Kapitel 13

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Jez starrt über den See. Er lässt einige der kleinen Kieselsteinchen durch seine Finger gleiten und dreht dann seinen Kopf Max zu.

„Und was hätte ich deiner Meinung nach machen sollen?" Max seufzt, sieht über den See und zuckt die Schultern. Jez wendet den Kopf wieder ab und dreht eines der Steinchen zwischen seinen Fingern. Warum läuft eigentlich gerade alles so beschissen?

„Um ehrlich zu sein verstehe ich nicht, warum Kimmy so viel getrunken hat. Ich habe sie noch nie so erlebt." Jez sieht wieder zu seinem Freund herüber und seufzt. „Wenn sie irgendwie einen zweiten Sekt getrunken hat, war das schon viel."

„Ich verstehe nicht, warum sie denkt, dass ich sie ausgenutzt hätte. Ich hätte mit ihr schlafen können, aber ich habe es nicht gemacht..." Er sieht wieder über das ruhige Wasser und senkt dann für einen Moment die Augenlider. Max stützt sich mit den Unterarmen auf seinen Knien ab und lässt langsam die Luft zwischen den Lippen entweichen.

„Manchmal glaube ich, dass Kimmy die Menschen, die beginnen, ihr etwas zu bedeuten, zurückweist..." Jez öffnet die Augen wieder und sieht Max dann lange von der Seite an.

„Wie meinst du das?" Max löst seinen Blick von dem eigentlich traumhaften Anblick des Sees und sieht dann seinem Freund in die Augen.

„Kimmy..." Er seufzt einmal und sieht Jez dann wieder in die Augen. „Sie hatte einen Zwillingsbruder. Er ist vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben und sie war dabei." Jez setzt sich aufrechter hin und sieht Max dann ein wenig verstört an.

„Was?" Er weiß, dass er seinen Freund richtig verstanden hat, doch das, was Max ihm gerade gesagt hat, ist noch nicht wirklich hundertprozentig in seinem Gehirn angekommen.

„Er hieß Lennard und er hat mit mir Handball gespielt." Max bricht ab, wendet den Kopf von Jez ab, schließt die Augen und öffnet sie fast augenblicklich wieder, bevor er ein paar Mal blinzelt. Jez schluckt die Frage, die ihm auf der Zunge brennt, hinunter. Kimmy hatte einen Bruder? Warum hat niemand auch nur ein Wort von ihm gesagt? „Du bist ihm wahnsinnig ähnlich. Vom Charakter her..." Max sieht Jez in die Augen. „Ich glaube, Kimmy hat in dir eine Person gefunden, die ihr helfen kann, irgendwie von ihm loszukommen. Sie hat es nie gesagt, aber ich glaube, sie leidet noch immer wahnsinnig unter seinem Tod." Max bricht wieder ab und wendet den Kopf ab. „Ich glaube, dass sie wahnsinnig verletzt ist. Sie hat sich seit Lennards Tod total verändert. Sie ist viel ruhiger und zurückhaltender geworden und denkt immer dreimal nach, bevor sie irgendetwas sagt oder macht. Früher hat sie immer erst etwas gemacht und danach nachgedacht. Wenn es Ärger gab und auch Lennard nicht mehr wusste, wie er sie verteidigen sollte, ist sie so lange untergetaucht, bis der größte Ärger wieder verdampft war. Und jetzt hat sie, glaube ich, Angst davor, einen Menschen zu lieben und diesen dann wieder zu verlieren. Verstehst du mich?" Jez wendet den Blick ab und schluckt einmal, bevor er die Augenlider ein wenig senkt und dann, kaum wahrnehmbar aber ehrlich nickt. Kimmy hatte einen Bruder. Einen Bruder, den sie so sehr geliebt hat, wie er Jeremy liebt. Jez will sich gar nicht vorstellen, was er machen würde, wenn er Jeremy beim Sterben zusehen müsste. Er kann sich nicht vorstellen, Jeremy beim Sterben zusehen zu müssen! „Kimmy liebt dich, Jez. Sie hat sich noch nie einem Jungen gegenüber so verhalten wie dir. Gerade die Sache mit deinem Handy... Ich kenne keinen anderen Jungen, für den sie nur einen Gedanken für so eine Situation verschwendet hätte." Max macht eine Pause und sieht nachdenklich auf die Kieselsteine vor seinen Füßen. „Sie glaubt, dass du sie ausgenutzt hat. Es ist genau das eingetroffen, wovor sie sich die ganze Zeit versucht hat, zu schützen." Jez sieht über den See hinweg, schließt die Augen und atmet leise durch den Mund ein und aus.

„Danke...", murmelt er leise.

„Wofür?" Jez öffnet die Augen und sieht seinen Freund aus dem Augenwinkel aus an. Max wendet den Kopf von ihm ab, doch Jez kann genau erkennen, wie sehr er grade, als er von Kimmys Bruder gesprochen hat, mit sich selbst gerungen hat.

No tear flows without a reason!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt