Unique! (Loki FF)

Die Magie in den Worten

" 'Mit dieser Hindeutung auf seine eigene verderbte Natur und den Weltbrand verschwindet er.'" Erschöpft schloss ich das dicke Buch und lehnte mich gähnend zurück. "Sehr gut. Du hast gute Fortschritte gemacht, morgen können wir uns vielleicht schon etwas schwieriger Literatur widmen." Loki klang zufrieden, während er aufstand und die Geschichtensammlung zurück an ihren rechtmäßigen Platz brachte. Als ich meinen Blick aus dem Fenster schweifen ließ, wurde mir erst bewusst, dass die Sonne bereits untergegangen war. Loki und ich hatten anscheinend tatsächlich den ganzen Tag damit zugebracht mir das Lesen bei zu bringen, mit großem Erfolg wohlbemerkt. Der Asenprinz hatte schnell gemerkt, wie wissbegierig und lernbereit ich war und brachte mir schnell die Grundlagen nordischer Runen bei. Anschließend ließ er mich eine der alten Geschichten vorlesen, bis ich keinerlei Probleme mehr hatte und die Worte in einem sanften Redefluß hervorsprudelten. Nur selten musste er mich korigieren oder mir die Bedeutung einiger Worte erklären und er zeigte sich als sehr geduldiger Lehrer. Ich selbst fühlte mich ihm zu großem Dank verpflichtet, denn nun eröffnete sich mir eine unglaubliche Auswahl an Schriften und Büchern, anderen Welten in die ich eintauchen konnte. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich am liebsten die gesamte Nacht hier verbracht. Doch das würde Loki wohl kaum zulassen.

Eben jener trat wieder an mich heran und lächelte leicht. "Es ist schon spät, du solltest schlafen gehen." Bereits leicht schläfrig erwiderte ich das Lächeln und nickte. Mühsam erhob ich mich und folgte Loki aus der Bibliothek. Dabei entging mir das Buch, welches sich der Schwarzhaarige unter die Tunika gesteckt hatte, selbstverständlich nicht; so viel zu den Regeln, aber er war ein Prinz, er konnte sich das vermutlich erlauben. Er begleitete mich noch zu meinem Gemach und verabschiedete sich dort von mir. Als Loki dann wieder verschwand um selbst etwas zur Ruhe zu kommen, lies ich mich erschöpft auf das weiche Bett fallen und schlief binnen Sekunden ein.

In den nächsten Tagen besuchten wir immer wieder die Bibliothek. Loki und ich hatten beschlossen, dass ich als erste Maßnahme meiner Ausbildung zur Asin erst einmal Kunst, Kultur und Wissenschaft kennen lernen sollte. Dahinter steckte aber eigentlich nur, dass wir uns begründet hinter all den Büchern verstecken konnten und einfach die Zweisamkeit genießen konnten. Und ich musste zugeben, langsam begann ich gefallen daran zu finden. Loki brachte mir in der folgenden Zeit noch viele weitere Sprachen bei und auch allein belaß ich mich viel über die anderen Welten. Ich war fasziniert von all den Dingen die dort draußen existierten, nicht nur die neun Welten Yggdrasils, auch alles was darüber hinaus lag. Midgard jedoch hatte besonders mein Interesse geweckt. Die Menschen die dort lebten, hatten schon vor vielen Jahrhunderten aufgehört an uns zu glauben und leugnen unsere Existenz, darum gibt es leider nicht viele Schriften aus dieser Welt, doch allein die Geschichten eines Volkes genannt Griechen erheiterten mich. Vorallem dort fanden sich Vertreter einer Gruppe mit dem Namen 'Philosophen' deren Niederschriften mich faszinierten und mich selbst zum nachdenken brachten. Ich blieb gern bis spät in die Nacht hinein auf um Senecas Texte über und über zu lesen und in Gedanken mit Platon und Socrates zu diskutieren.

Und auch heute hatte ich eigentlich geplant, mich mit einem weiteren midgardischen Philosphen zu beschäftigen, da blieb mein Blick an einem alten verstaubten Buch hängen. Es war nicht sonderlich anders als all die anderen Bücher in all den anderen Regalen und doch zog mich etwas daran an. Vorsichtig zog ich den schweren Band hinaus und pustete sachte über den roten Einband. 'Die Grundlagen der Magie' stand in goldenen Lettern oben auf dem Einschlag und interessiert schlug ich die erste Seite auf. Das Papier war bereits vergilbt und wieß ein paar Flecken auf, es war wohl schon oft benutzt wurden. Die Verse waren in einer alten, kaum noch gesprochenen Sprache geschrieben und bereits nach dem Überfliegen der ersten Zeilen wurde mir bewusst, dass es mich einige Stunden länger als gewöhnlich benötigen würde, alles in vollem Umfang zu verstehen. Und doch reizten mich die verschnörkelten Linien der mit schwarzer Tinte gefertigten Zeichen auf eine so ungewöhnliche Weise, wie es zuvor nur die anspruchsvollsten Texte bewerkstelligt hatten. So verwarf ich meine Pläne und beschloss mich ein anderes Mal den midgardischen Gedankengängen zu widmen. Eilig und bereits von Vorfreude getrieben setzte ich mich an einen der etwas abgelegeneren Tische - es war zu Lokis und meinem liebsten Ort geworden - und schlug den alten Band von neuem auf. Als ich gerade die Einleitung hinter mir hatte, erschien Loki zwischen den Regalen mit einem ganzen Stapel verschiedenster Manuskripte und Schriftrollen. Er hatte vor kurzem begonnen sich mit verschiedensten politikwissenschaftlichen Texten zu befassen, eine für einen Prinzen notwendige Aufgabe, auch wenn sein Bruder dieses Interesse zum zukünftigen Leidwesen Asgards nicht im entferntesten teilte. Der Schwarzhaarige ließ sich entschlossen neben mir nieder und warf einen interessierten Blick in das Buch vor mir.  "Heute kein Philosoph?" Schmunzelnd erwiderte ich seinen freundlichen Blick. "Nein, stattdessen habe ich das hier gefunden. Ich bin noch nicht sehr weit, aber es scheint sich um die Anwendung jedweder Zaubereien zu drehen." Prüfend hob Loki den Einband und erblickte den Titel des Buches. Ein leicht nostalgisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen und sanft ließ er das Buch wieder sinken. "Mit diesem Buch lehrte mich meine Mutter einst die Magie. Vielleicht wird es ja Zeit, dass wir uns dem nächsten Punkt deiner Ausbildung widmen." Verwirrt runzelte ich die Stirn. Erst kürzlich hatte ich die Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens erlernt und hatte mich noch nicht ansatzweise ausreichend mit der Kultur aller neun Welten beschäftigt, um diesen Punkt als abgeschlossen anzusehen. Der Asenprinz schien mein Unverständnis zu bemerken und so zögerte er nicht, seine Aussage weiter zu erläutern. "Studiere die Lehren dieses Buches und wenn du damit fertig bist, werden wir uns der Praxis des Ganzen widmen. Dann wirst du neben dem Lesen und dem empirischen Lernen auch von mir in der Anwendung und Kontrolle deiner Kräfte unterrichtet." Erstaunt starrte ich in die tiefgrünen Smaragde meines Gegenübers und suchte nach dem kleinsten Hauch von List und Schabanack, wie ich es schon zuvor bei Loki beobachtet hatte, wenn er anderen hin und wieder einen kleinen Streich spielte. Doch nichts dergleichen war in den wunderschönen Iriden zu finden und langsam überkam mich die Aufregung. "I-ich darf meine Kräfte wieder benutzen? Wird dein Vater dem denn zustimmen?" Auch wenn der Asenprinz ein hervorragender Schauspieler war, entging mir doch das kurze Zögern in Lokis Mimik nicht. Er war allerdings schnell daran seine Maske der Ruhe und Zuversicht wieder aufzusetzen und mir sein typisch höfliches Lächeln zu schenken. "Überlass das nur mir." Und damit schien er das Thema beendet zu haben, denn ohne ein weiteres Wort zu verlieren, widmete er sich nun seinen zuvor herangetragenen Schriften zur Politik.

Für mich jedoch war einige Momente lang gar nicht an lesen zu denken. In den letzten Woche hatte ich mich an mehr Regeln halten müssen und mich mehr einschränken müssen als je zuvor. Zu beginn war es mir nur sehr schwerlich gelungen und es war keine Sekunde vergangen, in der ich mich nicht danach sehnte dem Druck in meinem Inneren Raum zu schaffen. Und obgleich ich nie damit gerechnet hätte so schnell dieses hohe Maß an Vertrauen beim Prinzen zu gewinnen, war ich nun umso aufgeregter meinem Ziel endlich näher zu kommen. Denn so sehr es mir auch gefiel neues zu lernen und mit Loki Zeit zu verbringen, wollte ich doch nichts sehnlicher als endlich wieder zu meinem Rudel, meiner Familie, in meinen geliebten Wald zurückzukehren und weit ab aller Zivilisation die Schönheit der Natur zu genießen. So wandte ich mich dann doch eilig dem alten Buch vor mir zu und begann jedes Wort in aller Fülle in meinem Verstand aufzunehmen.