La Famiglia / Die Familie

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Bambina

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Baby Girl

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Kleines Mädchen

Dienstag 18.08.2020, Ravello, Cardamoneresidenz

Bambina

Nach ihrem gut zwanzig Minuten langanhaltenden Wutanfall, machte uns Federico mit seiner Mutter, mit Dannys und meiner Großmutter, Urbana bekannt. Mr. Giuliani, der einzige unserer Begleiter, der nicht bereits das Weite gesucht hatte, diente uns dabei als Dolmetscher.

Urbana, oder Ana, wie Federico sie nannte hatte eine Menge Verbitterung und Enttäuschung übrig für ihren Sohn. Doch die Art wie sie sich über Federicos breite körperliche Ausmaße auslies wirkte mehr neckend als missgönnend. Anas äußerst magere Gestalt und ihre unter ihrem roten Hauskleid hervorstehenden Schlüsselbeinknochen ließen mich darauf schließen, dass weder sie noch der Rest ihrer Familie sich jemals hatte sattessen können und auch wenn sie wütend über, vielleicht auch neidisch auf Federicos Entwicklung war, so befürwortete sie im Stillen dennoch, dass wenigstens einer ihrer Söhne und dessen Kinder wohlgenährt waren.

„Ein Cardamone mit blauen Augen. Das hat es auch noch nicht gegeben", seufzte sie schließlich, nachdem sie sich ausgiebig und anklagend über den Fakt beschwert hatte, dass weder Danny noch ich der italienischen Sprache mächtig waren. Danny blickte peinlich berührt zu seinen Schuhen. Meine Mundwinkel zuckten flüchtig amüsiert über Anas stichelnde Bemerkung. Die Bewegung schmerzte mein Gesicht ein wenig. Wie lange hatte ich bereits nicht mehr gelächelt? Seit der Einreise in Italien, seit dem Halten eines verdammten halbautomatischen Gewehres, das mir den Ernst der Lage nochmals verdeutlicht hatte? Nein, ich hatte bewusst nicht mehr gelächelt, seitdem Luke mich am Abend meiner Verlobungsfeier mit folgenden Worten angegangen war: „Ich war nicht nur bei Sybille in jener Nacht und Jevin nicht nur bei dir." Mit diesen und mit einigen weiteren widerwertigen Bemerkungen; Bemerkungen über meine Lippen aber nicht über die in meinem Gesicht.

Ich hatte geglaubt über jene Nacht hinweg gewesen zu sein. Ich hatte geglaubt, dass ich Jevin in gewisser Weise verziehen, oder sein Handeln in der Vergangenheit zumindest akzeptiert hatte, doch Luke hatte das Pflaster, was ich über die offene Wunde geklebt hatte mit einem heftigen Ruck abgezogen und nun blutete sie wieder, gefühlt stärker als je zuvor. Ich war nicht darüber hinweg und ich war es auch nie gewesen. Was die beiden Sybille und mir in jener Nacht angetan hatten, war unverzeihlich. Und dass sie sogar getauscht hatten, uns wie Ware oder Vieh hin und hergeschoben hatten, dass Jevin Sybille womöglich tatsächlich vergewaltigt hatte, war das absolut abstoßendste daran. Und dann wagte es Jevin von Liebe zu sprechen, allen vorzuspielen, dass es Liebe war, die er für mich empfand. Er beanspruchte mich und meine Seele, obwohl sie nichts weiter als Vieh für ihn waren, Vieh, welches er sich mit dem Erben des Friedenswächtervermächtnisses teilte.

Ich hatte ihm seither nicht mehr in die Augen blicken können. Ich empfand Wut wann immer er seinen Mund öffnete. Es verlangte mich danach ihm geradewegs eine zu verpassen, wann immer er meinen Namen in den Mund nahm. Und noch wütender als ohnehin schon machte mich der Fakt, dass ich emotional gefesselt war an etwas was bereits so weit zurücklag, sodass ich mich emotional nicht vollständig auf das einlassen konnte, was im Moment wirklich zählte; meine Familie.

„Und dich füttert er wohl nicht, was?", fuhr mich Urbana plötzlich aus heiterem Himmel heraus an und ich zuckte bereits zusammen bevor Mr. Giuliani übersetzt hatte. „Doch Ma'am. Ich esse gut...meine Mutter macht wirklich gute Lasagne", erwiderte ich kleinlaut. Zu sagen, dass ich eingeschüchtert war, wäre eine massive Untertreibung gewesen.

„Nichts als Haut auf deinen Rippen! Was schiebt deine dürre Mutter in ihren amerikanischen Auflauf; Kohl?", schimpfte Ana und Cara schrumpfte sichtlich unter ihren peitschenden Worten.

The Secret (BUCH I + 2) Als Mein Vergewaltiger Mir Blumen BrachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt