Die Rückkehr der Corvas
Eine kalte Brise wehte über die Hügel auf der Wiese. Die Blätter an den Bäumen hatten sich teils schon gelb gefärbt. Der Herbst war schon in grossen Schritten auf dem Weg. Bernstein trauerte nun schon eine Woche um ihre Schwester. Doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Funke hätte nicht gewollt, dass sie ihr Lächeln ablegte. Ausserdem würde es den anderen auch nicht gefallen sie nur traurig zu sehen. Es war nicht ihre Art. Rabe kauerte neben ihr und Bernstein hatte sich an seine Flanke angelehnt. Rabe und sie waren nun offiziell ein Paar. Die jungen Füchse verbrachten jede freie Minute damit, sich zu treffen und Zeit zu verbringen. Das Rabe ein Feind ihres Stammes war, machte ihre Zeit zusammen trotzdem sehr rar. Er hatte auch einen eigenen Stamm zu führen. Schneejäger half dem Fuchs sehr, die Corvas wieder ins Leben zu rufen. Der weisse Fuchs brachte die alten Traditionen zurück zu den neuen Corvas. Bald würde Bernstein ebenfalls zu ihnen gehen. Sternenhimmel ernannte sie sicher bald zur Schamanin. Aber Bernstein wird keine Schamanin des Mondes werden, sondern eine der Sonne. Die erste Schamanin der Corvas, nach der grossen Schlacht von Sonne und Mond. Bernstein sah der Sonne zu wie sie hinter die Hügel sank. Sie trafen sich immer bei Sonnenuntergang. "Wo glaubst du ist Funke jetzt?" fragte sie Rabe traurig. "Ist das wichtig?" fragte der schwarze Fuchs. Bernstein entgegnete nichts und sah nur stumm in seine grünen Augen. "Sie ist doch jetzt frei, also ist sie bei deiner Grossmutter, oder glaubst du etwas anderes?" fragte er. Bernstein schaute in den Himmel. "Ich weiss nicht was ich glauben soll. An die Sonne oder den Mond? Warum sollte es nur einen von beiden geben, wir sehen sie ja beide auch am Himmel." Rabe folgte ihrem Blick. "Weisst du... warum ich an die Sonne glaube?" Bernstein schüttelte den Kopf. "Die Sonne ist so viel heller und wärmer als der Mond, sie lässt Pflanzen erblühen, gibt uns wärme und erleuchtet unsere Seelen." So hatte Bernstein es noch nie gesehen. Rabe hatte sich so verändert, seit sie sich kennengelernt hatten. Er war glücklich. Zum ersten Mal seit langem, in seinem Leben. "Ich bin froh, dass es dir jetzt gut geht und du glücklich bist..." sagte sie nach einer kurzen Stille. Rabe zeigte ein Lächeln. "Auf eine Art und Weise bist du wohl auch eine Sonne. Du bist meine Sonne" erklärte er und leckte ihr liebevoll über die Wange. Bernstein lächelte ebenfalls. "Du warst die, die hingesehen hat, die mich wieder zum Lachen gebracht hat. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein, Bernstein." Sie seufzte und kuschelte sich an ihn. Plötzlich zerriss ein Knall die Stille. Die beiden Füchse wandten blitzschnell die Köpfe in die Richtung. Der Knall war zwar vom Wald her gekommen und sehr fern, trotzdem war er laut gewesen. "Was war das?" flüsterte Bernstein verängstigt. Rabe blickte gebannt auf den Nordwald. "Ich weiss es nicht, aber es hört sich nach nichts Gutem an..." Bernstein nickte zustimmend. "Lass uns lieber von hier verschwinden" flüsterte er und schlich den Hügel hinab zum Fluss. Bernstein spähte noch kurz zum Wald. "Der Knall, der einem zum Tode verdammt" flüsterten ihr plötzlich Stimmen ins Ohr, während eine leichte Brise über das Land strich. Bernstein erschauderte dabei. Die Stimmen des Windes, schon das zweite Mal. Doch sie folgte Rabe schnell bevor sie sich weiter Gedanken machte. Rabe rutschte auf den Pfoten zum Ufer hinunter. Der Fluss war ordentlich gestiegen. Es hatte öfter über Nacht geregnet. "Hoffentlich wirst du Schamanin bevor das Wasser zu sehr steigt. Sonst werden wir uns wohl nur noch von Ufer zu Ufer unterhalten können" sagte der schwarze Fuchs. "Die älteren Füchse sagen, dass schon Füchse in den Strömungen mitgerissen und ertrunken sind. Also meinen Respekt hat dieser Fluss. Bis dahin bin ich sicher längst bei euch, aber jetzt will ich mir erstmal ansehen, was mein toller Anführer denn die ganzen Tage gemacht hat." Rabe lächelte. "Wir sind schon ziemlich viele, du wirst staunen!" entgegnete er belustigt. "Gut, dann sind meine Erwartungen hoch, ich hoffe du bereust nicht was du mir erzält hast" blaffte Bernstein. Sie mussten ein Stück ins Wasser laufen, um überhaupt herüber springen zu können. Der Fluss war in der Mitte sehr tief. Als das Wasser etwas mehr, als über die Pfoten kam, sprangen sie hinüber. Sie setzten ihren Weg Flussabwärts fort. Bald schon teilte sich das Gewässer. Ein Bach löste sich von dem Fluss und führte Richtung Ostwald. Dort irgendwo am Wald hatten sie Schneejäger getroffen. Der Fluss schlängelte sich weiter südlich. "Der Fluss führt direkt zum Dorf. Wir haben da also immer Wasser in der Nähe. Da war auch das alte Corva Dorf bevor..." Bernstein unterbrach ihn:" Lass uns jetzt einfach lieber nach vorne schauen." Rabe nickte. "Du hast recht. Trotzdem haben wir noch ein Rätsel zu lösen..." sprach Rabe an. Sie liefen immer weiter den Fluss entlang. "Ja, wir müssen noch wissen, wie diese beiden Stämme je wieder nebeneinander leben können." Rabe nickte. "Wenn der Mond doch seine Prophezeiung nur wieder rückgängig sprechen könnte." Vor ihnen lag das Dorf. Umrundet von den grünen Grashügeln. Es musste sehr windgeschützt sein. Es war schon ein kleiner Damm aus Steinen und Erde errichtet worden. Äste und Baumstämme gab es hier ja nicht sonderlich viele. Es liefen einige Füchse in dem Dorf herum, aber es waren noch lange nicht so viele wie bei den Lyncas. Rabe sprang aufgeregt zum Eingang. "Komm, ich muss dir ein paar Füchse vorstellen!" rief er. Bernstein schlüpfte durch den gegrabenen Eingang in das Dorf. Am Aufstieg des Hügels waren Baue gegraben worden und ein Fuchs arbeitete gerade an neuen Bauen. Rabe trat sofort zu zwei jungen Füchsen. Bernstein folgte rasch und trat an die Seite ihres Freundes. "Das ist Bernstein. Unsere Zukünftige Schamanin. Bernstein, das sind Specht und Rot. Sie sind unsere ersten Schüler." Ein schwarzer Fuchs und eine rote Füchsin nickten ihr freundlich und etwas schüchtern zu. Bernstein lächelte die beiden an. "Schön euch kennen zu lernen" begrüsste die Lernende. "Wisst ihr zufällig wo Wirbelwind steckt?" fragte Rabe. "Er gräb an diesem Bau, den du in Auftrag gegeben hast" erklärte Rot. "Er wollte heute noch fertig werden" fuhr Specht fort. "Gut, komm Bernstein, ich muss dir noch was zeigen" verkündete er ihr. "Wir sehen uns, ihr beiden" verabschiedete er sich noch von den Schülern. Auch Bernstein verabschiedete sich kurz. So folgte Bernstein dem schwarzen Fuchs wieder. Er lief quer durchs Dorf. Es waren überall kleine Grüppchen von Füchsen verteilt. Er hatte wirklich nich übertrieben. "Wie hast du so viele gefunden, die dir folgen?" fragte sie erstaunt. "Ach auf dem Land gab es viele einzelne Füchse und Schneejäger kannte auch noch ein paar. Wir waren aber schon mehr... Nach Maus' Tod sind viele aus Angst abgesprungen..." meinte er. "Das tut mir leid, aber ich verstehe sie auch." Rabe nickte. "Ich auch. Die Lyncas sind keine leichten Gegner." Bernstein seufzte. "Denkst du immernoch an Krieg?" Rabe wirkte unsicher. "Vielleicht wollen sie es nicht anders lösen..." Als Bernstein blinzelte und die Augen wieder öffnete erblickte sie plötzlich ein Schlachtfeld. Sie blieb ruckartig stehen. Tote Füchse pflasterten den Boden des Dorfes. Irgendwie bekam sie plötzlich so schlecht Luft und ihr wurde übel bei dem Anblick. Auf den Leichen sammelten sich schon Fliegen. Dann erblickte sie unter den Toten einen weissen Fuchs. Es war Schneejäger. Er kauerte bei einer Weissen Füchsin. Ihr Fell getränkt im Blut ihrer eigenen Kehle. Ihre Pfoten schützend um zwei leblose Welpen geschlungen. Bernstein war ganz erstarrt. "Wolkenbruch.... warum, warum du?" winselte Schneejäger voller Schmerz. Es fühlte sich alles wie ein Traum an. So verschwommen und doch so klar. "Hör nicht auf zu suchen, das Schicksal drängt!" flüssterte ihr jemand aufgebracht ins Ohr. Bernstein wandte ihren Kopf Richtung des Geräusches. Doch da war niemand. Aber Bernstein wusste, dass Mondseelen sich nicht zeigen durften. Sie konnten nur durch Zeichen und Stimme Botschaften an die Lebenden übermitteln. Ganz plötzlich war das Schlachtfeld wieder weg. Sie war wieder da. Und es war wohl nur ein Blinzeln vergangen. "Rabe, warte kurz..." brachte sie mit schwacher Stimme heraus. Rabe drehte sich um. "Was ist denn?" fragte der schwarze Fuchs. "Sie wollen das wir den Schuldigen finden. Die Mondseelen." Rabe trat näher zu ihr. "Haben sie zu dir gesprochen?" fragte er. "Ja, es war schrecklich. Sie sagten, dass wir weiter nach der Wahrheit suchen müssen. " Rabe sah sie an. "Wie sollen wir es denn herausfinden. Wir sind junge Füchse, wir haben damals nich gelebt und niemand will uns irgendwas sagen!" schnaubte Rabe frustriert. "Vielleicht nicht alle. Irgendjemanden haben wir übersehen." Rabe seufzte. "Wir wissen doch beide, dass der Mond so etwas nicht anweisen würde. Die Frage ist nur, wer so einen Schwachsinn befielt!" brummte der schwarze Fuchs. "Der Einzige der Befehle geben kann, ist der Anführer. Aber der Anführer ist damals bei der Schlacht gestorben, Fall gelöst." Bernstein sah ihn etwas entmutigt an. "Rabe, so einfach geht das nich. Willst du denn nicht mehr wissen, warum all diese Füchse sterben mussten? Warum deine Eltern sterben musste? Warum wir jetzt hier stehen?" fragte die weissrote Füchsin. Rabe schloss kurz die Augen. "Ehrlich gesagt, nein. Warum die Vergangenheit aufwühlen? Wir sind jung, unser Leben formt sich gerade. Unser Stamm formt sich. Wir sollten jetzt nach vorne blicken, deine Worte." Sie wollte ihm ja Recht geben, aber es war trotzdem nicht richtig. Bernstein war fest davon überzeugt, dass die Lyncas die neuen Sonnengläubigen erst in Ruhe lassen würden, wenn die Wahrheit ans Licht kam. Also mussten sie weiter machen. "Wenn wir nicht weiter machen, wird doch genau wieder das gleiche passieren wie damals. Krieg... Krieg bleibt immer gleich." Rabe blieb für kurze Zeit stumm. "Und was willst du jetzt tun?" fragte er dann. Das war eine gute Frage. Was nun? "Ich denke ich werde herausfinden müssen, ob du Recht hast. Ich muss den Wissenden einen Besuch abstatten. Sie können mir sicher sagen, was damals passiert ist." Sie folgte Rabe weiter zu dem was er zeigen wollte. "Was, wenn sie dir nicht helfen, wie all die anderen?" fragte Rabe. "Ich denke schon, dass mir jemand hilft. Wenn mir jemand helfen würde, dann wohl Vogellied." Rabe führte sie zu einem Höhleneingang und schlüpfte in den Bau. Bernstein folgte sofort. "Ich hoffe, wir können dieses Thema bald ruhen lasse... Wir verbringen jetzt schon fast unser ganzes Leben damit, die Wahrheit zu finden." Bernstein murmelte zustimmend. Vor ihnen tat sich ein Raum auf. "Salve Saley Wirbelwind" grüsste der Anführer. Ein grauweisser Fuchs blickte zu ihnen. "Salve Saley, ich bin gleich fertig!" verkündete Wirbelwind. Bernstein sah sich um. Es war sehr geräumig und Bernstein erkannte sofort, dass dies eine Schamanenhöhle war. Löcher und Spalten in den Wänden boten Stauraum für Heilpflanzen und es gab eine Nebenhöhle für Patienten. "Ich hoffe du kannst die gebrauchen, ich hab Wind natürlich nicht alleine schufften lassen" erklärte Rabe. Bernstein blieben die Worte weg. Hier würde sie als Schamanin arbeiten! Dies würde ihr Bau sein. "Es ist einfach toll, ich weiss nicht, was ich sagen soll" hauchte sie. "Das habt ihr für mich gebaut?" fragte sie nochmal, nur, um sicher zu gehen. "Ja. Du brauchst natürlich einen vernünftigen Arbeitsplatz." Sie war wirklich überwältigt. "Es ist wunderschön. Ich freue mich, wenn ich hier herkommen kann" erklärte sie glücklich. Rabe sah sie verlegen an. "Aber vorher muss ich noch Dinge erledigen..." seufzte die Füchsin. Wirbelwind trat auf sie zu. "Lass dir Zeit, die Höhle läuft ja nicht weg" beschwichtigte der Fuchs. Bernstein lächelte. "Natürlich nicht, aber die Wahrheit wird wohl nicht angenehm." Wirbelwind sah sie an. Er hatte blaue Augen. Sehr selten für einen Erwachsenen und nicht ganz weissen Fuchs. "Wie lange bist du denn schon hier?" fragte sie ihn neugierig. "Ich weiss nicht, ich hab nicht mit gezählt, sicher ein paar Tage schon" antwortete er. "Wir trafen ihn auf der Durchreise" erklärte Rabe. "Durchreise? Wo sollte es dich denn hinverschlagen?" fragte Bernstein. "Naja, um ehrlich zu sein, bin ich angekommen. Ich habe nach einem Zuhause gesucht" erklärte der grauweisse Fuchs. "Dann hoffe ich, dass du es jetzt gefunden hast" sagte die weissrote Füchsin. Bernstein sah zum Ausgang. Es wurde schon dunkel. "Musst du schon gehen?" fragte ihr Freund. "Je eher ich wieder dort bin, desto besser..." erklärte Bernstein. Rabe liess den Kopf hängen. "Schade... Ich hoffe aber die Wissenden können dir weiter helfen." Bernstein verliess mit den Füchsen den Bau wieder. "Kannst du, wenn du das nächste Mal kommst, mir etwas von den Lyncas bringen?" fragte Rabe scheu. Sie blieben stehen und sahen sich an. "Was denn?" Wirbelwind sah sich kurz um. "Ich müsste dann mal weiter an die Arbeit, bis hoffentlich bald, Bernstein" verabschiedete sich der Wächter. "Bis dann Wirbelwind, und danke, der Bau ist wirklich schön" bedankte sie sich. "Du kannst mich auch nur Wind nennen" sagte er noch schüchtern. "Gut, bis dann Wind" korrigierte sie sich. Bernstein wandte sich wieder ihrem Freund zu. "Es geht um das Geschenk von meinen Eltern... bei meiner Mondsegnung. Es ist das Einzige was ich noch von ihnen habe." Rabes Augen füllten sich mit Trauer. "Klar... wo hast du es aufbewart?" fragte sie. "In unserem Bau, dort habe ich es hinter einem Stein versteckt, damit sie es nicht finden...." erklärte der schwarze Fuchs. "Gut, ich werde es dir bringen, wenn ich wiederkomme." Rabe lächelte. "Ich hoffe das wird schon sehr bald sein, hoffentlich bist du bis dahin schon Schamanin." Bernstein nickte. "Bis bald, pass auf dich auf" sagte Bernstein dem Fuchs sanft. "Mach ich, du aber auch" flüsterte Rabe voller Zuneigung. Bernstein leckte ihm kurz über die Wange und machte sich dann auf den Heimweg. Auf ihrer neuen Mission. Und hoffentlich die Letzte...
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Legends Of The Sun
AventuraDies ist die Geschichte von Bernstein, einer jungen Füchsin die die Spuren ihrer Familie zurückverfolgen will. Doch dabei trifft sie auf viele Geheimnisse und Sünden, die beglichen werden müssen. Es ist ihr Schicksal all dies heraus zu finden. Wohin...