Vierzig

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„Danke." Mit einem dankenden Lächeln lasse ich mich schließlich zusammen mit Felix an meiner Seite auf das Sofa nieder und sehe entschlossen zu meiner Mutter hinüber. Komme was wolle, ich werde Felix nicht aufgeben.

Felix PoV:

„Ich höre." Sichtlich erwartungsvoll lässt Changbin's Mutter ihren Blick von ihrem Sohn zu mir wandern, weshalb ich leicht schlucken muss. Es ist so weit. Jetzt führt kein Weg mehr drumherum. „Ich glaube als erstes sollte ich mich mit meinem vollständigen Namen vorstellen... Ich bin Lee Felix Yongbok. Ich wurde in Australien geboren und bin nach dem tödlichen Autounfall meiner Eltern hierher nach Korea zu meiner Tante gekommen. Sie konnte jedoch nicht für mich sorgen, wodurch ich letzen Endes in einer Pflegefamilie gelandet bin."

„Ich.. Ich bin der Junge aus den Medien. Der den alle so verzweifelt suchen." Mit einem dicken Knoten im Hals sehe ich schnell zu Boden, als bereits die ersten Tränen in meinen Augen aufsteigen. Doch zu meiner Überraschung bleibt es still. Changbin's Mutter gibt keinen einzigen Laut von sich. „Ich bin abgehauen, weil ich es dort nicht mehr ausgehalten haben." „Eomma, sein gesamter Körper war überseht mit blauen Flecken. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen." Mischt sich nun auch Changbin ein, weshalb ich für einen Moment innehalte. Ich wusste, dass ich um dieses Thema nicht herumkommen werde, aber es ist mir dennoch unangenehm.

„Er hat nur das Geld mitgenommen, was ihm ohnehin zustand. Er hat sich damit auch keinen Unsinn gekauft, sondern nur Dinge die er zum Leben braucht. Er hat noch nicht einmal ein richtiges Dach über den Kopf", redet Changbin weiter auf seine Mutter ein, welche jedoch auch weiterhin kein einziges Wort von sich gibt. Auch wenn es mir unangenehm ist, bin ich froh, dass er gewisse Teile meiner Geschichte übernimmt. Bei einigen Dingen bin ich mir nämlich nicht sicher, ob ich sie so hervorbringen könnte wie er es tut.

„Changbin hat die Medizin für mich gekauft, weil ich es mir selber nicht leisten konnte." „Und ich habe es von mir aus getan. Felix wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal, dass ich sein Geheimnis herausgefunden habe.", ergänzt Changbin meine Worte, woraufhin für einen Moment vollkommene Stille herrscht. Ich weiß nicht, was ich ihr noch weiter sagen soll. Das wichtigste weiß sie nun. Aber wieso sagt sie immer noch nichts? Überlegt sie?

„War das alles?", fragt sie schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit in die Stille hinein, weshalb ich zögerlich nicke. „Zumindest das Wichtigste." Ihr jedes noch so kleine Detail zu erzählen, würde womöglich den Rahmen sprengen und sie denkt sich wahrscheinlich bereits ihren Teil. Ich kann nur hoffen, dass es nicht negativ ist. Sie findet sicher nicht alles gut, aber ich hatte meine Gründe für mein handeln. Und sie hat doch gesehen, dass ich ein zuverlässiger Nachhilfelehrer für Changbin war. Das muss doch auch etwas wert sein oder nicht?

„Gut, dann werde ich jetzt die Polizei rufen." „Nein!" Mit einem Mal springt Changbin panisch neben mir auf, wobei mir nur die Tränen in die Augen schießen. Das war es also. Die Realität holt mich ein. Mein kleiner Ausflug in die Freiheit nimmt ein leider nicht so schönes Ende. Ich wünschte uns wäre noch ein bisschen mehr Zeit vergönnt gewesen, doch leider ist dies nicht der Fall. „Das kannst du nicht machen! Du hast nicht gesehen, wie sehr er darunter leidet. Eomma, gibt ihm bitte eine Chance! Er ist kein schlechter Mensch!"

„Ich möchte nicht, dass mein Sohn von Verbrechern umgeben ist." Mit einem ziemlich kalten Blick sieht sie kurz zu mir hinüber und zieht ihr Handy aus ihrem Jackett hervor, weshalb ich augenblicklich zu Boden sehe. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich gerade fühle. Es ist als würde die ganze Welt auf einmal in sich zusammenbrechen und das ist ein Gefühl, dass ich wirklich niemanden wünsche. „Felix ist kein Verbrecher. Er ist das Opfer. Er hat doch nur aus Angst so gehandelt."

„Hallo, spreche ich da mit der Polizei?" Ohne ihren Sohn weiter zu beachten, wendet sie sich leicht von uns ab, während sie sich das Handy ans Ohr heran hält. So sehr es auch wehtut, ich kann sie verstehen. Sie will ihren Sohn schützen. Und genau genommen hat sie ja auch recht. Ich bin ich ein Verbrecher. Ich habe meine Papiere gefälscht, Geld geklaut und sicher noch weitere Verbrechen gegen das Gesetz begangen. „Ich möchte melden, dass sich der Ausreißer Lee Yongbok in meinem Haus befindet. Bitte holen sie ihn an."

„EOMMA HÖR AUF!" „Changbin, hey, nicht." Gerade als er plötzlich zu seiner Mutter hinüberlaufen will, greife ich schnell nach ihm und will ihn zurückhalten, als er auf einmal direkt vor meinen Augen in sich zusammensackt. „Changbin?! Hey!" Nun selber in Panik versetzt, lege ich ihn vorsichtig auf dem Boden ab, wobei seine Mutter nur regungslos neben uns stehen bleibt. Wieso macht sie denn nicht?! „Er ist bewusstlos. Rufen Sie verdammt nochmal einen Krankenwagen!"

Vollkommen unter Schock drehe ich ihn schnell auf die Seite und versuche ihn irgendwie zu stabilisieren. Meine Kenntnisse zur ersten Hilfe sind nur begrenzt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es sein Kreislauf ist, der gerade versagt. Wundern würde mich das jedenfalls nicht. Er hat die letzten Tage kaum gegessen, vermutlich auch nur wenig geschlafen und jetzt diese ganze Aufregung. Wieso stellt er auch immer sein eigenes Wohl hinter das anderer?

„Changbin, hey, ich bin da." Mit leicht zitternden Händen streiche ich ihm behutsam über die Wange, als auf einmal ein lautes Klingeln von der Tür ertönt. Es ist die Polizei. Ich kann das Blaulicht schon durch die Fensterscheiben sehen.

***
Oh oh~

Scars // Changlix Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt