Kapitel 3

91 7 1
                                    

"Na, wie war's in der Schule?", fragt Lyla, als ich einsteige und mich anschnalle.

"Gut!", entgegne ich.Viele Teenager hassen diese Frage, aber ich habe sie schon immer gerne beantwortet.Meiner Mutter habe ich immer sofort von allem, was passiert ist, erzählt.Lyla kann ich noch nicht so viel sagen.Auch wenn sie sehr nett ist, muss ich mich erst an sie gewöhnen.

"Kommst du denn beim Stoff gut mit?", fragt sie und dreht das Lenkrad, um abzubiegen.

Ich nicke.

"Ja, ich war heute die Beste in jeder Stunde."

Klang das vielleicht ein bisschen zu eingebildet?

"Das freut mich.War Logan denn nett zu dir?", stellt sie eine weitere Frage.

Logan.Für ein paar ganz kurze Momente habe ich ihn vergessen.Dabei fällt mir ein, dass er ständig in meinem Kopf ist.

Nein, ist er nicht.Er ist nicht ständig in meinem Kopf.Ich habe in der letzten viertel Stunde viel an ihn gedacht, weil er mit mir gesprochen hat und er das so selten tut.

War er denn überhaupt nett?Er hat so wenig Worte wie möglich mit mir gewechselt und mir mein Frühstück gegeben.

Aber als wir Physik hatten, hat er mir sogar zugehört.Wow.Zugehört.Wie "nett".Wieso bilde ich mir ständig auf alles, was er tut, etwas ein? 

Lyla sieht aber so unglaublich hoffnungsvoll aus, weshalb ich sage:

"Ja, das war er wirklich."

"Er ist so ein lieber Junge, nicht wahr?"

Ich nicke und gebe nur einen "Mhm" laut von mir.

Er ist zu jedem nett, nur nicht zu mir.Wieso nur?Zwischen uns gab es bis jetzt nur eine lustige Situation, welche auch eine der einzigen nicht unangenehmen war (zusammen mit den beiden "Gesprächen" und eines davon war Zuhören heute in Physik).Kann man diese überhaupt als "lustig" bezeichnen?Der Abend, an dem Elle und Skylar Streit hatten und er da alleine stand.Es schien mir damals wirklich so, als würde er auch zu mir nett sein, aber ich schätze, er war einfach betrunken.

Als ich mich umsehe, sind wir grade an der Mall angekommen.Um die Mall herum sind noch ein paar weitere Geschäfte, aber die Mall ist immer noch das größte und sticht einem sofort ins Auge.

Lyla parkt auf einem Parkplatz an der Seite und ganz in der Nähe eines Ladens direkt neben der Mall.

"Dann wollen wir Mal!", sagt sie und schnallt sich ab.

Ich tue dem nach und hebe meinen Rucksack vom Boden.Ich freue mich so sehr.Vor allem in einem fremden Land shoppen zu gehen ist total interessant.Ich war bis jetzt zwar nur hier, in Deutschland, in Italien und in Schweden, aber die Geschäfte und das Personal ist überall ganz verschieden.Shoppen in Schweden bei meinen Großeltern war immer am Besten.Einen so großen Ikea gibt es in Deutschland definitiv nicht und in Italien erst recht nicht.Elsa, Lil und ich lieben Ikea.Wenn wir bei meinen Großeltern in Stockholm sind, besuchen wir den Laden mindestens jeden zweiten Tag.Wir nehmen sogar immer einen extra Koffer mit, um all die Kleinigkeiten, die wir kaufen, zu verstauen.Das letzte Mal als ich dort war, war als ich zwölf war.Danach starb mein Vater und Elsa wurde krank.Seitdem habe ich meine Großeltern nur noch einmal Mitte September vor fast drei Jahren auf der Beerdigung meines Vaters gesehen.Ich würde sie gerne nach so langer Zeit treffen.Wir telefonieren eher selten und selbst wenn, es ist nunmal nicht dasselbe, wie wenn man einander Nah ist.

Wir brauchen Berührungen, um uns klar zu machen, dass die Person, die uns liebt, wirklich bei uns ist.

"In welchen Laden möchtest du zuerst gehen?", fragt Lyla.

One life in a year GERMAN EDITION/ written by Nicole BrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt