Kapitel 4:

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Entsetzt schaue ich auf den Bildschirm.

Was soll ich jetzt tun? Kann ich überhaupt noch normal reden? Wie spät ist es? Was ist, wenn sie Geräusche aus dem Hintergrund wahrnimmt? Was wird sie tun, wenn ich nicht rangehe? Wie wird sie reagieren, wenn sie erfährt, dass ich auf einer Party mit mehr als 20 Personen bin und ich auch noch Alkohol getrunken habe?

Ich habe dir doch gesagt, dass du auf keine Partys gehen sollst. Ich bin so enttäuscht von dir, Alaska. Sind dort mehr als 20 Leute? Wie viele Leute sind dort ungefähr? Versuch möglichst genau zu schätzen!  Jugendliche sind so unberechenbar. Sie kennen die Konsequenzen nicht. Denk doch nur an deinen Bruder.

Schreiend werfe ich mein Handy weg. Ich möchte ihre Stimme nicht mehr in meinem Kopf hören. Plötzlich sehe ich Atlas' Gesicht vor meinen Augen. Ich sehe die blasse Haut, das Blut unter seiner Pergamenthaut, welches wie gefroren scheint, die dunklen tiefen Ringe unter seinen Augen und die sonst so vollen Locken, die strähnig herunterhängen.

Plötzlich kommt mir alles hoch und ich erbreche auf den Boden vor mir. Schweiß läuft mir über die Stirn und den Rücken und ich kann nicht mehr aufhören zu würgen. Tränen laufen mir über die Wangen und ich spüre wie allmähliche alle Kraft aus meinem Körper weicht.

»Hallo, hier spricht Callum Arrington.« Ich blicke zu der tiefen Stimme auf, die sich wenige Meter von mir entfernt befindet. Vor mir hockt jemand auf dem Boden und hält sich mein Handy an das Ohr. Panisch versuche ich aufzustehen, doch meine Beine drohen unter mir nachzugeben. Sofort springt der Fremde auf und will mich stützen, doch ich stoße ihn von mir und verlange mit einer Handbewegung mein Handy zurück. Er starrt nur auf meine geöffnete Hand und lauscht konzentriert den Worten meiner Mutter.

»Nein, das ist ein Missverständnis, Ma'am. Ich habe dieses Handy an einem Stand gefunden, an dem die Schülerausweise gemacht werden.«

Mit großen Augen schaue ich zu ihm auf. Das helle Licht des Mondes beleuchtet sein gesamtes Gesicht und lässt seine Haut weiß schimmern. Seine grünen Augen glitzern wie Smaragde und ruhen, seitdem ich meine Hände in meinem Schoß verschränkt habe, auf meinem Gesicht. Er scheint die Ruhe in Person zu sein. Irgendwie kommt er mir bekannt vor, doch ich weiß nicht, woher. Und für die geniale Lüge würde ich ihm am Liebsten um den Hals fallen.

»Ja, Ma'am. Das Fundbüro hatte bereits geschlossen als ich das Handy gefunden habe. Deswegen habe ich es einfach mitgenommen, um es morgen abzugeben.«

Er schweigt einen Moment und dann erwidert er mit einem zarten Lächeln auf den Lippen: »Natürlich. Sie können mir einfach den Namen Ihrer Tochter geben und dann hinterlasse ich das Handy mit ihm.«

Als ihm das Erbrochene auf dem Boden wieder einfällt, geht er mit angeekeltem Gesichtsausdruck ein paar Schritte zurück. Dafür könnte ich ihm eine scheuern und das Bedürfnis ihm um den Hals zu fallen ist so schnell verschwunden wie es gekommen ist.

»Ja, ich habe einen Stift und Zettel bereit.« Hast du nicht. Ich verdrehe meine Augen und hoffe, dass meine Mutter endlich auflegt.

»Alaska Winter also. Ich werde es morgen abgeben, versprochen.«

Meine Mutter sagt etwas, worauf seine Augen groß werden und er mir einen unruhigen Blick zuwirft.

»Sie haben was?!« Kurzes Schweigen. Darauf erwidert er nur: »Natürlich, Ma'am. Gute Nacht.« Dann legt er auf und wirft mir das Handy zu. Natürlich fange ich es nicht und mit einem lauten Knacken landet es auf der Sessellehne. Entsetzt schaue ich ihn an und schreie: »Alter, spinnst du? Ich hoffe für dich, dass es nicht kaputt ist!«

FelicityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt