Bruciato / Ausgebrannt

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Da malte ihre Geisterhand einen leuchtenden Riss an die Wand...

Samstag, 22.08.2020, Italien, Avella, The Asylum of The Secrets of the Mind & Body auf Burg Longobardo

Theresia

„Achtung! Achtung! Hier spricht Leonardo Cardamone, Oberhaupt der Familie Cardamone; Wir fordern: 1. Den sofortigen Abzug sämtlicher Friedenswächter aus unserem Land! Libertà per I'talia, verdammt! 2. Italien wird zum freien eigenständigen Land erklärt. Weder die Bayrische Regierung noch The Secret werden sich jemals wieder in unsere Politik einmischen! Und 3. Sämtliche Cardamones und Helfer der Cardamones, darin sind alle selbsternannten Widerstandskämpfer und Rebellen miteinbegriffen, erhalten strafrechtliche Immunität und sämtliche Widerstandskämpfer in Haft werden sofort freigelassen und nie wieder von der bayrischen Strafverfolgung behelligt.

Wenn ihr verfickten Faschisten unseren Forderungen Folge leistet, dann bekommt ihr euer wehrtes Braumeisterpüppchen wieder zurück. Sie ist unterwegs ein wenig kaputt gegangen, aber noch funktioniert sie. Mit jedem weiteren Tag, den ihr verstreichen lasst, ohne auf unsere Forderungen einzugehen, wird Frau Braumeister hier ein wenig mehr kaputt gehen, bis sie irgendwann dann doch nicht mehr so einwandfrei funktionieren wird, also würde ich mich an eurer Stelle mächtig sputen. Und an alle Widerstandskämpfer, die sich uns angeschlossen haben: Ihr macht einen hervorragenden Job – weiter so! Prescht voran, drängt die Friedenspisser zurück und bringt uns die abgetrennten Köpfe von Lukas Braumeister und Magnus Soda!"

„Lukas, du bist schon immer wie ein echter Vater für mich gewesen. Erbarme dich deiner Tochter im Geiste und gebe ihnen, was sie wollen, damit ich heimkehren kann, damit ich leben kann – bitte", schloss Annelieses geschwächte zittrige Stimme, dann begann die Aufnahmeschleife von Neuem. Leonardo begann wieder zu sprechen: „Achtung! Achtung! Hier spricht Leo..." und immer so weiter. Ich stellte mein kleines batteriebetriebenes Radio aus und nahm einige tiefe Schlucke aus meiner Wasserflasche. Schon seit einigen Tagen nun, hatten die Rebellen meine Durchsage beendet und mit ihrer eigenen überspielt, doch offensichtlich hatten sie noch immer nicht bekommen, wonach sie verlangten, denn die Aufnahme spielte noch immer im Loop vor sich hin, Tag ein, Tag aus, Tag ein, Tag aus...

Auch wenn die Rebellen sich nicht vom Fleck bewegten, nicht so recht mit der Verwirklichung ihrer Pläne vorankamen, so war heute mein Tag gekommen; mein letzter. Heute würde ich meiner allerletzten Pflicht nachkommen und dann würde diese Reise auf dieser Erde, in diesem Universum für mich zu Ende gehen. Noch einmal überprüfte ich die Vollständigkeit meines im Zelt liegenden Equipments, was in den letzten Tagen zur nervösen Gewohnheit geworden war. Alles war noch da, meine letzten Essens- und Flüssigkeitsvorräte, mein Feuerzeug, meine Ersatzbatterien, meine fliederfarbene Schwesternkutte und der Strick, mit dem ich mich heute Abend in den Tiefen des friedvollen Waldes erhängen würde.

Ich band mir mein ungewaschenes Haar in einem Zopf zurück, befüllte meinen Rucksack mit einer noch halbvollen Wasserflasche für unterwegs und ergriff meine leistungsstarke Wandertaschenlampe. Das Feuer von Burg Longobardo hatte mit Sicherheit sämtliche Generatoren und andere Stromressourcen zerstört und innerhalb der langen unterirdischen Gänge würde mich vermutlich nichts als gähnend leere Dunkelheit empfangen.

So machte ich mich also auf den Weg und fand mich schon bald im ausgestorbenen Innenhof der Burgruine von Longobardo wieder. Die Vögel sangen wieder in nächster Umgebung zur Burg. Noch vereinzelt stieg lichter Rauch über noch nicht vollständig verglommenen Brandherden auf. Die steinernen Außenwände waren von Ruß geschwärzt. Die dicke Haupteingangstür aus Eisen ließ sich nicht aufdrücken, ich vermutete eingestürzte Trümmer dahinter. Ich suchte mir einen anderen Weg nach drinnen, ein nicht verschlossenes Fenster des Erdgeschosses, was mich sogleich in die ehemalige Schwesternwohnküche beförderte. Fast hätte ich den Raum nach den rachsüchtigen Verwüstungen des Feuers nicht mehr wiedererkannt, doch die Anordnung der nicht gänzlich zu Grunde gegangenen Möbel verriet mir, wie es hier noch vor wenigen Tagen ausgesehen hatte. Der Boden war bedeckt mit noch kokelnder Kohle, verbranntem Holz, geschmolzenen Küchenutensilien. Ich presste mir die Hände vors Gesicht. Das Atmen fiel mir hier drin schwer. Ich schaltete die Taschenlampe an und begann meine letzte Tour durch mein ehemaliges zu Hause, jeden Schritt tat ich mit äußerster Vorsicht und Bedacht. Zu jedem Zeitpunkt war ich darauf gefasst, dass sowohl der Boden unter mir, als auch die Decke über mir nachgeben konnten.

The Secret (BUCH I + 2) Als Mein Vergewaltiger Mir Blumen BrachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt