11. Kapitel

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Das Geständnis

Seit einem ganzen Monat hatte sie das Phantom nun nicht mehr gesehen. Es gab nur einige Berichte darüber, dass der Ahnenbaum geschändet wurde. Auf der Rinde des Baumes war eine Sonne eingeritzt worden. Seit dem versuchten die Wächter die Sonne unkenntlich zu machen. Auch Grabsteine wurden geschändet, von Soldaten die damals bei der grossen Schlacht mitgekämpft hatten. Bernstein hatte Rabe schon gefragt, ob das mit seiner Gruppe zutun hatte, die er nun aufbauen konnte. Doch Rabe hatte sie nur empört angesehen und gesagt:" Ich bin der Führer dieser neuen Corvas, glaubst du etwa ich würde das für richtig halten und anordnen?" Bernstein glaubte ihm natürlich. Und sie machte sich immernoch Vorwürfe, Rabe diese Frage gestellt zu haben. Aber würde das Phantom es tun? Er hatte schon eine Sonne als Zeichen gesetzt. Aber geht es wirklich so weit, Gräber zu schänden und heilige Orte zu verletzten? War das ihr Vater? Ein Fuchs, dem es egal ist wie man Rache nimmt? "Bernstein? Du hörst mir schon wieder nicht zu, was ist den los?" fragte Sternenhimmel. "Es tut mir leid Sternenhimmel... Ich bemühe mich ja" brummte sie schuldbewusst. "Was beschäftigt dich denn so sehr?" fragte Sternenhimmel sanft. "Die Vorfälle die immer wieder passieren. Die Sache mit dem Phantom" vertraute sie sich der Füchsin an. "Das beschäftigt uns alle, aber trotzdem müssen wir unsere Arbeit machen. Schamanen sind sehr wichtig in einem Stamm" erklärte ihr die weisse Füchsin verständnisvoll. "Wie wäre es, wenn wir über etwas anderes reden?" schlug Stern zur Ablenkung vor. Bernstein war sehr zufrieden mit ihrer Lehrerin. Sie war nicht streng und sie lernte viel. Ausserdem hatten sie viel Spass zusammen bei der Arbeit. "Also gut." Sternenhimmel wusch den Stein, auf dem sie immer die Kräuter zermalte. "Wie steht's den zum Beispiel mit der Liebe?" fragte Sternenhimmel. "Ach komm, das fragen doch nur die Stammesältesten" lachte ihre Lernende. Die weisse Füchsin schnaubte belustigt. "Willst du etwa damit sagen, ich wäre alt?" fragte sie mit gespielter Empörung. "Nein, nur dass du so redest wie jemand der alt ist" korrigierte sie. Sie wollte niemandem sagen, was sich langsam zwischen Rabe und ihr entwickelte. Der Stamm wäre nich wirklich froh darüber. Also behielt sie es für sich. Rabe und sie trafen sich sehr oft und lachten zusammen. Endlich sah sie Rabes echtes Ich. Feuerseele sprang gerade auf den Versammlungsfelsen und liess sein Heulen erklingen. Der Anführer kam ihr gerade recht. So müsste sie nich antworten. "Die Zeremonie. Wir sollten uns auf den Weg zum Ahnenbaum machen" riet Sternenhimmel. Die Schamanin legte den Stein hin und trottete dann zur Böschung. Andere taten es ihr gleich. Heute war nämlich die Abschlussfeier von Rabe und Bach. Die beiden hatten ausgelernt und würden nun vollständig zum Stamm gehören, als erwachsene und ausgelernte Füchse. Aufgeregt dachte sie über mögliche Namen nach, die zu Rabe passen könnten. Beim Überlegen stiess sie auf die Frage, warum Feuerseele einen so komischen Namen hatte. "Warum hat Feuerseele eigentlich so einen Namen?" Sternenhimmel wandte den Kopf nicht vom Weg ab und fragte:" Was meinst du?" Bernstein lief neben ihr. "Feuerseele ist doch kein richtiger Stammesname, Feuerseelen gibt es nich wirklich, wie einen Sternenhimmel oder den Neumond" erklärte sie ihre Frage besser. "Achso, dir hat das noch niemand gesagt? Jeder Anführer bekommt eine neue Silbe vor oder nach seinem ursprünglichen Namen. Diese soll den Charackter des Anführers Symbolisieren. Feuerseele hat seinen Namen daher, dass seine Seele das Feuer wiederspiegelt." Bernstein verstand. "Aber von wem bekommen die Anführer ihren Namen?" fragte Bernstein. "Meistens hören Schamanen den Namen durch die Stimmen des Windes. Es können aber auch Wissende sein, die das Flüstern hören können. Das kommt aber meistens nur vor, wenn der Schamane kein Schamane ist, der vom Mond wirklich akzeptiert ist oder, wenn der Stamm gerade keinen Schamanen hat." Würde Rabe auch einen Anführernamen bekommen? Er war schliesslich der neue Anführer der Corvas. Vielleicht Rabenschmerz. Raben konnten auch um Kollegen trauern genau so wie Rabe um seine Familie trauerte. Sie empfanden Schmerz. Doch Bernstein fand dies zu düster. Wenn sie Anführerin wäre, würde sie einen schönen, heiteren Namen wollen. Aber zum Glück würde sie Rabes Namen nicht entscheiden müssen. Das würde die Sonne für sie tun. Der Himmel über dem Wald war dunkel, eine Wolkendecke lag über ihnen. Nur ein Loch in den Wolken liess noch wenige Strahlen zu ihnen hindurch. In weiter Ferne hörte man Donnergrollen und in den Wolken blitzte es manchmal auf. Ein Sturm nahte wohl. Hoffentlich würde er vorbeiziehen und ihnen nur Regen bringen. Die vier Welpen von Eule kamen auch zur Zeremonie mit, sie waren schon sehr gewachsen. Die Welpen waren vor kurzem Schüler geworden und hatten ihre Welpennamen abgelegt. Für Glut, Brand, Herbst und Flamme war es die erste Abschlussfeier. Für Bernstein allerdings war es schon die zweite. Mohn und Falke waren schon ernannt worden. Sie trugen nun die Namen Mohnblume und Turmfalke Die vier schienen noch aufgeregter als sie selbst. Die Schüler tollten herum während sie den Erwachsenen zum Ahnenbaum folgten. Bernstein lächelte bei dem Anblick. Ob sie je selbst Welpen haben würde? Nach einem Marsch am Waldrand entlang bogen sie in den Wald ab. Wenige Schritte durch den Wald, ragte der grosse Stamm des Ahnenbaumes auf. Sein Stamm war etwa viermal so breit wie Bernstein lang war. Doch die Rinde war teils von den Wächtern abgekratzt worden, wegen dieser Sonne auf der Rinde. Hoffentlich würde es dem schönen Baum nicht schaden. Bernstein setzte sich weiter vorne neben Sternenhimmel hin, so dass sie direkt auf den Platz vor dem Ahnenbaum sehen konnte. Rabe und Bach sassen vor ihren Lehrern. Nur Bach unterhielt sich noch mit den Lehrern, Rabe sass stumm da. Auch Berglöwe schien Rabe kaum Beachtung zu schenken. Der schwarze Fuchs war einfach nur froh die Abschlussprüfung bestanden zu haben. Mit vor Freude und Erleichterung strahlenden Augen hatte er es ihr heute morgen verkündet. Bernstein war so stolz auf ihn. Er hatte beim Stamm noch nie so glücklich ausgesehen. Und heute würde er endlich das erreichen, worauf er schon sein ganzes Leben hingearbeitet hatte. Dann begann die Zeremonie. Feuerseele sah auf die Lernenden, während es bei den Versammelten langsam ruhig wurde. Dämmerung, die Nachfolgerin von Feuerseele stand neben dem Anführer und sah stolz aus. "Mein treuer Stamm, seht auf diese Lernenden. Seht das Mondlicht, es leuchtet von Tausenden Mondseelen auf die beiden hinab und lässt ihre Seelen hell erstrahlen. Sie tragen gesegnetes Blut in ihren Herzen und nun werden sie ihren Platz im Stamm endgültig besiegelen." Bach und Rabe hatten ihre Köpfe vor ihrem Anführer gesenkt und sahen zu Boden. "Wie die Wurzeln des Ahnenbaums sich in die Erde klammern, seid auch ihr nun in unserem Stamm verwurzelt. So sollt ihr auch eure vollständigen Namen erhalten." Er wandte sich natürlich zuerst an Bach, die aufsah, als der Anführer ihren Namen aussprach. "Nordlicht konnte nur Gutes von dir berichten und du hast auch deine Prüfung mehr als bestanden. Nun kehre dein Gesicht zum Mond, damit du deinen Namen empfangen kannst." Bach wandte ihren Kopf mit geschlossenen Augen zum Mond, der durch eine Lücke in den Ästen auf ihr Gesicht leuchtete. "Bach, du wirst eine wertvolle Wächterin im Stamm sein, die ihren Respekt aus eigenen Pfoten verdienen wird. Der Stamm soll dich nun, als ausgewachsene Füchsin sehen und dich nun Bachminze nennen." Wie auf Kommando erhob der Stamm seine Stimme und liess sein Heulen in die Nacht erklingen. Bernstein schloss sich dem natürlich an. Bach war immer nett und freundlich zu ihr gewesen. Was wäre sie für eine Freundin, wenn sie es nicht täte? Schade nur, das Bach und sie sich, seit sie mehr mit Rabe unterwegs war, auseinander gelebt hatten. "Nun zu dir Rabe" fuhr Feuerseele nach dem Heulen fort. Rabe erhob seinen Kopf und blickte zu dem Führer. "Auch du hast deine Prüfung zum Soldaten bestanden, kehre dein Gesicht zum Mond um, deinen Namen zu empfangen" befahl Feuerseele. Rabe wollte gerade seinen Kopf zum Mond erheben, als sich Falke einen Weg durch die Menge frei kämpfte. Er hielt einen jungen Fuchs fest im Nacken. Wütend zerrte er ihn vor dem Anführer zu Boden. "Feuerseele! Du darfst Rabe nich ernennen. Er ist ein Sonnengläubiger!" Rabe wand den Kopf zu Falke. Feuerseele und Dämmerung sahen den Soldaten an. "Dieser Sonnenprophet hat mir erzält was Rabe tut, wenn er nachts nicht da ist! Genau, er betet die Sonne an!" Falke sah sich auflehnend unter dem Stamm um. Rabe sah zu dem zitternden grauen Fuchs. "Ich wusste es doch" knurrte Sternenhimmel neben ihr. "Das ist nicht wahr!" rief Rabe und trat Falke gegenüber. "Wie seine Eltern, wir hätten ihn damals nicht verschonen sollen!" jaulte ein Soldat namens Steinadler. "Das stimmt nicht, Falke lügt!" versuchte Rabe zu erklären. Bernstein spürte seine Verzweiflung, auch wenn er sie gut versteckte. "Dann beweise, dass Turmfalke unrecht hat, Rabe" erklang Feuerseeles Stimme. Der Stamm stellte sein Knurren ein und wartete auf eine Antwort. "Wir verlangen eine Antwort Rabe, mach schon! Oder willst du deinem Freund das hier wirklich weiter antun?" fragte Falke. Bernstein beobachtete die angespannte Situation. Falke trat zu dem jungen Fuchs und drückte ihm mit seiner Pfote auf die Kehle. "Was ist zum Beispiel, wenn dein kleiner Freund hier stirbt?" Der graue Fuchs würgte und sah flehend zu Rabe. Der schwarze Fuchs legte die Ohren an. "Na? Wie ist das, Rabe? Ein gutes Gefühl?" fragte Falke und drückte fester zu. Bernstein konnte kaum hinsehen. Was sollte sie tun? Sie konnte doch nich so dumm rumstehen! "Hör auf" zischte Rabe zu Falke. "Erst, wenn du es zugibst" knurrte der braune Soldat und sah Rabe mit einem provozierenden lächeln in die Augen. "Ich sagte, hör auf!" sagte Rabe und trat einen Schritt vor. Falke knurrte und schnappte provokant in Richtung Kehle des jungen Fuchses. Rabe zuckte dabei kurz zusammen. Bernsteins Herz pochte in ihren Ohren. Rabe wich zurück. "Gut, wie du willst. Wenn du ihn dann nur in Ruhe lässt" zischte Rabe zu Falke und wandt sich dem Stamm zu. Dem Stamm schien egal zu sein, was Falke da gerade tat. "Falke hat recht, ich bin ein Sonnengläuber, das war ich schon immer" Der Stamm knurrte laut auf. "Tötet ihn!" jaulte Feuerseele sofort ohne Rabe ausreden zu lassen. Falke biss in die Kehle des grauen Fuchses und ging auf Rabe los. "Nein, aufhören!" jaulte Bernstein auf, als sich Soldaten und Wächter wie eine Meute auf den schwarzen Fuchs stürzten. Bernstein sprang auch auf und versuchte die Füchse weg zu zerren, doch sie war zu schwach. "Tut ihm nichts!" schrie sie verzweifelt. Ihre Gedanken rasten. Alles ging so schnell. "Rabe!" schrie sie durch das Kampfgeheule. Und plötzlich kam ihr eine Idee. Sie dachte garnicht nach, ob es eine gute war. "Ich hatte ein Zeichen des Mondes!" rief sie so laut sie konnte. Feuerseele spitzte die Ohren und wandt den Blick zu ihr. "Aufhören! Unsere Schamanenlernende hatte ein Zeichen von den Mondseelen!" befahl der Anführer. Die Füchse wichen von Rabe der blutend am Boden lag. Alle Augen richteten sich auf sie. Bernstein hörte nur ihren Herzschlag. "Das Zeichen, sie sagten mir... das ihr ihn verschonen sollt." Feuerseele legte den Kopf schief. "Warum will der Mond, dass wir einen Sonnengläubigen verschonen?" fragte der Führer ungläubig. Bernstein stand wie angewuzelt da. Ihr wurde ganz warm. Wie sollte sie das erklären? Panik machte sich in ihr breit. Schliesslich entgegnete sie:" Der Wille des Mondes ist... für uns Lebenden Seelen nicht immer leicht zu verstehen. Nur sie wissen, was sie tun und warum" erklärte Bernstein und wurde in ihrer Rede immer sicherer. Doch die Angst brannte immernoch unter ihrem Pelz, denn es ging um Rabes Leben. Wenn sie es nicht glaubten waren sie beide tot. "Bernstein hat weise gesprochen. Wenn es des Mondes Wille ist, tun wir es ohne Nachfrage. Wir haben bei der grossen Schlacht von Sonne und Mond auch nicht nach dem Grund gefragt" erklang eine Stimme aus der Versammlung. Eine weisse, graugefleckte Füchsin trat aus dem Stamm vor. Es war Vogellied, die Wissende die früher auch Schamanin war. Die Füchsin trat neben sie. "Also, hört auf den Mond und Bernstein, lasst Rabe gehen" befahl Vogellied und sah Feuerseele fest in die Augen. Feuerseele nickte und wandte sich an Rabe, der sich gerade auf die Pfoten gekämpft hatte und richtete sich nun auf. "Der Mond sagt zwar, dass wir dich verschonen sollen, aber deinen Namen verdient du nicht! Hiermit verbanne ich dich von den Lyn..." Rabe unterbrach ihn:" Dieses Land ist mit Blut und Zähnen gesegnet. Ihr Lyncas wisst rein garnichts über richtigen Segen! Deswegen musst du mich nicht verbannen, ich gehe aus freien Stücken. Ich brauche euer blutiges Land nicht!" Feuerseele legte seine Ohren gereizt an. "Der Wille des Mondes ist immer der Richtige" antwortete der rote Fuchs. "Du bist auch noch stolz auf das Leid, welches du angerichtet hast? Hörst du die Schreie aus der Schlacht nicht in deinen Träumen? Die Schreie jener Welpen, die nach ihren toten Müttern rufen und dann verstummen? Ein Anführer sollst du sein? Ein Anführer der keine Reue zeigen kann ist kein Anführer! Wenigstens kann ich aus deinen Fehlern sehen, wie man es falsch macht!" knurrte Rabe und drehte sich Richtung Fluss. So humpelte er in Richtung seines Landes. Die Lyncas wichen angewidert von dem Sonnengläubigen, als er sich einen Weg durch den Stamm suchte. Ihre Blicke traffen sich, währen er an ihr vorbei lief. Er blickte müde und schmerz erfüllt, doch die Dankbarkeit in seinem Blick war lauter, als alles andere, als würde er es direkt zu ihr sagen. Bernstein konnte ihm nur nachsehen. Ihr Führer wandt sich nun wieder an den Stamm und fuhr mit der Zeremonie fort. "Bachminze wird sich nun noch beim Credo verewigen" erklärte er und führte seinen Stamm aus dem Wald zum Credo. Niemand kümmerte sich um die Leiche des jungen grauen Fuchses. Bernstein sah aber immernoch auf die Stelle wo Rabe verschwunden war. Sie musste erstmal zu Atem kommen. Was war eigentlich gerade passiert? Sie hatte gerade über Rabes Leben entschieden. Nur durch das was sie sagte. Und es war der Schlimmste Moment in ihrem Leben gewesen. Hoffentlich musste sie nie wieder so etwas erleben. Aber Rabe hatte sich nun selbst verbannt. Es würde schwierig werden ihn noch treffen zu können. Aber Bernstein wusste, nicht einmal die Lyncas konnten sie und Rabe von einander trennen.

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