Kapitel 28 (Epilog)

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Schweigend setzt Kimmy das Glas mit dem kühlen Orangensaft darin an die Lippen und trinkt einige Züge. Die Sonne scheint hell durch das geschlossene Küchenfenster, obwohl es gerade einmal zehn nach sieben Uhr morgens ist. Leise steht Kimmy auf, stellt ihr Glas in den Geschirrspüler und lehnt sich gegen die Küchenzeile. Gestern Abend, als sie aufgewacht ist und Jez, wie schon zwei Tage zuvor, nicht mehr neben ihr lag, hätte sie, um ehrlich zu sein, am liebsten in Tränen ausbrechen können. Erst, als sie den Zettel auf ihrem Schreibtisch entdeckt hat, auf den er geschrieben hat, dass er noch einen Arzttermin wegen seinem Schlüsselbein hat und sie nicht wecken wollte, hat das drückende Gefühl nachgelassen. Mit beiden Händen stößt Kimmy sich von der Küchenzeile ab, nimmt sich eine Flasche Saftschorle aus dem Kühlschrank und schiebt sie in ihren Rucksack. Ja, vielleicht hätte sie Jez nicht glauben sollen. Mit einem Ruck zieht Kimmy den Reißverschluss zu und schiebt sich dann die Haare, die ihr ins Gesicht fallen, hinters Ohr. Aber irgendwie hat er ihr, als er ihr gesagt hat, dass er sie nicht verstehen kann, gezeigt, dass er sie nicht anlügen würde. Kimmy lässt sich auf einen der Küchenstühle fallen. Zu ihrem Glück haben ihre Eltern beide Frühschicht, sodass sie das Gespräch nicht zu Ende führen können, das sie, nachdem Jez gegangen ist und Kimmy aufgewacht ist, über Lennard geführt haben und das so geendet hat, dass sie wieder anfangen musste zu weinen und ihren Eltern gesagt hat, dass sie einfach nur alleine sein will.

Mit einer Hand streicht Kimmy nachdenklich einen Fussel von ihrem Rock, den sie zusammen mit Betty gekauft hat. Seufzend steht sie auf und wühlt so lange in ihrem Rucksack, bis sie ihre Handykopfhörer gefunden hat. Sie steckt sie an ihr Handy an und scrollt durch ihre vielen Playlisten, bis sie die Playliste mit dem Lied ‚Do it like us' von Rob Fowler findet. Es ist ein Lied, das extra für das Final Four in diesem Jahr geschrieben wurde. Eigentlich müsste es Kimmy irgendwie wieder an Lennard erinnern, aber diesmal schiebt er sich nicht wieder – im negativen Sinne – in ihren Kopf. Mit dem Daumen tippt Kimmy auf ‚Play' und schlüpft gleichzeitig in ihre dunkelblaue Jeansjacke. Einen Moment hält sie inne, um ihr Handy in der Innentasche der Jacke zu verstauen, dann schiebt sie sich die Kopfhörer in die Ohren und zieht den Schulrucksack über die Schultern, bevor sie in den Flur geht und ihn ihre schwarzen Schuhe schlüpft.

Die Sonnenstrahlen, die sich durch das geschlossene Fenster schon angenehm warm angefühlt haben, prickeln ein bisschen auf Kimmys Haut, als sie das Haus verlässt und ihr die Sonne ins Gesicht scheint. Gleichzeitig weht ein angenehmer Wind, der die Wärme, die am Nachmittag auf Kimmy warten wird, ein wenig erträglicher macht. Als sie die zwei Treppenstufen vor dem Haus hinuntergeht, schließt sie die Augen. Wie soll sie sich nach dem gestrigen Tag Jez gegenüber verhalten? Schon seit einigen Stunden, um genau zu sein, seitdem sie nach ihrem allnächtlichen Albtraum aufgewacht ist, grübelt sie beinahe ununterbrochen darüber. Sie kann sich schließlich nicht wie gestern verhalten, nachdem sie Jez das erste Mal nach Samstag wiedergesehen hat. Oder doch? Zeit, um darüber nachzudenken, bleibt Kimmy nicht. Als sie den Kopf hebt, sieht sie, wie Jez auf der anderen Straßenseite, wieder, wie am Vortag mit den schwarzen Kopfhörern über den Ohren, den Gehweg betritt. Keine Sekunden nachdem sie ihn entdeckt hat, hebt er den Blick, sieht sie auf der anderen Straßenseite und zieht sich mit einer Hand die Kopfhörer vom Kopf, bevor er die Straße überquert. Kimmy zieht sich schnell, bevor Jez sie erreicht, die Kopfhörer aus den Ohren. Ein Lächeln huscht auf ihre Lippen, als die Sonne Jez Haar von hinten so erhellt, dass es aussieht, als würden sie leuchten.

„Hey." Kimmy muss noch mehr lächeln, als sie Jez ganz eigenes, leichtes Lächeln auf seinen Lippen erkennt. Er fährt sich mit einer Hand durchs Haar und sieht sie aus seinen grünen Augen einen Moment an.

„Hey." Kimmy senkt automatisch den Blick, spürt jedoch, wie Jez sie einen Moment von der Seite ansieht, bevor er sich langsam neben ihr in Bewegung setzt und darauf wartet, dass sie ihm folgt. Schnell stopft sie die Handykopfhörer zu ihrem Handy in die Innentasche ihrer Jacke. Soll sie jetzt wirklich so tun, als wäre Jez gestern nicht bei ihr gewesen? Für sie dagewesen? Augenblicklich entscheidet sich Kimmy.

No tear flows without a reason!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt