Felicity

Kapitel 3:

Wir sind ein paar Minuten nach halb 10 vor dem Eingang des Wohnheims, weil ich etwas gebraucht habe, um in meinem Aufzug das Zimmer zu verlassen. Meine Arme fühlen sich zu nackt an, weshalb ich mir trotz Ronnies Protest eine schwarze Strickjacke übergeworfen habe.

An der Straße parkt ein alter VW Golf, aus dem laute Rockmusik dröhnt. Ronnie stolziert in ihren hohen Stiefeln fröhlich auf das Auto zu. Schnell öffnet sie die Hintertür und bedeutet mir mit einer Handbewegung mich auf die Rückbank zu quetschen. Danach knallt sie die Tür zu und setzt sich auf den Beifahrersitz. Hinter dem Lenkrad sitzt eine Wasserstoffblondine und beobachtet Ronnie mit ihren großen braunen Augen und einem Lächeln, welches ihre strahlend weißen Zähne entblößt.

Nachdem Ronnie sich angeschnallt hat, lehnt sie sich zu ihr hinüber und verpasst ihr einen leidenschaftlichen Kuss. Schnell schaue ich auf meine Hände. Ohhh, Toni ist ihre Freundin.

Mit einem Seufzen löst sich Ronnie von der Blondine und wendet sich leicht mir zu. »Alaska, das ist Toni. Sie ist-« Toni lässt sie gar nicht aussprechen, da startet sie schon den Motor und zwinkert mir durch den Rückspiegel zu. »Ich mag dein Outfit. Es sieht süß aus.« Tonis Stimme ist sanft und liebevoll, doch in der Schärfe ihres Blickes erkenne ich, dass man sich davon nicht täuschen lassen sollte.

»Danke, eigentlich ist es Ronnies Oberteil.« Nervös fummle ich an dem Saum meiner Strickjacke herum. Ihr Blick huscht wieder durch den Rückspiegel zu mir. »Ich weiß.«, sagt sie mit einem Funkeln in den Augen und schaltet einen Gang hoch, sodass der Motor des alten Autos laut hustet. Ronnie greift in eine Schachtel mit Kaugummis und steckt sich gleich drei in den Mund. Als sie mich fragt, lehne ich ab, da ich bereits im Zimmer eine Minzpastille eingeworfen habe.

Während Ronnie eine Avril Lavigne CD einwirft, erzählt Toni von der Party letzten Jahres. Ich höre ihr gar nicht zu, sondern betrachte die Gebäude des Campus, die in das blasse Laternenlicht gehüllt sind. Obwohl es bereits spät ist, sind noch viele Leute unterwegs.

Nach einer ungefähr acht Minuten langen Fahrt parkt Toni in einer Nebenstraße. »Wir müssen noch ein Stück gehen, aber in der Straße des Verbindungshauses wird es keinen einzigen freien Parkplatz mehr geben.« Als wir aussteigen, betrachte ich sie noch einmal ausgiebig. Sie ist klein, sogar kleiner als ich und ihre wasserstoffblonden Haare reichen ihr bis zu der Hüfte. Um ihre Brust trägt sie nur ein Tuch gewickelt und ihre Beine stecken in einer sehr lockeren Hose.

Als sie meinen Blick bemerkt legt sie Ronnie einen Arm um die Taille, welche drauf ihren Arm um Tonis Schulter legt. Gemeinsam gehen die beiden vor, während ich wie das fünfte Rad am Wagen hinter ihnen her eile.

Wir biegen um die Straßenecke und sofort hört man den lauten Bass, der vom anderen Ende der Straße kommt. Der Rest der Straße ruht friedlich und ruhig im Dunklen, während das Verbindungshaus in den verschiedensten Farben aufleuchtet. Und umso näher wir kommen, desto greller werden die Farben.

Uns kommen bereits mehrere hundert Meter entfernt betrunkene Leute entgegen, die torkeln oder sich an Zäunen entlang tasten. Ronnie und Toni machen um sie einen großen Bogen, während ich am liebsten meine Hilfe angeboten hätte.

Das Verbindungshaus ist modern und groß. Auf dem Rasen vor dem Eingangsbereich liegt ein Haufen Plastikmüll, Paare liegen auf dem Boden und knutschen herum und andere wiederum wollen einfach nur kurz ihre Ruhe haben.

Toni zieht Ronnie zum Eingang und um am Ende nicht allein dazustehen, hefte ich mich an sie. Im Inneren riecht es nach ausgeatmeter Luft, Schweiß und etwas Bitterem. Wir können den Flur nicht einmal richtig betreten, da selbst dieser gefüllt mit Leuten ist. Die Musik ist unerträglich und ich höre kein einziges Wort von denen, die Ronnie mir zuruft.