponysträhnen wellen sich und umspielen als gleichmäßige Locken ihr schmales Gesicht. Über ihren Schultern hängt ihr lilafarbener Rucksack und auf ihren Lippen liegt das zarte, aber unechte Lächeln, das bestimmt nicht jedem auffällt, Jez aber schon.

Mit den Augen folgt er Kimmys Bewegungen. Sie streckt den Hals, lässt ihren Blick durch die Aula wandern und bleibt dann an der Gruppe mit Finn und Neah hängen. Jez muss ihrem nicht folgen. Er weiß, dass sie zu ihnen gehen wird. Langsam setzt Kimmy sich in Bewegung, fährt sich mit einer Hand durchs Haar und sieht immer wieder auf den Boden, als würde sie irgendetwas beschäftigen. Max, der neben Jez steht, folgt seinem Blick und auch Betty und Romy beobachten Kimmy dabei, wie sie auf Finn zusteuert, der sich ein wenig von der Gruppe gelöst hat. Zur Begrüßung legt er Kimmy die Hände auf die Taille und zieht sich dich an sich. Jez hält den Atem an, als Finn sich zu Kimmy herunterbeugt und sich ihre Lippen, als wäre es etwas ganz selbstverständliches, berühren. Das...! Nein! Warum?, schießt es Jez durch den Kopf. Er zwingt sich den Blick abzuwenden, doch auch so sieht er noch das Bild vor sich, wie Finn sich über Kimmy beugt und sie sich küssen. Ganz langsam atmet Jez aus.

Fast förmlich kann er fühlen, wie der Gedanke durch seinen ganzen Körper kriecht und einen stechenden Schmerz im Brustkorb hinterlässt. Erst dann merkt er, wie sich Romy hinter seinem Rucksack, am unteren Ende seiner Motorradjacke mit einer Hand festklammert. Jez sieht auf, hebt die Hand mit dem Motorradhelm ein wenig und zeigt den anderen damit an, dass er noch zum Schießfach muss. Er dreht sich um und weiß, dass Romy seine Botschaft ihm zu folgen, verstanden hat.

No tear flows without a reason!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt