In Spe

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Das Gras ist blau,

die Gewässer grün und am Himmel blühen die rosenartigen Blüten des Windes

und ich, ich bin so unbedeutend wie ein türkises Sandkorn am Rande einer regennassen Steppe,

unter der das Leben liegt

Montag, 10.08.2020, Dalton, Hoagland Manor

Bambina

Mein Blick schnellte zur Tür hinüber, als diese geöffnet wurde, doch es war nur Elisabeth Hoagland, oder Ellie, wie sie von mir genannt werden wollte, Jevins stets adrett gekleidete Adoptivmutter, die mir das Frühstück auf einem hübsch hergerichteten Tablett brachte. Ich erhob mich rasch vom Bett, auf dem ich bis eben noch gesessen und auf die gegenüberliegende Wand gestarrt hatte. „Guten Morgen", murmelte ich, verlegen über meinen grenzwertigen Aufzug. Seit vergangenem Samstagabend hatte ich den flauschigen roséfarbenen Morgenmantel nicht mehr ausgezogen, den mir Ellie von sich geliehen hatte. Darunter trug ich nichts weiter als ein langes weißes Nachthemd, das bereits sehr durchgeschwitzt war und an meiner Haut klebte, doch ich hatte mich nicht dazu aufraffen können, mich noch einmal zu duschen, mir eines der schönen Kleider anzuziehen, die mir bereitgelegt worden waren, oder gar nach unten zu gehen, dort wo Jesse Hoagland, aber vor allem auch Jevin auf mich warteten. Nein, der Gedanke ihm je wieder in die Augen blicken zu müssen, ließ mich heftig frösteln.

Ellie schenkte mir ein warmes Lächeln, welches ansteckend war. Ich konnte nichts dagegen tun. Sie war gut zu mir gewesen. Anstelle von Strenge und stummen Vorwürfen, hatte sie Samthandschuhe angezogen, mich in rettender Absicht vollkommen von den Männern isoliert. Ich hatte seit Samstagnachmittag dieses Zimmer, das gleichermaßen geschmackvoll dekoriert und schlicht gehalten eingerichtet war, nicht mehr verlassen. Ellie hatte mir dies genehmigt und es vor den beiden Männern irgendwie durchgesetzt bekommen, obwohl ich mir vorstellen konnte, dass dies vor allem bei Jevin nicht auf großen Zuspruch getroffen war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er mich vermutlich am liebsten mit Handschellen an sich gekettet. „Guten Morgen, wollen wir nicht auf dem Balkon frühstücken? Wunderschönes Wetter heute", sagte Ellie. Von dem vermeintlich wunderschönen Wetter hatte ich noch nichts mitbekommen können, da die dicken weißen Samtvorhänge, so gut wie jegliches Tageslicht von draußen filterten und mich im Schatten meiner Verzweiflung ruhen ließen. „Gerne", sagte ich. Meine Stimme, die ich in den letzten Tagen kaum benutzt hatte, kratzte in meinem Hals. Ich lief vor und zog die schweren Vorhänge beiseite, blinzelte heftig und kniff die Augen eng zusammen, als das gleißende Sonnenlicht das Zimmer einnahm. Ich tastete nach dem Griff der Balkontür und öffnete sie dann mit einem halbherzigen Ruck. Ellie balancierte das Tablett über die Türschwelle nach draußen und stellte es auf dem Glastisch ab.

Ich musterte ihre eleganten Bewegungen, als sie den Tisch für uns herrichtete, die Sachen vom Tablett nahm und auf beiden Seiten des Tisches verteilte. In ihrem orangefarbenen Kostüm sah sie aus wie eine exotische Sommerfrucht. Ihre schwarzen Sonnenbrillengläser ließen sie distanzierter und anonymer wirken, als sie eigentlich war und ihre kunstvoll hochgesteckten Haare verrieten, dass sie bereits einige Zeit auf den Beinen gewesen sein musste, um sich herauszuputzen. Dabei schien es noch so früh. Ich hatte zwar keine Uhr auf meinem Zimmer und mein Handy war mir abgenommen worden, doch hinter den Baumkronen, des dichten Waldes, von dem Hoagland Manor umgeben war, konnte man noch einen Hauch von restlicher Morgenröte erkennen. Ich trat hinaus ins Freie. Ein kühler Wind ging und meine Zehen kräuselten sich auf dem nackten Fliesenboden. Ich beugte mich leicht über die Brüstung. Ich konnte zwei Gärtner erkennen, die bereits ihrer Arbeit nachgingen. Einer von ihnen schnitt fein säuberlich die Ecken der Hecken zurück, die solch geometrische Perfektion verkörperten, dass es mich jedes Mal aufs Neue staunen lies, der andere fütterte die Fische in den kleinen Teichen, deren Oberfläche mit Wasserpflanzen und Seerosenblättern bedeckt waren.

The Secret (BUCH I + 2) Als Mein Vergewaltiger Mir Blumen BrachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt