Sieben

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Doch es dauert nicht lange und er kommt mit einer Dose Katzenfutter in der Hand wieder aus dem Laden heraus. Was will er denn damit?

Changbin PoV:

Verwirrt folge ich dem Jüngeren weiter, bis wir uns allmählich dem Stadtrand nähern. Schämt er sich dafür, dass er in dieser Gegend lebt und hat deswegen die falsche Adresse angegeben? Die meisten an unserer Schule sind verhältnismäßig wohlhabend und dieser Stadtteil ist für seine Kriminalitätsrate ziemlich bekannt. Aber wieso sollte ein Austauschschüler hier leben? Und selbst wenn, dem Sekretariat ist sowas doch vollkommen egal.

Mit einem Mal kommt er vor einer Bauruine erneut zum stehen und öffnet die Dose Katzenfutter, bevor er sich mit dieser auf den Boden hockt. Jetzt verstehe ich. Er ist hier, um Streuner zu füttern. Das ist irgendwie süß. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Junge auch sowas wie Mitgefühl empfinden kann. Vielleicht habe ich ihn doch ein wenig zu früh verurteilt. In Zukunft werde ich mir ein besseres Bild von ihm machen.

Nach einer Weile des Wartens kommt schließlich ein kleines zerzaustes Kitten angetapst, weshalb sich ein leichtes Schmunzeln auf meine Lippen schleicht. Oh wie süß. Felix kann ja lächeln. Aber dieses kleine Katzenbündel ist auch wirklich niedlich. Da scheint Felix zumindest hier einen Freund gefunden zu haben. Nur schade, dass es ein Streuner ist und es sieht nicht sonderlich gesund aus.

Als das Kätzchen schließlich anfängt zu fressen, erhebt Felix sich wieder vom Boden und betritt zu meiner Überraschung die Bauruine. Was will er denn da? Ich dachte er ist hier, um die kleine Katze zu füttern. Skeptisch nähere ich mich dem Gebäude und versuche einen Blick durch die nicht vorhandenen Fenster zu werfen, doch viel kann ich dadurch nicht erkennen. Aus Angst entdeckt zu werden, bleibe ich für einen Moment im Eingang stehen, bevor ich Felix dann doch allmählich in die Ruine folge. Er lebt doch nicht hier oder?

Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen und werfe anschließend einen Blick um die Ecke. Doch was ich da zu sehen bekomme verschlägt mir für einen Moment den Atem. Er scheint wirklich hier zu leben. Dort liegt eine dünne Matte und ein Schlafsack, so wie ein kleiner Campingkocher und ein paar weitere Gegenstände. Aber wieso? Aus welchem Grund lebt ein Austauschschüler unter diesen Umständen? Ist er abgehauen? Moment mal. Meine Mutter hat mir doch neulich von diesem Jungen erzählt, der abgehauen ist. Könnte es sein?

Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, aber vielleicht finde ich im Internet ein Foto von ihm. Dann wird sich zeigen, ob ich mit meinem Verdacht richtig liege. Jedenfalls sollte ich erst einmal von hier verschwinden, bevor er mich noch bemerkt. So leise es geht drehe ich mich auf der Stelle um und verlasse schon fast fluchtartig das Gebäude, bevor ich bei dem kleinen Kätzchen wieder zum stehen komme. Ich kann dieses arme Ding doch nicht hier lassen. Es hat hier so gut wie keine Überlebenschance und Felix hat sicher besseres zutun, als es durchzufüttern. Wenn ich an letztens denke, sah er selber ziemlich ausgehungert aus.

Ohne weiter zu zögern hebe ich das kleine Wesen behutsam hoch und verstecke es halb unter meiner Jacke, bevor ich mich schließlich aus dem Staub mache. Am besten ich rufe gleich Minho an und frage ihn, ob er es bei sich aufnehmen will. Er ist total vernarrt in seine zwei Katzen, da fällt eine dritte doch kaum auf. Sie sieht sogar fast genauso aus, wie die beiden. Nur ein bisschen dunkler. Er kann überhaupt nicht nein sagen. Sonst müsste ich die Katze wieder aussetzen oder ins Tierheim bringen, weil meine Familie strengstens gegen Haustiere ist. Und das will er sicher nicht.

Zuhause angekommen schmuggle ich die Katze schnell in mein Zimmer und schließe die Tür hinter mir ab. Wo verstecke ich dich am besten? Solange niemand in mein Zimmer kommt, sollte sie hier eigentlich gut aufgehoben sein. Es ist ja hoffentlich für keine lange Zeit. Minho hat mir leider noch nicht auf meine Nachricht geantwortet, die ich ihm eben auf dem Rückweg geschickt habe.

„Changbin bist du da? Warum hast du die Tür abgeschlossen?" Mit einem Mal zucke ich erschrocken zusammen, als ich auf einmal die Stimme meiner Mutter an der Tür höre. „Ich ziehe mich gerade um." „Es ist schon ziemlich spät. Kommt Perikseu heute nicht?" Verdammt, da war ja noch was. So viel zu dem Thema, dass ich ihn loswerden möchte. „Er hat sich heute in der Schule nicht gut gefühlt und ist nachhause gegangen. Ich glaube nicht, dass er heute noch kommt."

„Falls er doch kommen sollte, das Geld für ihn liegt auf dem Küchentisch. Ich gehe mit deinem Vater etwas essen. Es könnte spät werden." Sie haben seit langem mal wieder ein Date? Das überrascht mich jetzt aber. Normalerweise sind sie höchstens hin und wieder auf Geschäftsessen. „Ist in Ordnung. Genießt euren Abend." „Ich hab dich lieb Changbin." Und mit diesen Worten verabschiedet sie sich von mir, wobei ich das Kätzchen in meinen Arm lächelnd ansehe.

„Keiner hat es verdient auf der Straße zu leben. Nur schade, dass Felix im Gegensatz zu dir ein ziemlich garstiger Streuner ist."

***
Ob das mit dem Kätzchen gut gehen wird?

Scars // Changlix Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt