14. Erpresservideo

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Wir erwachten durch das schabende Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss dreht.
Unser Entführer betrat den Raum und schaute uns ekelhaft grinsend an. "Oh. Niedlich, wie ihr beiden da so liegt. Tut mir ja leid, dass ich eure Zweisamkeit jetzt stören muss. Aber ihr müsst jetzt leider mit mir kommen."
Immernoch grinsend richtete er seine Waffe auf uns. Wir standen auf und ich versuchte meinen Körper nach dem langen Liegen unauffällig zu strecken. Ich wollte keine großen Bewegungen machen, damit sich der Typ nicht bedroht fühlte. Wer weiß, was er dann machen würde. Im schlimmsten Fall würde er auf uns schießen. Da hatte ich wirklich keine Lust drauf.
Der Entführer nahm meinen "unauffällig-Körper-strecken-und-dabei-bloß-nicht-zu-viel-bewegen" Versuch natürlich trotzdem wahr. Er sah mich an und sein grinsen vertiefte sich. "Na. Hat da jemand Bewegungsmangel? Ich lasse mir gerne etwas für dich einfallen, damit deine Muskeln während deines Aufenthaltes hier nicht verkümmern."
Shit. Dachte ich nur. Das war ja mal grandios nach hinten losgegangen. Was auch immer er sich überlegen würde. Ich bezweifelte, dass für mich etwas Gutes dabei herauskommen würde.

Jetzt trieb uns der Mann durch einige Gänge in eine größere Halle, die offenbar tatsächlich mal als Lagerhalle gedient hatte. Einige große Regale standen noch im Raum und vereinzelt lagen alte Paletten herum. Ich sah mich um und entdeckte in einer Ecke von der Decke herabhängende Seile.
Ich ahnte böses. Bei den Seilen stand der andere Entführer. Ich hatte mich schon gewundert, wo er abgeblieben war. Ich hatte ihn zuletzt bei unserer Entführung im Wald gesehen. Vermisst hatte ich ihn allerdings ganz und gar nicht. Meiner Meinung nach war er derjenige, der schneller die Geduld verlor und auch schneller bereit war Gewalt anzuwenden. Aber er schien mir eher der Handlanger unseres eigentlichen Entführers zu sein.
Denn nun blaffte der Mann hinter uns den anderen an. "Los. Komm in die Gänge. Ich hab nicht ewig Zeit. Binde das Mädchen fest. Für den jungen Mann müssen wir uns noch was überlegen." Mit diesen Worten schubste er mich nach vorne in Richtung seines Handlangers. Mein Puls schoss nach oben und Panik breitete sich in mir aus. Was hatten die mit mir vor?
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Phil an einen Stuhl gefesselt wurde. Wahrscheinlich, damit er nicht weglaufen konnte und nicht die ganze Zeit bewacht werden musste.

Der Handlanger packte mich grob am Arm und zog mich zu den Seilen. Er fesselte meine Hände hinter dem Rücken und zog das Seil straff. Meine Arme wurden ein Stück nach oben gezogen, wodurch ich meinen Oberkörper nach vorne beugen musste. Es schmerzte etwas in den Schultern, aber noch war es auszuhalten.
Unser Entführer hatte in der Zwischenzeit eine Kamera geholt und mit Stativ vor mir aufgestellt.
Das sollte wohl ein Video für meinen Vater werden. Klar. Der wusste ja noch garnichts von meinem Verschwinden. Ich bezweifelte, dass mich zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt jemand vermisste. Seit ihrer Trennung sprachen meine Eltern kein Wort mehr miteinander. Daher ging ich davon aus, dass meine Mutter meinem Vater nicht gesagt hatte, dass ich auf dem Weg zu ihm war. Und ich hatte mich auch nicht angekündigt. Ich hatte mich ja eher fluchtartig auf den Weg zu ihm gemacht. Wahrscheinlich wäre es mir auf dem Weg zu ihm irgendwann eingefallen und ich hätte ihm ne kurze Nachricht geschrieben. Tja. Hätte, hätte Fahrradkette.
Der Entführer war fertig mit aufbauen und nahm noch ein Gerät in die Hand. Der Handlanger war mittlerweile aus dem Bild getreten und so stand ich nun alleine vor der Kamera. Meine Körperhaltung wurde immer unangenehmer, je länger ich hier stand. Ich hoffte, dass sich die zwei etwas beeilten und mich anschließend wieder von den Fesseln befreiten.
Das Gerät, welches der Entführer in der Hand hatte, war offenbar ein Stimmverzerrer. Denn als er nach dem starten der Kameraaufnahme in das Gerät sprach, war seine Stimme elektronisch stark verzerrt. Es klang echt gruselig.
"Wenn du deine Tochter jemals lebend wiedersehen willst, dann tu das, was wir dir jetzt sagen.
1. Keine Polizei. Wenn wir bemerken, dass du die Polizei hinzugezogen hast, stirbt deine Tochter auf der Stelle. Also fordere es nicht heraus.
2. Wir wollen Lösegeld. Eine Millionen Euro in kleinen Scheinen. Also höchstens 50€ Scheine. Uns ist bewusst, dass es auffällig ist, so viel Geld auf einmal bei der Bank zu holen und mit sich herum zu tragen. Daher geben wir dir einen Monat Zeit das Geld zu besorgen. Solltest du das Geld vorher schon zusammen haben, gehe in das Waldstück, das dir gehört. Dort steht ein Baum, den wir mit einem grünen X gekennzeichnet haben. Fälle diesen Baum, sobald du das Geld hast. Dann werden wir dich wieder kontaktieren. Aber denke daran. Wir beobachten dich Tag und Nacht. Wehe du gehst zur Polizei oder versuchst uns anderweitig zu verarschen. Dann wird deine Tochter darunter leiden.
Wenn der Baum in einem Monat, also heute in 30 Tagen, noch steht, dann wird es deiner Tochter schlecht ergehen."
Damit beendete er die Aufnahme. Der Typ war echt nicht blöd. Das musste man ihm lassen. Er hatte sich gut über meinen Vater informiert und einen Weg gefunden mit ihm zu kommunizieren ohne sich zeigen zu müssen. Mein Vater war in seiner kaum vorhandenen Freizeit tatsächlich fast ausschließlich in seinem Wald anzutreffen. Wenn er den Baum mit der grünen Markierung fällte, würde das überhaupt nicht auffallen.
Ich hatte allerdings keine große Hoffnung, dass dieser Baum innerhalb der nächsten 30 Tage fallen würde. Ich kannte ja meinen Vater.

Als der Entführer die Kamera abbaute und weg brachte, kam sein Handlanger zu mir. Ich machte mir schon Hoffnungen, dass ich endlich von den Fesseln befreit würde. Aber da hatte ich mich wohl zu früh gefreut.

Der Amoklauf, der mein Leben veränderteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt