Kapitel 10

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Mit halb geschlossenen Augen sieht Jez auf die Uhr seines Handys. 5:30 Uhr. In einer halben Stunde kann er endlich aufstehen! Seit Stunden wälzt er sich nun schon im Bett. Sowohl der Rucksackverband, der sein linkes Schlüsselbein schient, als auch der durchgehende Schmerz, der von dem Bruch ausgeht, lässt ihn einfach keinen Schlaf finden. Immer wenn er den Schlaf fast gefunden hat, ist er aus irgendeinem Grund wieder aufgewacht.

Um zehn vor sechs hält es Jez einfach nicht mehr im Bett aus. Er schält sich aus seiner Decke und steht auf. Da er sowieso noch viel zu viel Zeit hat, bis er zum Schulbus muss, zieht er sich aus und stellt sich unter die Dusche. Das heiße Wasser entspannt ein wenig seine verspannten Muskeln im Schulter- und Nackenbereich. Die Nacht hat er sich damit um die Ohren geschlagen, darüber nachzudenken, wie es Jeremy wohl wirklich geht. Ob seine Mutter vielleicht doch recht hat und Jeremy steigert sich nur in die Sache, von Köln wegzukommen, hinein? Jez schlüpft in seine Jeans und legt den Rucksackverband wieder an. Als er sein T-Shirt über den Kopf ziehen will, pocht sein Schlüsselbein vor Schmerzen. Seufzend lässt er die Hand mit dem T-Shirt darin sinken und sieht sich im Spiegel an. Unter seinen Augen sind dunkle Augenringe zu sehen. Klar, er hat die ganze Nacht ja auch nicht geschlafen... Jez fährt sich mit der Hand durch die noch feuchten Haare und seufzt noch einmal. Dann verlässt er das Bad.

Gerade, als Jez die Badezimmertür öffnet, verlässt seine Mutter ihr Schlafzimmer. Als sie Jez mit dem T-Shirt in der Hand sieht, lächelt sie.

„Hilfst du mir?" Immer noch lächelnd nimmt seine Mutter das T-Shirt entgegen und zieht es ihrem Sohn über den Kopf.

„Ich habe dir gestern doch gesagt, dass du dich in den nächsten drei Tagen nicht alleine anziehen kannst." Jez verdreht die Augen. Seine Mutter hat ja Recht! Aber zugeben würde er das nicht. Statt seinen Gedanken laut auszusprechen, verschwindet er in seinem Zimmer und packt die Order und Bücher, die er für den Schultag benötigt, in seinen Rucksack. Als er den Rucksack auf den Boden stellt, sieht er sich in seinem Zimmer um. Irgendwo muss auch noch sein Collegeblock liegen. Seufzend beginnt Jez die Klamotten, die auf seinem Schreibtischstuhl liegen, zu einem großen Haufen zu stapeln, bevor er sie alle in den Wäschekorb wirft, der schon seit einigen Tagen in seinem Zimmer steht und darauf wartet, endlich mit dreckiger Wäsche gefüttert zu werden. Als er die Blätter, Bücher und Ordner, die auf dem Schreibtisch Kreuz und Quer herumlagen, eingesammelt hat, entdeckt Jez seinen Block.

***

Nach Jez Wahrnehmung vergeht der Schultag schleppend. Die dritte Stunde hat gerade erst begonnen und er hat jetzt schon das Gefühl, nicht mehr schreiben zu können. Der Rucksackverband schränkt ihn beim Schreiben mehr ein, als er gedacht hat. Seufzend lässt er den Kuli auf seinen Block fallen, als der Lateinlehrer beginnt, mit der Gruppe aus den elften Klassen einen Aufsatz zu schreiben. Kimmy, die rechts neben ihm sitzt, sieht ihn mitleidig an und zieht seinen Block zu sich. Flink überträgt sie die Sätze, die bereits auf ihrem Block stehen, auf sein Blatt und lächelt dann.

„Wäre halt besser, wenn du Rechtshänder wärst!" Jez grinst, verschränkt die Arme vor der Brust und kippt mit seinem Stuhl ein wenig nach hinten.

„Klar!" In seiner Stimme schwingt ein wenig Sarkasmus mit, doch er ist dankbar, dass Kimmy den Aufsatz für ihn mitschreibt. Sie lächelt ihm sanft zu und lehnt sich dann wieder über die beiden Blöcke, um die nächsten Sätze zu übertragen. Jez fragt sich, wie Kimmy die Sätze so schnell übertragen kann. Lateinische Sätze, die man erstens nie braucht wird und zweitens ein Buch mit sieben Siegeln für ihn sind.

Als Kimmy die letzten Sätze auf das dritte Blatt von Jez Bock geschrieben hat, wirft sie ihren Füller in ihr Mäppchen und schüttelt ihre rechte Hand.

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