Kapitel 14

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Der Fall war eine Sackgasse, obwohl er doch ziemlich merkwürdig war.
Alles schien darauf hinzudeuten, dass der Viscount eines natürlichen Todes starb. Ich war jedoch nicht ganz so überzeugt, da sein Tod einfach zu seltsam war.
Es gab eine Menge Mittel und Gifte, die jemanden umbringen und nicht so einfach nachgewiesen werden konnten. Dazu kommt, dass bei der Vorgeschichte des Viscounts das naheliegenste wäre diesen Tod seinen Beschwerden zuzuschreiben.

Sherlock war so frustriert von allem, dass er sich unmöglich benahm. Er gab John die Schuld für alles, weil er ihn aufgehalten hatte, als Hopes ihn bat ihn zu erschießen.
Wütend stampfte John davon. Ich machte ihm da keine Vorwürfe.

Wütend schlug ich mit der Faust gegen Sherlocks Niere. Er krümmte sich vor Schmerz und fragte mich was das sollte.
Ich stemmte meine Hände in die Hüfte: "Das sollte ich eher dich fragen!", schrie ich ihn an, "Wie alt bist du, acht?"
Sherlock starrte mich verdutzt an und auch ein paar andere schauten verwirrt zu uns rüber.
"Du musst auffhören dich jedes um dich zu schlagen, wenn du mal frustriert bist und in einem Fall nicht weiter kommst!", mein Blick wurde weicher, "Sherlock wir sind deine Freunde und für dich da, aber auch wir haben unsere Grenzen. Wenn du so weitermachst wirst du noch jeden um dich herum vergraulen."
Sherlock begann seine Worte von vorhin zu bereuen.

Ich schaute runter zu seinem Ring und biss mir auf die zitternde Lippe. Schließlich sagte ich noch: "Und sag bitte nie wieder, dass du hättest schießen sollen, Sherlock. Ich will nicht, dass du ein Mörder wirst."
Er schaute mich aus traurigen Augen an. "Es tut mir leid Nel.", entschuldigte er sich aus tiefstem Herzen. Auch er starrte den Ring an und erinnerte sich sn das Versprechen.

Ich wollte dieses Gespräch nicht so zu Ende gehen lassen. Das war nicht unsere Art.
Aus diesem Grund riss ich ihm die Zigarette aus seiner Hand und schmiss sie weg: "Und hör gefälligst mit dem Rauchen auf!"
Ein Lächeln erschien wieder auf Sherlocks Gesicht.

Er legte seinen Arm auf meinen Kopf ab, um sich zu stützen. "Du hast wie immer Recht Nel. Ich werde mich später bei Dr. Watson entschuldigen."
Ich schnaubte zufrieden: "Das will ich dir raten, denn so einen guten Freund wie John wirst du nie wieder finden." Gleich darauf rammte ich ihm meinen Ellbogen in die Rippen. "Aber nimm gefälligst deinen Arm von meinem Kopf runter!", schrie ich ihn an.
Lachend rannte Sherlock in den Zug und ich ihm schimpfend hinterher. Ich wünschte in diesem Moment wirklich ich hätte Mrs. Hudsons Bratpfanne gehabt, um ihn damit eins über zu ziehen.

Sherlock wollte ins Abteil, um sich mit Dr. Watson auszusprechen, aber dieser hatte das Abteil geschlossen. Ganz offensichtlich wollte er nicht mit ihm sprechen.

Ich stand ein paar Meter entfernt, lehnte an einer Wand und starrte aus dem Fenster. "Wenn ich mich recht erinnere, hab ich dir beigebracht ein Schloss zu knacken.", sagte ich. Mein Blick betrachtete noch immer die vorbeiziehende Landschaft.
Sherlock zögerte ein wenig: "Ich sollte ihm wohl erstmal ein wenig Freiraum lassen."
Ein kleines zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Wir gingen in den Speisewagen. Ich bestellte gerade einen Tee, als Sherlock plötzlich davon stürmte.
Überrascht und verwirrt schauten der Kellner und ich ihm nach.

Sherlock setzte sich unaufgefordert an einen Tisch. Meine Augen weiteten sich, als ich Louis erblickte und der Blondschopf ihm gegenüber war zweifelsohne William.
Na großartig!, dachte ich missmutig und verfluchte Sherlock in Gedanken.
Seufzend erhob ich mich von meinem Platz. Ich konnte nicht so tun, als hätte ich sie nicht bemerkt. Auch wenn ich es in diesem Moment gerne getan hätte.
Mir war klar, dass ich meine Freundschaft zu diesem ungehobelten Idioten unmöglich hätte länger verheimlichen können.

Ruhig und mit langsamen Schritten ging ich zu den drei Männern rüber.

Louis bemerkte mich als erstes. Er stand auf und verbeugte sich höflich: "Fräulein Penelope, was für eine Überraschung Sie hier zu sehen."
Ich lächelte den jungen Mann sanft an: "Bitte Louis, du brauchst nicht so förmlich zu sein."
"Immerhin wird sie bald deine Schwägerin sein.", grinste Sherlock amüsiert.
Mit finsterer Miene schlug ich ihm eiskalt auf den Hinterkopf. "Benimm dich.", zischte ich ihn an. Keine Sekunde später lächelte ich die Moriarty Brüder entschuldigend an: "Ich entschuldige mich für sein ungestümes Verhalten."

Mit schmerzverzerrter Miene rieb sich Sherlock seinen Hinterkopf. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn so schlug und es würde auch nicht das letzte Mal sein.
"Wer bist du, meine Mutter?" Er zuckte zusammen als er meinen zornigen Blick sah.

William lächelte milde, begrüßte mich und bot mir den Platz neben ihn an. "Dann ist der werte Herr hier, also tatsächlich dein Kindheitsfreund, von dem Albert uns erzählt hat.", es war nicht wirklich eine Frage, aber ich bejahte trotzdem.
Normalerweise hatte Will immer eine freundliche und charismatische Aura, um ihn herum, aber diesmal wirkte er kalt. Was Charisma jedoch anbelangte, waren er und Sherlock auf gleichem Level.

Sherlock und Will sprachen vom Drebber-Fall. Sherlock sprach von einem Drahtzieher, von dem er auch damals bei der Noahtic erzählt hatte.

Ganz automatisch spannte sich mein Kiefer an und ich ballte die Hand zur Faust. Er sollte doch davon nichts erzählen.
Doch eigentlich hätte es mir klar sein müssen. Er wollte seine Kenntnisse mit jemanden teilen, der mit ihm auf gleicher Höhe war und wer war in dieser Hinsicht besser geeignet als William James Moriarty?

Louis und ich warfen uns verzweifelte Blicke zu und seufzten still und heimlich.

Als Sherlock bluffte und behauptete, dass Will der Drahtzieher war, entgleisten mir sämtliche Gesichtszüge. Ich widerstand dem Drang Sherlock anzuschreien.
Er wusste doch, dass Will bald mein Schwager sein würde und er ließ mich nicht gerade gut vor ihm darstehen.

Als William bei seinem kleinen Spiel mitspielte, starrte ich ihn verblüfft und mit offenem Mund an.
Die beiden taten es als Scherz ab, aber ich spürte die Anspannung am Tisch. Sie drückte mir die Luft aus den Lungen.
Für eine Sekunde hatte ich Williams Worte geglaubt.

Ich erinnerte mich an all die Male, wo mir seine Blicke einen kalten Schauer über den Rücken jagten und an all die Male wo ich glaubte in seiner Nähe den Drang zum Töten gespürt zu haben.
Nicht zu vergessen die Mordserie an dem wir beide ermittelt hatte und wo kurz darauf, der Täter starb.
Ich erinnerte mich wie seltsam ich es fand das der Viscount von Belfor an seinem Herzleiden starb, obwohl er davor noch so gesund wirkte und nachdem ich mit den Moriartys darüber gesprochen hatte, wie man ihn hätte umbringen können.

Ich verdrängte all diese Gedanken wieder. Ich konnte, nein, vielmehr ich wollte nicht daran glauben, dass Will der Drahtzieher hinter all dem war. Denn das hätte bedeutet, dass Louis und vor allem Albert mit in der Sache steckten und diesen Gedanken hätte ich nicht ertragen können.
Mein Verlobter hätte unmöglich ein Mörder sein können.

Nicht die Liebe meines Lebens, der immer so sanft und liebevoll zu mir war. Der mich niemals verurteilte, weil ich war, wie ich nunmal war.
Der mich mit Anstand und Respekt behandelte und das nicht wegen meiner Abstammung, sondern schlichtweg, weil ich ein menschliches Wesen war.
Der mit mir auf Augenhöhe sprach und mich niemals in die Rolle einer braven Ehefrau zwängte, sondern mich so akzeptierte, wie ich war.
Dieser Mann, den ich so sehr liebte, hätte mich unmöglich all die Jahr belügen und hintergehen können. Das hätte ich doch bemerkt oder?
Hätte mich meine Liebe zu ihm wirklich so blind machen können, dass ich das Offensichtliche die ganze Zeit über übersehen hatte?

Viel später sollte ich erfahren, dass mich die Liebe sehr wohl blind gemacht hatte und es sollte mich zerstören.

Die Jagdhündin der Krone (Moriarty the Patriot / Yuukoku no Moriarty FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt