Der Pfarrer kniff überrascht die Augen zusammen, als auch ihn das Licht blendete. Dann legte er sich die Kreuzkette um, die er mit einer Hand umklammert gehalten hatte.
Keiner von ihnen sagte ein Wort. Beide beäugten einander, wie, um den jeweils anderen abzuschätzen.
Bei genauerer Betrachtung stellte sie fest, dass er wahrscheinlich jünger war, als sie angenommen hatte. Auch wenn die vereinzelten grauen Strähnen in seinen blonden Haaren nahtlos in seine aschfahle Haut übergingen, hatte sein Gesicht etwas zeitloses.
Kalila war sich ziemlich sicher, dass sie es bereuen würde – trotzdem streckte sie ihm die Hand entgegen.
Lucius zögerte einen Moment, ehe er sie ergriff und sich von ihr hochziehen ließ.
»Wenn Melissa sich in Pandämonium aufhält, warum haben Sie dann nicht ein paar Ihrer Leute hingeschickt, um sie zu suchen und zurückzubringen?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Das würde niemand überleben.« Ein Schatten huschte über das fahle Gesicht des Pfarrers. »Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob Melissa noch am Leben ist.«
Doch Kalila wusste, dass sie es war. Denn was Lucius nicht über seine Schülerin wusste: Sie hatte Kalilas Buch mit all den Informationen über Dämonen, die sie das letzte Jahr über angesammelt hatte. Damit konnte sie nicht nur in der Hölle überleben, sondern auch zum Problem werden.
»Lass uns an einem ungestörten Ort weiterreden.« Lucius verließ die Kammer und steuerte auf den Altar zu. Kalila folgte ihm durch eine unscheinbare Seitentür, die in einen Hinterbereich führte.
Sie betraten einen langen Flur, auf dem zu ihrer Überraschung reges Treiben herrschte. Die vielen Leute, die von einem Raum in den nächsten liefen, manche mit Akten unter dem Arm, manche mit losen Papierstapeln, standen im krassen Kontrast zu der gespenstischen Stille im Rest der Kirche.
Während sie die vielen Zimmer passierten, versuchte Kalila einen Blick hinter jede Tür zu erhaschen. Die meisten Räume waren stinknormale Büros. Doch der Rest war voll mit deckenhohen Bücherregalen, alten Holztruhen und anderen Dingen, die sie nicht recht einzuordnen vermochte.
Auf ihrem Weg warfen die Exorzisten ihnen neugierige Blicke zu. Ein Mann blieb sogar stehen und musterte Kalila von oben bis unten, als wäre sie ein Eindringling.
Schließlich blieb Lucius vor einer Tür am Ende des Flurs stehen. Kalila sah noch einmal zu seinen Leuten zurück. Ihr Blick blieb an einer untersetzen Frau hängen, die gerade mehrere Aktenstapel hochstemmte und ihrem Kollegen überreichte. Als ihre Arme sich hoben, lugte ein dunkler Gegenstand an ihrem Gürtel hervor. Kalila brach der Schweiß aus. Ein Pistolenholster.
Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass auch die restlichen Exorzisten Waffen an ihren Hüften trugen. Sie schluckte.
Lucius führte sie in einen Raum, der ebenfalls mit unzähligen Bücherregalen gefüllt war. Am anderen Ende stand ein alter Holzschreibtisch. Die Möbel ächzten unter den alten ledergebundenen Büchern, mit denen sie über und über beladen waren.
Lucius räumte den Schreibtisch und zwei Stühle frei, damit sie sich setzen konnten.
»Erzählen Sie mir mehr über dieses Pandämonium.« Kalila zwang sich, ihren Blick von den verstaubten Wälzern zu reißen. »Wo soll das sein?« Wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass Amir dort war, musste sie wissen, wie man dorthin gelangen konnte.
»Auch darauf habe ich leider keine Antwort.« Lucius zupfte gedankenverloren an dem Ledereinband eines Buches. »Alles, was wir über Pandämonium wissen, ist, dass die Dämonen dort herkommen. Alle. Maride, Afarit, Silas, Ghule und Qarin.«
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Kalila Edward - Rebellion
Paranormal~ Band 2 ~ Auf in die Hölle! Als wären die Ereignisse des vergangenen Jahres noch nicht genug gewesen, taucht eine namenlose Gestalt in Godwick Field auf. Die Absichten des mysteriösen Unbekannten werden schnell klar: die Dämonen ein für alle mal au...