Kapitel 5:

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Früh am Morgen, ich weiß nicht genau wann, aber die Sonne ist gerade erst aufgegangen, wache ich auf und sehe mich verwirrt in dem Raum um. Mein Kopf dröhnt und es fühlt sich an als wäre ein Lastwagen darüber gefahren.

Stöhnend setze ich mich auf. Das Wohnzimmer ist riesig, doch die Möblierung einfach. Auf dem Boden liegen Plastikbecher, Essensreste und die verschiedensten anderen Dinge. Wer auch immer hier später sauber machen wird, wird sicher viel Spaß haben... Nicht.

Ein kühler Windzug streift mir über den Nacken und sofort bekomme ich eine Gänsehaut. Als ich mich umdrehe, fällt mir das geöffnete Fenster auf. Wenn es die ganze Nacht geöffnet war, werde ich sicher in den nächsten Tagen mit einer Erkältung im Bett liegen.

Seufzend stehe ich auf. Mein ganzer Körper tut mir weh als wäre ich gestern einen Marathon gelaufen. Und auch der Geschmack in meinem Mund ist absolut widerlich. Ich gehe in die Küche und hole mir eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, um meinen Durst zu löschen und hoffentlich diesen grausamen Geschmack loszuwerden.

Bis jetzt habe ich versucht die Tatsache, dass ich mich in einem fremden Haus, gefüllt voller Kerle, befinde, zu verdrängen, doch als ich vor dem beinahe leeren Kühlschrank stehe, wird es mir schlagartig bewusst.

Panisch hole ich meine Schuhe aus dem Wohnzimmer und schlüpfe in sie hinein, nur um danach in den Flur zu schleichen und endlich zu verschwinden.

Ich habe zwar keinen blassen Schimmer, wie ich wieder zum Wohnheim zurück finden soll, geschweige denn, wo eine Haltestelle ist oder mit welchem Bus ich fahren muss. Ich möchte meine Jackentasche abtasten, um zu sehen, ob meine kleine Geldbörse noch da ist, doch ich habe nicht einmal eine Jackentasche.

Stöhnend schaue ich an mir herunter und mir fällt wieder ein, dass ich gar nicht meine Sachen trage. Panisch eile ich ins Wohnzimmer und finde dort glücklicherweise meine Geldbörse und den Schlüssel für mein Zimmer auf dem Couchtisch, doch meine restlichen Sachen sind nirgends aufzufinden. Ronnie wird mich umbringen, wenn sie erfährt, dass sie ihr Oberteil nie wieder bekommen wird.

Ich starte einen neuen Versuch endlich das Haus zu verlassen, auch wenn ich nicht sonderlich gerne in einer Pyjamahose auf der Straße herumlaufen möchte, doch ich habe wohl keine andere Wahl.

Diesmal habe ich schon die Tür geöffnet, als hinter mir sich jemand räuspert. Erschrocken fahre ich herum und erblicke den Kerl von gestern Abend mit seinen blassblauen Augen. Er trägt nichts weiter als einer Jogginghose und seine kastanienbraunen Haare stehen in jede Richtung ab.

»Darf ich fragen, was das wird?« Er verschränkt seine Arme vor seiner muskulösen Brust. Schnell schaue ich zu der Garderobe neben ihm, um nicht zu starren.
»Wonach sieht es denn aus? Ich gehe nach Hause.« Meine Stimme ist rau und kratzig, doch ich versuche sie so selbstsicher wie möglich klingen zu lassen.

»Wow... du bist ganz schön frech dafür, dass du uns den Garten vollgekotzt hast und die Nacht in unserem Haus verbracht hast.« Er schaut mich böse an, doch seine Lippen zucken verdächtig und er muss sich ein Lachen verkneifen. Nichtsdestotrotz spüre ich wie Hitze in meine Wangen steigt.

»Ähm ja... Das tut mir schrecklich leid.« Als er seine Augen verdreht, seufze ich und jammere: »Wirklich!« Er mustert mich nachdenklich und dann dreht er sich einfach um. Verwirrt schaue ich ihm hinterher.

»Du hast Recht, du solltest lieber gehen. Cal wird sicher nicht erfreut sein, wenn du noch hier bist, wenn er aufwacht. Am Ende der Straße ist eine Haltestelle.« Kurz bevor er in der Küche verschwindet, dreht er sich noch einmal um und hält sich zwei Finger an die Schläfe und salutiert zur Verabschiedung.

Ich schüttle nur den Kopf und trete dann in die kühle Morgenluft hinaus. Der Rasen sieht kein Stück besser aus als das Wohnzimmer. Nur diesmal gönne ich es denjenigen, die den Müll beseitigen müssen.

Der Typ hatte Recht, am Ende der Straße war eine Haltestelle und zufällig war auch der erste Bus, der Bus, der in meiner Straße hielt.

Als ich im Wohnheim ankomme, schleiche ich leise durch die Flure, um niemanden zu wecken. Mit einem leisen Klicken öffne ich meine Zimmertür und betrete den abgedunkelten Raum. In Ronnies Bett kann ich ihre und Tonis Silhouetten erkennen und ich werde etwas wütend darüber, dass sie mich allein zurückgelassen haben und hier gemütlich in unserem Zimmer schlummern.

Möglichst leise öffne ich meine Schranktür und angle mir einen Jogginganzug heraus. Danach verlasse ich mit meiner Waschtasche unter dem Arm das Zimmer und lass absichtlich die Tür laut hinter mir ins Schloss fallen. Mir egal, ob alle davon wach werden.

Die Duschräume sind leer und der Boden ist noch nass. Wahrscheinlich wurde hier gerade geputzt. Ich hänge meine Sachen an den Hacken an der Wand und stelle das Wasser an. Diesmal habe ich etwas länger warmes Wasser, da niemand anderes duscht. Ich wiederhole meine Routine von gestern. Beim Zähneputzen blicke ich in meine glasigen Augen. Ich sehe echt fertig aus und ich habe über der Lippe einen ungeheuren großen Pickel.

Ich verlasse die Duschräume mit nassen Haaren und einem Pickel Patch über meiner Lippe. Als ich in mein Zimmer komme, zieht Toni sich gerade an und Ronnie liegt noch immer in ihrem Bett und gähnt herzhaft.

Ich schenke den beiden keine Beachtung, packe meine Waschtasche zurück und verstaue heimlich den Pullover und die Pyjamahose in meinem Kleiderschrank. Wenn ich irgendwann alleine bin, werde ich die Sachen irgendwo auf dem Campus entsorgen.

Danach setzte ich mich an meinen Schreibtisch und klappe meinen Laptop auf, um mir Informationen zu meinen Kursen morgen rauszusuchen. Ronnie räuspert sich und sagt dann: »Du, Alaska, können wir vielleicht kurz reden?«

Ich drehe mich auf meinem Stuhl um und stütze abwartend meine Arme auf der Lehne ab. Mein Blick wandert ungeduldig zwischen Toni und Ronnie umher. Toni dagegen blickt zwischen mir und Ronnie umher, atmet dann mit einem leisen Zischen aus und steuert die Zimmertür an. »Ich sollte lieber gehen. Wir sehen uns später, Babe.« Und schon schlüpft sie aus der Tür und peinliche Stille erfüllt den Raum.

»Was gibt es?«, frage ich und meiner Stimme ist anzuhören, dass ich genervt bin. Ronnie rutscht unwohl auf ihrem Bett umher. »Hör zu, es tut mir leid.« Sie streicht sich einmal durch die Haare und schaut mich abwartend an. Ich kneife mir mit geschlossenen Augen in die Nasenwurzel und atme einmal tief ein.

»Was genau tut dir leid, Ronnie? Dass du nicht einmal fünf Minuten bei mir bleiben konntest? Dass du danach nirgends aufzufinden warst? Dass du nicht einmal nach mir gesucht hast, denn hättest du das getan, hättest du mich sofort gefunden! Oder ist es doch eher die Tatsache, dass ihr mich alleine gelassen habt, auf einer Party, in einer Stadt, in der ich noch nie länger als wenige Stunden verbracht habe und ich keine Ahnung hatte, wie ich nach Hause kommen sollte, wofür du dich entschuldigst? Verdammt, du hast mir versprochen, dass du den Abend bei mir bleibst!«

Mein Gesicht ist vor Wut rot und Ronnie sind die Schuldgefühle anzusehen. Sie ist etwas Blass um die Nase und tiefe Augenringe verunstalten ihr noch immer schönes Gesicht. Dann ließ sie sich auf den Bauch fallen und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kopfkissen. »Ich weiß... Oh Gott! Ich weiß, ich bin eine so schlechte Mitbewohnerin. Es tut mir alles so leid. Wirklich! Von ganzem Herzen.« Ich höre ihre Worte schlecht, da sie sie in das Kissen nuschelt, doch als sie aufschaut, erkenne ich wahre Reue in ihren Augen.

Ich könnte mich dafür schlagen, dass ich schon wieder einknicke, doch als sie aufsteht und mich in die Arme nimmt, habe ich ihr schon wieder so gut wie verziehen. »Geht es dir wenigstens gut?« Ich nicke und atme ihren zarten Duft nach Vanille ein. »Wo hast du die Nacht-« Ich drücke sie von mir weg und schaue sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Frag nicht!« Sie lacht herzhaft und geht zurück zu ihrem Bett. Bevor sie sich setzt, dreht sie sich freudestrahlend zu mir um.

»Ich hoffe für dich, dass du eine genauso ungesunde Kaffeesucht hast wie ich. Denn wir beide werden jetzt einen Kaffee trinken gehen und ich hoffe, dass du danach nicht mehr sauer auf mich sein wirst.«

Ich erkläre mich einverstanden, sie muss ja nicht wissen, dass ich ihr bereits verziehen habe.

FelicityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt