Prolog:

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Am Morgen des 13. Aprils:

Ich zog mir die Decke mit schweißnassen Händen bis zu meinem Kinn und beobachtete meinen Bruder dabei, wie er eine Tasse, die zum Rand mit heißem Kräutertee gefüllt war, durch mein Zimmer balancierte. Eine hellblonde Locke fiel ihm ins Gesicht und er versuchte sie erfolglos wegzupusten. Kichernd folgten meine blauen Augen seiner schlanken Figur bis er neben mir stehen blieb und vorsichtig die Tasse auf meinem Nachttisch abstellte.

Er strich sich mit seinen Fingern die Locke aus der Stirn und schaute mich durch seine großen braunen Augen an. Langsam kniete er sich auf den Boden und legte seine kühle Hand auf meine Stirn. Seufzend drückte ich meine Stirn gegen seine Handfläche und schloss wohlig meine Augen.

»Du musst zum Arzt, Laska. Das Fieber steigt immer mehr.« Gequält öffnete ich meine Augen und blinzelte ihn an. Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen und die Sorge in seinen dunkelbraunen Augen ließ mich aufstöhnen.

»Ich bin aber zu müde und mir ist kalt.« Ächzend stand er auf und griff nach meiner Hand, die unter der Bettdecke lag. »Ich weiß.« Langsam zeichnete er Kreise auf meine Handfläche und grübelte mit seinen Augen starr auf meine Bettdecke gerichtet.

Er lehnte sich zu mir herunter und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, danach zupfte er noch einmal an meiner Bettdecke und lächelte mich wieder an. »Ich muss zur Schule, aber danach bringe ich dich ins Krankenhaus. Mom und Dad haben momentan in der Kanzlei so viel zu tun, da brauchen sie sich nicht auch noch um dich kümmern.«

Ich schüttelte heftig den Kopf und sofort stiegen mir Tränen in meine bereits glasigen Augen. »Nein, ich möchte nicht ins Krankenhaus, Las. Was ist, wenn ich über Nacht dort bleiben muss? Ich möchte nicht, dass wir-« Sofort strich er mir beschwichtigend über die Wange.

»Shhh... Du wirst sicher nicht über Nacht bleiben müssen und wenn, dann bleibe ich die ganze Nacht bei dir. Du weißt doch, uns kann nichts und niemand trennen.«

Er tippte mir sanft unter das Kinn und drückte einen Kuss auf meine Hand. »Mach die Augen zu und schlaf. Wenn du wieder aufwachst, bin ich wieder zurück.«

Bevor ich meine Augen schloss, schaute ich ihn mir noch einmal an. Er trug eine Jeans, die ihm locker auf der Hüfte saß. Unter seinem beigen Wollpullover schaute ein weißes Shirt heraus, welches ich ihm am Liebsten in die Hose gesteckt hätte. Und in seinen blöden Tennissocken war ein Loch. Lächelnd fielen mir die Augen zu und bevor er meine Zimmertür schloss, hörte ich ihn »Ich hab dich lieb, Alaska.« flüstern, doch ich war bereits vom Schlaf umhüllt und antwortete nur mit einem Grummeln.

Am Abend des 13. April:

Ich bemerkte, wie meine Mutter seit einer Ewigkeit ständig nervös mein Zimmer betrat und wieder verließ. Sie öffnete jedesmal die Tür, machte einen Schritt hinein und ging danach wieder hinaus. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich es mitbekam und schlummerte einfach weiter vor mich hin, während ich auf Atlas wartete.

Ich hatte keine Kraft, um nach meinem Handy zu greifen und nach der Uhrzeit oder einer Nachricht meines Bruders zu gucken.

Ein wenig später riss mich das Klingeln an der Haustür aus meinem unruhigen Schlaf. Es polterte kurz, danach war es still, bis wenige Minuten später ein gequälter langer Schrei die Stille rasiermesserscharf durchschnitt.

Ich wirbelte meine Bettdecken zur Seite und sprang auf. Sofort wurde mir schwarz vor Augen und auch meine Beine drohten unter mir nachzugeben, doch ich schleppte mich weiter bis zu meiner Zimmertür, über den Flur, die Treppe hinunter.

Ich verstand nicht, was ich dort vor der geöffneten Eingangstür sah. Meine Mutter saß weinend auf dem Boden, eine Polizistin kniete neben ihr und tätschelte ihren Arm. Und dann hörte ich, wie meine Mom »Mein Baby... mein Baby ist tot.« flüsterte.

In diesem Moment kippte meine Welt, ich hörte Atlas die Worte »Uns kann nichts und niemand trennen.« flüstern und plötzlich wurde alles schwarz.

FelicityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt