3. Wie geht es weiter?

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Der Lautsprecher knackte und alle zuckten zusammen. Unsere Schulleiterin machte folgende Durchsage:" Liebe Schülerinnen und Schüler, es handelt sich bei diesem Alarm wahrscheinlich um einen Fehlalarm. Bitte bleiben Sie in den Klassenräumen, bis die Situation entgültig geklärt ist und bewahren Sie Ruhe." Wir atmeten erleichtert auf. Angst hatten wir natürlich immernoch, schließlich war die Situation noch nicht entschärft, aber ein kleines Stück von unserer Anspannung fiel bereits von uns ab. Und da es im Moment nichts Interessantes zu berichten gibt, sollte ich mich vielleicht mal Vorstellen: ich heiße Lilly, bin 19 Jahre alt und mache eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Meine Eltern sind seit langer Zeit getrennt und können sich auf den Tod nicht ausstehen. Ich habe auch einen jüngeren Bruder: Sven. Er ist ein Meister darin alles um sich herum ins Chaos zu stürzen und seine Mitmenschen in den Wahnsinn zu treiben. Ich bin da eher so etwas wie der Gegenpol zu Sven. Ich bin ruhig, zurückhaltend, erfolgreich in der Ausbildung und oft sehr verträumt. Ich stelle mir oft und gerne vor, dass ich in einem meiner heißgeliebten Fantasyromane die Hauptrolle spiele. Wer würde sich das nicht wünschen?
Aber jetzt mal wieder zu wichtigeren Themen: wir sitzen seit mittlerweile drei Stunden in unserem Klassenraum fest. Ich habe schon gefühlte zehn mal meinen Zauberwürfel gelöst, damit ich bei dieser ganzen warterei nicht wahnsinnig werde. Da kam endlich die erlösende Nachricht: der Vater einer Klassenkameradin stand draußen vor der Schule und hielt uns auf dem laufenden. Er teilte uns mit, dass die Polizei jetzt damit beginnt, die Klassen aus den Räumen zu befreien. Es dauerte allerdings noch eine weitere Stunde, bis wir aus unserem Raum befreit wurden. Als wir endlich auf dem Schulhof ankamen, wurde mir erst so richtig bewusst was in den letzten Stunden eigentlich passiert ist. Es war zwar nur ein Fehlalarm gewesen, aber das wussten wir ja nicht von Anfang an. Wir mussten erst davon ausgehen, dass es ein echter Amokalarm ist. Ich begann zu zittern und mir traten Tränen in die Augen. Es war einfach zu viel für mich. Überall auf dem Schulhof standen Schüler herum die auch nicht so recht wussten wie sie reagieren sollten. Notfallseelsorger gingen zwischen den Schülern umher, falls jemand Redebedarf hatte. Und ich stand da und heuelte einfach. Plötzlich sprach mich jemand von hinten an:"Hallo, ich heiße Franco, wie heißt du denn? Kann ich dir helfen?" Ich muss dazu sagen: Ich bin jemand, der sich nur ungerne helfen lässt. Ich will immer alles allein schaffen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ich wie folgt Antwortete: "Äh, ich heiße Lilly, nein danke ich brauche keine Hilfe." Der Sanitäter guckte mich zwar so an, als würde er mir nicht glauben, beließ es aber dabei und ich machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Ich wollte einfach nur nach Hause. Ich ahnte nicht, dass sich die Wege von mir und diesem Sanitäter nocheinmal kreuzen sollten...

Der Amoklauf, der mein Leben veränderteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt