13. Krisensitzung

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 Die halbe Stunde, die ihre Freunde brauchten, um einzutreffen, fühlte sich wie ein halbes Jahrhundert an. Kalila hatte ein mulmiges Gefühl, weil Samuel und James gleich wie zwei gegenpolige Magnete aufeinandertreffen würden.

Seit ihrem Streit hatte sie nicht mehr mit James gesprochen. Sie hatte ihm lediglich eine Nachricht geschickt, dass er kommen sollte. Wenn sie ehrlich mit sich war, dann war sie für einen Anruf zu feige gewesen.

Sie hasste es, wenn sie beide sich anschwiegen. Er war wie ein Bruder für sie und sich mit ihm zu streiten fühlte sich an, als würde sie ihn aus ihrer Familie verstoßen. Dabei wollte sie sich doch mit ihm versöhnen.

Nach dem vorsichtigen Lächeln zu urteilen, das er ihr zuwarf, als sie die Haustür öffnete, schien er dasselbe zu wollen.

»Hey«, sagte Kalila.

Beide schwiegen einen Moment vor Verlegenheit, ehe James mit einem Grinsen sagte: »Du siehst aus, als hättest du mit einem Nilpferd gerungen.«

»Das Nilpferd hat gewonnen.«

Sein Lächeln verschwand und mit einem Mal wirkte er unsicher. »Delia hat dir also nicht den Kopf abgebissen«, stellte er fest.

Offenbar hatte er eingesehen, dass sein Misstrauen gegenüber Delia unbegründet war. Kalila war froh, dass er zu dieser Einsicht gelangt war.

»Sie wollte mir Lidschatten ins Gesicht schmieren. Das kommt schon verdammt nah dran.«

Auch wenn ihre Auseinandersetzung kaum ein paar Tage zurücklag, stellte sie fest, dass sie ihn vermisst hatte. Einander die kalte Schulter zu zeigen, passte nicht zu ihnen.

»Tut mir leid, wie ich mich aufgeführt habe«, sagte er und zwirbelte nachdenklich eine lange Haarsträhne zwischen den Fingern. »Das war nicht nur dir, sondern auch Delia gegenüber unfair.«

Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. Also wollte er sich wirklich versöhnen. Unendliche Erleichterung spülte wie eine Welle über sie hinweg.

»Ich hätte nicht von Azrael sprechen sollten«, sagte er, »obwohl ich wusste, dass er der Auslöser deiner Angst ist.«

Augenblicklich verschwanden die Erleichterung und das warme Gefühl. Mit einem Mal fühlte ihr Körper sich eiskalt an, als wäre sie nackt in einem Eiskeller eingesperrt. Verletzlich, ausgeliefert.

Es war, als würde James ihre eine Ohrfeige mit ihrer eigenen Verwundbarkeit verpassen.

Sie wurde jäh aus ihrer Starre gerissen, als eine weitere Person hinter James auftauchte und über die Einfahrt stapfte.

»Wenn ihr noch mehr schnulzige Entschuldigungen austauscht, kotze ich euch auf die Füße.« Alice schob sich an James vorbei ins Haus. »Ich hoffe, du hast Süßkram besorgt. Ohne Zucker im System kann ich keine genialen Pläne schmieden.« Sie klopfte sich gegen den Schädel, als bräuchten die anderen beiden einen Fingerzeig, wo sich die Ideenfabrik ihres Verstandes befand.

Besagter Süßkram war bereits dem gnadenlosen Heißhunger von Alice zum Opfer gefallen, als zuletzt Samuel und Caroline eintrafen.

Zu Kalilas Erleichterung wurde die Luft nicht allzu eisig, als Samuel ihr Zimmer betrat. Ihre Freunde hatten sich über Bett und Teppich verteilt und sahen sie nun alle erwartungsvoll an. Dies musste wohl der Moment sein, in dem sie ihren genialen Plan mit ihnen teilte. Bis auf den Umstand, dass sie keinen hatte.

Also erzählte sie ihnen zuerst von ihrer Begegnung mit Melissa und dem Auftauchen von Ericas Tagebuch.

Als sie geendet hatte, fuhr Khemu sich mit einem Stöhnen durchs Gesicht. »Na toll. Jetzt stehen wir noch mehr im Fokus der Ermittlung, nur weil Erica ihr sentimentales Gesülze in irgendeinem Glitzerheftchen verewigen musste.« Erst dachte Kalila, er wäre wütend auf Erica, doch dann fügte er murmelnd hinzu: »Ich hätte sie davon abhalten sollen.«

Kalila Edward - RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt