Sechs

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Ich muss jeden von mir fern halten, der mir irgendwie zu nahe kommt und dann die Wahrheit über mich herausfinden könnte.

Changbin PoV:

„Kannst du Felix gleich bitte diese Unterlagen geben. Sie müssen von der Familie unterschrieben werden, bei der er für den Austausch untergekommen ist. Leider können wir telefonisch niemandem dort erreichen und die Briefe kommen jedes Mal zurück, weil die Adresse nicht gefunden werden kann. Klärst du das bitte mit ihm?" Sichtlich gestresst hält mir die Sekretärin die Unterlagen entgegen, wo hingegen ich sie etwas verwundert ansehe. Seine Adresse ist falsch? So langsam bekomme ich das Gefühl, dass etwas mit ihm nicht stimmt.

„Machen sie sich keine Sorgen. Ich werde mich darum kümmern." Mit einem Lächeln nehme ich die Zettel entgegen und verlasse kurz darauf das Sekretariat. Wo könnte er jetzt gerade sein? Der Unterricht beginnt bald, also ist er vermutlich am Klassenzimmer. So schnell es im Gebäude erlaubt ist, laufe ich den Gang hinunter und mache mich auf dem Weg zu unserer Klasse. Ich bin mal gespannt, ob er eine Erklärung dafür hat.

„Felix kann ich kurz mit dir reden?" Am Raum angekommen, ziehe ich ihn, ohne auf die anderen zu achten, mit mir mit. „Hey lass mich los!" Mit einem vor schmerzen leicht verzogenen Gesicht, versucht der Jüngere sich aus meinem Griff zu befreien, weshalb ich ihn auf der Stelle loslasse. Mist. Die blauen Flecken. Das hatte ich ja ganz vergessen. „Sorry, aber ich will kurz unter vier Augen mit dir sprechen."

„Ich will aber nicht. Reicht es nicht, dass ich mich nach der Schule mit dir abgeben muss?" Nicht gerade unauffällig verdreht er genervt die Augen, weshalb ich einmal tief durchatmen muss. „Ich habe keine Ahnung, welches Problem du mit mir hast oder was ich dir getan habe. Aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich nicht immer so runtermachen würdest. Wieso ist es so schwer eine normale Unterhaltung mit dir zu führen?"

„Vielleicht weil ich nicht mit dir reden will." erwidert er gereizt und verschränkt dabei die Arme vor seiner Brust. „Tut mir ja leid, aber ich kann nichts dafür, dass du scheinbar die falsche Adresse im Sekretariat angegeben hast und ich mich darum kümmern soll. Und ich Idiot mache mir auch noch Sorgen um dich." Sein Verhalten kann mich mal. Kurzerhand schmeiße ich ihm die Zettel entgegen und krame mein Portemonnaie heraus, bevor ich ihm einen Schein in den Ausschnitt stecke. „Damit du dich heute nicht mehr mit mir angeben musst."

Wenn er nicht mit mir reden will, meinetwegen. Er wird schon noch sehen, was er davon hat. Meine Mutter wird sicher nicht begeistert davon sein, wenn er heute nicht kommt. Soll sie mir doch einen neuen Nachhilfelehrer besorgen. Sie ist ja auch diejenige, die ständig was an meinen Noten auszusetzen hat. Und mit Felix wäre das sowieso nicht lange gut gegangen. Je früher ich das beende, desto besser.

„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?" Verwundert legt Chan einen Arm um meine Schultern und grinst mich dabei neugierig von der Seite an, weshalb ich ihm bestimmend von mir wegdrücke. „Komm lass es. Mir ist gerade nicht danach." Am liebsten würde ich gerade irgendwas kaputtschlagen, so wütend bin ich. Wie konnte ich nur so blöd sein? Meine Mutter hat wohl recht. Ich bin viel zu gutgläubig.

„Was ist denn los? Ist es wegen dem Neuen? Du verstehst dich doch sonst auch mit jedem." Mit sicheren Abstand bleibt Chan vor meinem Tisch stehen, während ich mich genervt auf meinen Platz niederlasse. „Ich möchte nicht darüber reden. Ist auch nicht böse gemeint, aber kannst du mich bitte in Ruhe lassen? Ich brauche etwas Zeit, um runterzukommen." Frustriert gebe ich ein leises seufzen von mir und lasse meinen Blick derweil aus dem Fenster hinaus wandern.

Was macht Felix da? Wieso verlässt er das Schulgelände? Der Unterricht fängt doch gleich an. Ich schätze ihn nicht wie jemanden ein, der einfach so die Schule schwänzt. Habe ich vielleicht etwas falsches gesagt, dass ihn verletzt hat? Und wenn schon. Er ist selber schuld daran. Ich habe ihm nichts getan und er behandelt mich wie sonst was. Soll er ruhig merken wie sich das anfühlt.

Allerdings wäre das jetzt die perfekte Möglichkeit ihm zu folgen und mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Aber eigentlich interessiert er mich gar nicht mehr. „Chan kannst du dem Lehrer bitte sagen, dass es mir nicht gut geht und ich nachhause gegangen bin." Noch bevor Chan die Chance hat mir etwas entgegen zu bringen, laufe ich schnell aus dem Klassenzimmer hinaus und folge Felix auf den Schulhof, bevor ich ihn noch aus den Augen verliere. Kaum zu glauben, dass ich das jetzt wirklich mache. Wehe es lohnt sich nicht.

Mit einem sicheren Abstand folge ich Felix durch die Straßen und achte gut darauf, dass er mich nicht bemerkt. Nach etwa zehn Minuten kommt er vor einem Supermarkt zum stehen und kramt eine Maske aus seiner Jackentasche hervor, bevor er den Laden betritt. Er schwänzt also die Schule, um einkaufen zu gehen? Wie unlogisch ist das denn? Ein Schüler mit so guten Noten, würde so etwas normalerweise nicht tun.

Doch es dauert nicht lange und er kommt mit einer Dose Katzenfutter in der Hand wieder aus dem Laden heraus. Was will er denn damit?

***
Ob Felix Changbin wohl noch bemerkt?

Scars // Changlix Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt