Prolog

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Es war ein gewöhnlicher Tag für die Canvenari Geschwister.

Zuerst absolvierten sie ihr Morgentraining. Nach dem Frühstück hatten sie dann bis zum Mittagessen Unterricht. Danach schlossen sie sich, für das Fecht-Training, den anderen Kindern an. Nach dem Kampftraining hatten sie Freizeitaktivitäten und sobald ihr fünfjähriger Bruder Kilian zu Bett ging, begann das Spezialtraining ihrer Großmutter.

So sah für gewöhnlich der Tag für die zwei Ältesten aus.

Doch an diesem Tag war etwas anders. Beim Abendessen, wo sie für gewöhnlich ihre Probleme lösten, teilte ihre Großmutter, das Oberhaupt der Familie Canvenari, ihnen mit, dass ihr Vater bei einem Einsatz ums Leben kam.

Obwohl die Kinder seit klein auf beigebracht bekommen haben, dass das Leben von Canvenaris gefährlich war und sie auf so einen Moment vorbereitet wurden, brachen sie alle in Tränen aus.

Penelope drückte Kilian an sich, damit er nicht sah, wie seine Mutter, ihre Stiefmutter, zusammenbrach. Ihre Großmutter und ihr Onkel, brachten die gerade gewordene Witwe auf ihr Zimmer. Ihre Tante holte derweil den Hausarzt. Die Trauer und der Stress waren nicht gut für sie. Sie mussten sicher gehen, dass es ihrem Baby gut ging.

Am Tag der Beerdigung regnete es ununterbrochen, was die Stimmung der Halbwaisen widerspiegelte.

Für Cedric war es besonders schlimm gewesen. Er hatte schon seine Mutter im alter von vier Jahren verloren und nun auch noch seinen Vater. Penelope dagegen erinnerte sich nicht mehr an ihre Mutter. Sie war zu klein gewesen.

Ihr Stiefmutter hielt während der ganzen Zeremonie ihre Hände. Insbesondere Cedrics Hand ließ sie nicht mehr los. Amy wollte für ihre Stiefkinder, die schon ihre Mutter an Fieber verloren hatten, beistehen. Sie liebte diese Kinder, so wie sie ihre eigenen Kinder liebte.
Vermutlich liebte sie die Kinder mehr, als sie ihren Mann geliebt hatte. Die beiden hatten sie mit einem breiten Lächeln begrüßt und als es hieß sie würden heiraten freuten sie sich, mehr als jeder andere.
Amy hatte immer Sorge gehabt, sie würden sie nicht mögen, dass sie glaubten sie würde ihre Mutter ersetzen, aber sie waren warmherzig und liebevoll zu ihr gewiesen.

Als Amy mit ihrer Schwangerschaftsdepressionen zu kämpfen hatten, waren die beiden für sie da. Sie hatten ihr Mut sowie Kraft gegeben und ihr dabei geholfen ein Teil ihrer eher schwierigen Familie zu werden.
Obwohl sie selbst kaum die Kraft dazu fand, so würde sie ihren Kindern jetzt beistehen und für sie da sein. Das schwor sie sich.

Nachdem Penelope es geschafft hatte, sich von ihrer Mutter zu lösen, verkroch sie sich in eine Ecke. Sie hatte keine Lust sich mit den Gästen zu unterhalten. Sie wollte ihre halbherzigen Beileidsbekundungen nicht hören oder ihre gespielt traurige Gesichter sehen. Sie wollte einfach allein sein.

Schritte näherten sich ihr. Es waren die Schritte eines Kindes, etwa in ihrem Alter.

Es war ein Junge, der etwa das gleiche Alter, wie sie zu haben schien. Er hatte seidige hellblonde Haare und scharlachrote Augen. Er trug einen schwarzen, maßgeschneiderten Anzug. Er war ganz sicher ein Adeliger. Sie hatte ihn allerdings noch nie beim Training gesehen, was bedeutete, dass er nicht in ihre Akademie ging, die ihre Familie betrieb.

Der Junge stellte sich vor sie und schaute sie mit einem sanften Lächeln an. Er hatte kein Mitleid mit ihr. Er tat gar nicht erst so als würde er sie verstehen, aber dennoch empfand er etwas Empathie für sie. Für Penelope war das eine freudige Abwechslung.

Er stellte sich vor: "Ich bin William James Moriarty, Alberts Bruder." Penelope versuchte zu lächeln.
Sie kannte Albert James Moriarty. Sie waren miteinander verlobt. Die Ehe wurde schon früh beschlossen. Keiner der beiden hatte ein Mitspracherecht. Sie hatte Albert ein paar mal getroffen. Er war ein netter Junge, viel netter als die meisten anderen Adeligen. Er war ganz sicher keine schlechte Partie.
Trotz ihrer Treffen und der Vermählung hatte sie William nie kennen gelernt oder gar gesehen.

"Freut mich dich kennenzulernen William.", erwiderte sie eher halbherzig. Unter anderen Umständen hätte sie sich tatsächlich gefreut, aber jetzt gerade...
William schien sie zu durchschauen. Es war so, als könnten seine Augen geradewegs in ihr Herz sehen. Sein durchbohrender Blick machte Penelope unruhig. Sie fragte sich, was er von ihr wollte.

Moriarty lächelte freundlich. "Ich war eigentlich auf den Weg zu eurer Bibliothek, aber ich habe mich anscheinend verlaufen. Könntest du mir helfen?"
Verwirrt blinzelte Penelope ein paar Male schnell hintereinander. Sie hatte mit einer dieser üblichen Beileidsbekundungen gerechnet, aber nicht damit. Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen. Seine Art und diese Ablenkung tat ihr gut. Sie nickte und brachte ihn zur Bibliothek.

Ihre Bibliothek war nicht die größe, die ein Adeliger hatte, aber klein war sie auch nicht. Sie besaßen vor allem Strategie-Bücher und Bücher übers Kämpfen. Die Canvenaris besaßen viele Aufzeichnungen über alte Schlachten und geheime Kampfkünste.
Kein Wunder denn die Canvenaris waren nicht bloß eine einfache Ritterfamilie. Sie galten als die besten Kämpfer ganz Englands. Sie waren die Kampfhunde der Krone und als solche bekleideten sie stets hohe Stellungen im Militär. Einige munkelten sogar, dass Großbritanniens Militär quasi ihnen gehörten.

Zu ihrer Überraschung trafen sie in der Bibliothek auf Albert und einem weiteren blonden Jungen mit denselben scharlachroten Augen. Die beiden wollten nach William sehen.

Als Albert Penelope erblickte eilte er sofort zu ihr. Er hatte bisher keine Gelegenheit gehabt mit ihr zu sprechen. "Penelope.", sagte er mit einem besorgten Gesichtsausdruck.
Er strich ihr zärtlich über die Arme und hielt ihre Hände. "Wie geht es dir?" Ihm war klar, dass sie traurig war, aber er wusste nicht wie er sich besser ausdrücken sollte. Er wollte sagen, dass ihr Verlust ihm leid tat, aber sie hatte das heute bestimmt schon ein dutzend Mal gehört.
Penelope schmunzelte etwas. Sie hatte mit dieser arrangierten Ehe wirklich Glück gehabt. "Ich komme schon zurecht. Mach dir keine Sorge."

Penelope beschloss das Thema zu wechseln. Es gab da nämlich etwas, was sie ihm schon lange sagen wollte, aber dazu keine Gelegenheit hatte. "Tut mir leid, dass ich euch, nach dem Feuer, nicht besuchen kommen konnte."
Vor ein paar Monaten war das Moriarty Anwesen abgebrannt. Albert und seine Brüder hatten glücklicherweise überlebt. Seither wohnten sie im Stadthaus der Canvenaris.

Abwinkend schüttelte Albert den Kopf. Mit sanfter Stimme sagte er: "Schon gut. Ich weiß du hattest immer viel zu tun. Außerdem verdanken wir es dir, dass wir bei euch wohnen können."
So sehr sie seine sanfte Art auch mochte. So könnte er trotzdem etwas energischer sein. "Das ist doch das mindeste!", meinte sie und sah dabei traurig aus, "Ich wünschte nur, ich hätte mehr für euch tun können."
Albert lächelte sanft. "Du hast schon mehr als genug getan."

Albert war froh darüber, dass er von allen adeligen Mädchen, Penelope heiraten würde. Wegen ihres strikten Lehrplans kam sie nur selten mit der Außenwelt in Kontakt. Trotzdem war sie bodenständig und freundlich zu jedem. Zumindest soweit er es immer mitbekommen hatte.
Vor einigen Jahren, bevor er William und seinen Bruder kennenlernte, waren sie gemeinsam zum Waisenhaus gegangen. Er erinnerte sich wie glücklich sie über seinen Vorschlag war. Sie war meistens nur Zuhause und hatte häufig nur mit anderen adeligen Kontakt. Sie war froh raus zu können und andere Kinder zu treffen.
Bei dem Anblick ihren strahlenden Augen hatte er sich in sie verliebt.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hatte sie sich mit den anderen Kindern angefreundet. Als sie hörte, dass ein paar Mädchen von größeren Jungs gehänselt wurden. Hatte sie die Geschichte, die sie ihnen vorgelesen hatte beiseite gelegt und einen Selbstverteidigungskurs gegeben.
Da hatte Albert gemerkt, dass seine Verlobte doch recht verschroben war, aber auf eine gute Art. Die Mädchen hatten sich jedenfalls danach nie wieder über irgendwelche Rüpel beschwert.

Stille hatte sich wieder über die vier gelegt. Bis Albert die Stille unterbrach. "Wie ich sehe hast du William schon kennengelernt und das hier ist Louis, mein anderer Bruder." Er zeigte auf den kleineren Blondschopf.
Louis verbeugte sich höflich. "Es freut mich euch endlich kennenzulernen Fräulein Penelope. Albert hat uns nur gutes über Euch erzählt."
Penelope wurde etwas rot. Sie machte einen kleinen Knicks und erwiderte seine Begrüßung: "Es freut mich ebenfalls Louis. Auch ich bin froh euch endlich kennenzulernen."

William trat etwas näher. Lächelnd sagte er: "Ich bin mir sicher, wir werden alle gut miteinander auskommen, wenn wir später eine Familie werden."
Penelopes Wangen brannten vor Scham. Sie war doch gerade erst zwölf. Bis sie heirateten, würde es noch eine Weile dauern.

Dank der Moriartys fühlte sich Penelope nicht mehr ganz so elend. Ihre Gesellschaft erleichterte ihr Herz und sie fühlte sich nicht mehr so allein. Sie freute sich schon auf den Tag an dem die Familien Moriarty und Canvenaris sich endlich vereinen.

Die Jagdhündin der Krone (Moriarty the Patriot / Yuukoku no Moriarty FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt