Eine frische Brise wehte durch mein Haar, während ich die aufgehende Sonne beobachtete. Ihre Strahlen ließen den frisch gefallenen Schnee wie tausende Diamanten funkeln und in der Stadt herschte reges Treiben. Ich stand schon eine Weile hier und beobachtete die Umgebung und ich stellte erneut fest, wie wunderschön alles von hier oben aussah. Ich kannte jeden Winkel der Wälder und Täler Asgards, doch so hatte ich es noch nie betrachten können. Die Schönheit der Natur faszinierte mich immer wieder aufs neue und ich sehnte mich mit jedem Morgen mehr nach ihr. Ein Klopfen an meiner Tür, riss mich unsanft aus meinen Gedanken und wie erwartet trat wenig später Loki ein. Er ging zu mir hinüber und stützte sich mit den Armen auf das Geländer. So verweilten wir einen Moment und genossen beide den fesselnden Ausblick. "Wunderschön, nicht wahr?" "Atemberaubend." Mehr Worte waren nicht nötig und mehr wurden auch nicht ausgetauscht. Erst nach einer ganzen Weile, ergriff der junge Prinz wieder das Wort. "Ich hatte nicht erwartet, dass du schon so früh wach bist, wo du doch gestern nicht gerade wenig von dem Honigmet getrunken hast." Verwirrt sah ich zu ihm auf und entdeckte ein schelmsiches Grinsen auf seinen Lippen, doch dann dämmerte es mir. Er spielte auf dieses köstliche Getränk vom Vorabend an, Honigmet also. "Und dennoch bist du zu solch früher Stunde schon hier." Ich hörte Loki leise lachen und musste selbst etwas schmunzeln. "Ich wollte dich eigentlich abholen." "Wieso?" "Das Frühstück steht bereit und ich dachte, du würdest dich vielleicht noch etwas stärken wollen, ehe ich dich herumführe." Trotzig verzog ich den Mund. Ich mochte Loki wirklich und auch mit Thor und seinen Freudnen konnte ich mittlerweile umgehen, doch ich wagte stark zu bezweifeln, dass nur wir an diesem Frühstück teilnehmen würden. "Habe ich denn eine Wahl?" Mein Unmut schien den Asenprinzen zu amüsieren und entlockte ihm ein kleines Grinsen. "Ich fürchte du wirst nicht darum herum kommen. Zum einen nicht, weil das gemeinsame Frühstück bedauerlicher Weise zum Leben eines Asen dazu gehört, zum anderen weil die Königin persönlich deine Präsenz erbeten hat." Als nun die Frau des Allvaters zur Sprache kam wurde mir nicht weniger unbehaglich, doch ich sah ein, dass es wohl kein Entkommen geben würde. Also stieß ich mich von dem Geländer ab und wollte mich auf den Weg zu der großen Eichentür machen, da hielt Loki mich an der Schulter zurück und versuchte sichtlich ein Grinsen zu unterdrücken. "Du solltest dir vielleicht erst einmal etwas ordentliches anziehen." Ich sah an mir herunter und erkannte, dass ich die ganze Zeit über nur in mein Nachthemd gekleidet war. Schlagartig schoß Röte in meine Wangen und eilig schnappte ich mir meine Sachen, um damit peinlich berührt im Bad zu verschwinden. Als ich wieder hinaus kam, wartete Loki bereits an der Tür und gemeinsam verließen wir mein Gemach. Ich kannte mich noch nicht all zu gut aus, irgendwie schien alles in dem riesigen Palast gleich zu sein, also nahm Loki meine Hand und führte mich durch die vielen Gänge zum Speisesaal.
In dem Saal sah nichts mehr so aus wie am gestrigen Abend. Tische waren in Reihen im ganzen Raum aufgestellt und auf den Bänken saßen Asen, welche vergnügt redeten, lachten und aßen. Als wir den Raum betreten hatten, versuchte ich mich nervös hinter Loki zu verstecken, ich hasste es von so vielen Menschen angestarrt zu werden. Und auch wenn sich die meisten nicht von uns stören ließ, so drehten sich doch immer wieder ein paar Köpfe zu uns um, neugierig, jedoch ebenso misstrauisch. Loki führte mich zu einem Tisch am Ende des Saales. Dort saß die Königsfamilie, ich erkannte Thor und seine Mutter Frigga, Odin schien nicht anwesend zu sein. Wenigstens diese Unannehmlichkeit würde mir erspart bleiben. Loki setzte sich Thor gegenüber und deutete mir mich ebenfalls zu setzten, was ich auch zögernd und mit gesenktem Kopf tat. Ich war nicht schüchtern, keines Wegs, jedoch hatte ich Respekt, nicht vor Thor, sondern seiner Mutter, die erneut diese Aura der Liebe, Wärme und des Verständnisses, aber auch der Intelligenz und Autorität ausströmte.
Die Königsfamilie unterhielt sich leise, während ich neben Loki saß und unauffällig meinen Salat aß. Es war erst Frigga, die mich in das Gespräch mit einbezog. "Sag, Kind. Wie gefällt es dir bei uns? Ich hoffe doch alle behandeln dich gut?" Das Verhalten der Asin verwirrte mich zugegeben. Es schien als hätte ihr spontaner Besuch während Lokis Schlaf für sie nie statt gefunden, als würden wir uns hier zum ersten mal sehen und wirklich unterhalten. Sollte ich auch einfach vorgeben, dass nie etwas geschehen sei, wäre es dann einfacher? Etwas unsicher bezüglich der Antwort auf die Frage seiner Mutter sah ich zu Loki, dieser konnte mir allerdings auch nicht weiter helfen und so versuchte ich so vernünftig und freundlich zu antworten wie es nur ging "Nun, ich dachte ich würde diesen Planeten kennen, doch wie sich herausstellte, habe ich mich geirrt. Es ist schöner als man es sich je erträumen könnte." "Das ist schön zu hören. Ward ihr denn auch schon in der Stadt, außer für deinen kleinen Ausbruch natürlich?" Ich wusste wahrlich nicht was ich darauf antworten sollte, die Erwähnung dieses erst kürzlich geschehenen Ereignisses verunsicherte mich nur noch mehr. Die gesamte Existenz dieser Frau schien mich zu verunsichern, ihre Art riss meine Festung der Selbsicherheit einfach mit den simpelsten Worten in den Grundmauer nieder, und doch konnte ich keine bösartigen Absichten erkennen. Auch Loki schien mein wachsendes Unbehagen zu bemerken und ebenso ließ ihn die Aussage Friggas nicht unberührt, denn er verschluckte sich beinahe an seinem Essen. Er räusperte sich kurz, bevor er wieder ruhig meinte "Leider noch nicht. Doch ich werde ihr heute etwas die Gegend zeigen." und damit war dieses Thema glücklicherweise abgeschlossen.
Nachdem wir das Frühstück beendet hatten, verabschiedeten wir uns von Frigga und Thor und verließen den Speisesaal. Sobald sich die Türen hinter uns schlossen, atmete ich erleichtert auf. "Wohin gehen wir jetzt?" Neugierig und erfüllt von neuer Energie blickte ich zu Loki auf, doch dieser weigerte sich es mir zu verraten. "Ach komm schon, bitte!" fragte ich nun wohl schon das zehnte mal, doch Loki tat es nur mit einem nüchternen Gesichtsausdruck ab. "Du kannst so oft fragen wie du willst. Ich werde es dir trotzdem nicht sagen." Mir war zwar bewusst wie kindisch mein Verhalten war, dennoch konnte ich Unwissenheit noch nie ertragen. Ich ertrug den Gedanken nicht, im Dunkel gelassen zu werden, keine Kontrolle über die Geschehnisse zu haben, erstrecht nicht bei so einer wichtigen Angelegenheit wie dem Ziel unseren Weges. Doch letztenendes blieb mir wohl nicht viel anderes übrig, als dem Asenprinzen zu folgen und so schlenderten wir gemeinsam die riesigen Gänge entlang. Der Schwarzhaarige schien mich immer tiefer in den Palast zu führen und uns liefen immer wieder ein paar Wachen entgegen, welche uns oder zumindest mich misstrauisch beäugten. Ich hatte mir unter den Kriegern Asgards scheinbar einen Ruf gemacht den ich so schnell nicht mehr loswerden würde.
Nach einiger Zeit, in der ich beschlossen hatte Lokis Nerven für den Moment nicht weiter zu reizen, erreichten wir einen dunklen Gang. Trotz der hell strahlenden Wintersonne über den Wiesen und Hügeln Asgards, waren hier Fakeln nötig um die schwere Holztür zu beleuchten. Die Tür war groß und düster, ihre Seiten zierten Schnitzereien, welche an die Pforten des Thronsaals erinnerten und nun fragte ich mich wirklich wo wir uns befanden. Merkwürdiger Weise schien ich Loki weit genug zu vertrauen, als das ich nun misstrauisch oder gar panisch werden würde. Dennoch verspürte ich das Verlangen meiner Verwirrung kund zu tun "Wohin führt diese Tür?" Anstatt mir zu antworten, lächelte Loki jedoch nur leicht und schritt auf das Portal zu ehe er es mit Schwung öffnete.
Meine Augen wurden schlagartig größer als ich den gigantischen Raum betrat. Ich sah unmengen von Regalen gefüllt mit Büchern, Karten und Schriftrollen. Manche wirkten alt und abgenutzt, andere gerade erst hinzugefügt. Manche der Bücher waren sorgfältig eingebunden, andere nur bedürftig zusammen geheftet. Der Geruch alten Papiers lag in der Luft und doch war es nicht stickig. Ich ging etwas tiefer in den Raum, vorbei an einigen der deckenhohen Regale. Loki schien mich die ganze Zeit genauestens zu beobachten und schien zufrieden mit dem Ergebnis meiner Reaktion. Langsam holte er zu mir auf und lief neben mir her die Regale ab. "Ich komme schon seit meiner Kindheit hier her um zu lesen und zu lernen. Oder einfach nur um meine Ruhe zu haben, Thor würde diesen Ort nicht einmal betreten, wenn es um Leben und Tod ginge." Ich kicherte und ließ meine Finger sanft über die Bücherrücken streifen. Hier verbrachte Loki also einen Großteil seiner Zeit, diese Bücher hatten ihn bereits sein ganzes Leben begleitet und ihn gewissermaßen zu dem Mann verholfen der er heute war. Wie sehr ich wünschte auch eines dieser Bücher lesen zu können. Ich schien meine Gedanken unbewusst laut ausgesprochen zu haben, denn Loki wandt sich mir nur mit einem sanften Lächeln zu. "Du kannst dir gerne ein paar aussuchen. Solange sie diese Räumlichkeiten nicht verlassen, darf sich jeder ihrer bedienen." "Ich fürchte so einfach ist das leider nicht. Um eines dieser Bücher zu lesen, müsste ich es schließlich lesen..." Unbehaglich sah ich zu Boden. Ich wusste was Bücher waren, manchmal hatte ich als Kind am Marktplatz den Geschichtenerzählungen aus alten Märchenbüchern gelauscht, welche die alten Frauen immer für die Kinder veranstallteten. Dort hatte ich gerne hinter einer Ecke gelauert und den Geschichten aus den Büchern gelauscht. Leider hatte ich nie das Vergnügen gehabt, das Lesen selbst zu erlernen. Als auch Loki dies zu Begreifen begann, wurde sein Lächeln eine Spur entschlossener, es erninnerte mich an das Lächeln seiner Mutter, und er griff nach einem der alten Bücher aus einem unteren Regal. Verwirrt sah ich ihm dabei zu, ehe er mich zu einem Tisch vor einem der vielen Fenster führte und sich setzte. Ich tat es ihm gleich, immernoch etwas unsicher, was ich nun tun sollte. Loki schlug das dünne Buch auf und auf der ersten Seite erblickte ich ein einzelnes großes Zeichen "Dann werde ich dir jetzt das Lesen beibringen."
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Unique! (Loki FF)
FanfictionGut und Böse, Schwarz und Weiß, Stark und Schwach. Gibt es so etwas wirklich? Liegt es nicht viel mehr im Auge des Betrachters? Nicht ist wie es scheint, hinter dem gläzenden Saphir kann sich eine tosende See, hinter dem teuflischen Grinsen eine ein...