16. Der Neue

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Phil trug mich zurück in den Raum, in den wir nun wieder eingesperrt wurden. Er setzte mich auf meiner Matratze ab und setzte sich neben mich. Wir schwiegen uns eine Weile an, bis ich fragte: "Was war da vorhin eigentlich los? Wo war der Handlanger plötzlich hin und warum hat unser Entführer nichts mehr gesagt?"
Phil sah mich gedankenverloren an.
"Als der Handlanger wie du ihn nennst, dich im freien Fall Richtung Erdboden geschickt hat, kam unser eigentlicher Entführer rein. Es sieht so aus, als wäre die Aktion nicht abgesprochen gewesen. Der Handlanger heißt übrigens Erik. So hat ihn zumindest unser Entführer angesprochen bzw. angebrüllt, als er in den Raum kam und gesehen hat, was gerade los ist. Daraufhin hat Erik also deinen Sturz im letzten Moment noch gestoppt und dir somit 'nur' die Schulter ausgekugelt. Ich denke das wird für ihn noch richtig Ärger geben. Als ich unserem Entführer dann mitgeteilt habe, dass ich Arzt bin, hat er mich ohne Widerrede zu dir gelassen und hat sich im Hintergrund gehalten. Der scheint auf jeden Fall noch etwas Grips in der Birne zu haben."
"Apropos ausgekugelte Schulter. Willst du die dann jetzt mal nicht wieder dahin befördern, wo sie hingehört?" fragte ich.
"Ich hab unserem Entführer aufgetragen Schmerzmittel zu besorgen und etwas, um deinen Arm zu stabilisieren, nachdem ich ihn wieder eingerenkt habe. Ich glaube kaum, dass du das einrenken ohne Schmerzmittel ertragen willst."
"Ich hoffe das dauert nicht so lange. So langsam fühlt sich das schon unangenehm an." meinte ich.
"Fühlt sich dein Arm irgendwie taub an? Oder sind die Schmerzen schlimmer geworden?" fragte er mich besorgt.
"Nein. Taub ist der Arm nicht. Ja die Schmerzen sind etwas schlimmer geworden. Aber das lässt sich aushalten. Ich meinte nur, dass dieses Gefühl in der Schulter irgendwie komisch ist. Besonders wenn man weiß, dass die Schulter ausgekugelt ist."
Er lächelte mich wieder an. Oh Gott. Dachte ich nur. Wie sollte ich die Gefangenschaft mit ihm nur überleben. Er bringt mich ja jetzt schon um den Verstand.
"Du weißt schon, dass ich dich langsam für etwas verrückt halte?" fragte er mich scheinheilig.
Ich grinste ihn an.
"Na zum Glück nur ein bisschen. Wenn du mich besser kennenlernst, würdest du mich wahrscheinlich manchmal sogar als gestört bezeichnen. Zumindest sagen das meine Freundinnen zeitweise."
Ich lachte und in diesem Moment fühlte es sich einfach nur gut an. Ich war glücklich und mein Herz so unendlich leicht. Wir alberten noch eine Weile herum. Ich hatte den Verdacht, dass Phil mich von meinen Schmerzen ablenken wollte. Aber das war mir egal. Ich genoss es in vollen Zügen.
Als die Tür aufging verstummten wir. Hatte unser Entführer das Schmerzmittel und den Rest, den Phil ihm aufgetragen hatte, schon organisiert?
Nein. Es war zwar unser Entführer, aber er schob uns nur wortlos Essen hin.
Es war gekochter Reis und zwei große Flaschen Wasser. Bei dem Anblick knurrte mir augenblicklich der Magen. Wir machten uns über das Essen her und tranken etwas von dem Wasser. Nicht alles, da wir nicht wussten, wann wir das nächste mal etwas bekommen würden.
Anschließend lehnte ich mich an die Wand, schloss die Augen und döste vor mich hin. Meine Schmerzen wurden zunehmend schlimmer. Aber ich wusste, es machte keinen Sinn sich zu beschweren. Phil konnte im Moment nichts dagegen tun. Also versuchte ich die Schmerzen zu verdrängen. Als ich wieder wach wurde, ging die Tür auf und ein Mann wurde von unserem Entführer in den Raum gestoßen. Der Mann hatte einen Rucksack auf dem Rücken. Außerdem trug er die Kleidung vom Rettungsdienst. Den Rucksack konnte ich anschließend als Notfallrucksack identifizieren. Also hatte der Entführer tatsächlich auf Phil gehört und die aufgetragenen Dinge organisiert. Er war sogar über das Ziel hinaus geschossen und hatte eine weitere Geisel angeschleppt. Oder war es zu meiner "Sicherheit" damit er mich als Geisel behalten konnte, ohne das mir schlimmeres passierte als ohnehin schon?
Ich betrachtete den Mann genauer. Die Tür hatte sich bereits wieder geschlossen und unser neuer Mitgefangener war im Begriff sich aufzurappeln, als Phil ihm zu Hilfe kam.
Die beiden sprachen miteinander, als würden sie sich schon länger kennen. Sie schienen ungefähr ein Alter zu haben. Aber da ich total schlecht darin war, das Alter von anderen Menschen zu schätzen, war ich mir entsprechend unsicher.
Ich beobachtete die beiden. Da drehte Phil sich um und meinte "Ach. Ihr kennt euch ja nicht. Darf ich vorstellen? Das ist Lilly."
Dabei deutete er auf mich.
"Hey." sagte ich und wollte die rechte Hand heben. Ich merkte im gleichen Moment, dass das eine eher schlechte Idee war und ließ es bleiben.
Jetzt deutete Phil auf unseren Neuankömmling.
"Lilly. Das ist...."

Sooo. Heute bin ich mal etwas fies. Wer ist da wohl angekommen? Ihr werdet es im nächsten Kapitel erfahren. Bis dahin könnt ihr ja schonmal Vermutungen anstellen.

Der Amoklauf, der mein Leben veränderteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt