11. Mit Ach und Krach

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 Kalila stapfte aus dem Hörsaal und rieb sich mit einem Gähnen die Augen. Die letzte Nacht hatte sie wieder wachgelegen. Sie hatte weiter daran gearbeitet, die Enzyklopädie zu rekonstruieren, doch nur wenig hatte es zu Papier geschafft.

Sie lief die Treppe ins Atrium herunter und wollte sich gerade ihren Weg durch die Menschenmenge bahnen, als sie jemand von hinten am Arm packte.

Augenblicklich fuhr sie herum und fand sich Melissa gegenüber.

»Komm mit«, zischte Melissa und zog sie mit sich.

Ehe Kalila protestieren konnte, hatte wurde sie auch schon quer durchs Atrium bugsiert. Die anderen Studenten machten automatisch den Weg frei, als sie das Mädchen mit der seltsamen Frisur sahen. Melissas übergroßer Trenchcoat wehte hinter ihr her, als sie Kalila schließlich über den nächsten Flur und in einen abgelegenen Raum zog.

Dort angekommen ließ Melissa sie los und schloss rasch die Tür hinter ihnen.

Bevor Kalila zu einer Frage ansetzen konnte, kam Melissa ihr zuvor.

»Also, was ist es?«, fragte sie. »Drogenschmuggel, Menschenhandel?«

»Wie bitte?« Perplex starrte Kalila sie an.

Melissa zog die Augenbrauen zusammen. »Ich will wissen, wo du deine Finger drin hast«, erklärte sie. »Nochmal: ist es Drogenschmuggel oder Menschenhandel? Dich hätte ich ja echt nicht für eine Kriminelle gehalten.«

Erst jetzt bemerkte Kalila, dass ihr der Mund offen stand. »Kriminelle?« Dann sagte sie langsam: »Ich bin nicht kriminell.«

Jetzt huschten Zweifel über Melissas Gesicht. Sie musterte Kalila noch einmal von oben bis unten. »Aus irgendeinem Grund glaube ich dir das sogar.« Dann sah Melissa sie eindringlich an. »Schwörst du's? Wäre wirklich nervig, wenn ich dir umsonst vertraue.«

Sie brachte ein Nicken zustande. »Hoch und heilig.«

»Also gut.« Melissa ging zu den großen Fenstern am Ende des Raums herüber und sah mit grimmiger Miene auf den Campus hinaus. Dann wirkte sie mit einem Mal, als habe sie etwas entdeckt und fluchte leise. Mit raschen Handgriffen zog die die Jalousien herunter, sodass sie im Halbdunkel standen.

»Die Polizei ist hier.« In dem spärlichen Licht, das noch in den Raum flutete, erkannte Kalila, dass Melissa sich ihr wieder zuwandte. »Ich hab vorhin mitbekommen, wie sie über dich geredet haben. Die suchen dich.«

Sofort setzte ihr Herz für eine Sekunde aus. Das dufte doch nicht wahr sein. Warum suchte die Polizei nach ihr? Sie hatte doch bereits ausgesagt.

»Steckst du in Schwierigkeiten?«, fragte Melissa.

»Nein«, erwiderte sie, auch wenn das eine Halbwahrheit war. »Ich hab wirklich nichts verbrochen.« Mit einem Mal verstand sie, dass Melissa sie auch genauso gut an die Polizei hätte verpfeifen können, wenn sie Kalila für eine Kriminelle hielt. Stattdessen war sie direkt zu ihr gekommen und hatte sie gewarnt.

Sie will wissen, ob sie mir vertrauen kann.

Aus irgendeinem Grund verspürte sie das Bedürfnis, ihr zu beweisen, dass sie vertrauenswürdig war. »Ein Mädchen, mit dem ich letztes Jahr zur Schule gegangen bin, ist verschwunden. Die glauben, ich hätte was damit zu tun, aber das stimmt nicht.« Wieder ein Halbwahrheit, aber besser als gar nichts. »So gut kannte ich das Mädchen auch gar nicht.« Die letzten Worte brannten wie Säure auf ihrer Zunge. Sie fühlten sich an, als würde sie Erica verraten.

Melissa grinste schief. »Du siehst auch nicht aus, als würdest du in deiner Freizeit Leute kidnappen.« Sie vergrub die Hände in den Taschen ihres Mantels. Das musste eine Angewohnheit von ihr sein. »Ich hab mitangehört, wie die von einem Tagebuch, das aufgetaucht ist, gesprochen haben. Deine Mitschülerin muss dich darin wohl irgendwie erwähnt haben.«

Kalila Edward - RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt