20. Der Teufel im Heuhaufen

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 Keine Namen wurden ausgetauscht. Über ihre letzte Begegnung wurde nicht gesprochen.

Als Kalila und die anderen den Tempel verließen, hatte sie noch immer das Gefühl, die letzte halbe Stunde geträumt zu haben.

Der Mönch hatte nicht nach ihren Namen gefragt; auch nicht nach dem Grund ihres plötzlichen Erscheinens. Im Gegenzug hatten sie auch nicht nach seinem Namen gefragt oder woher er über die Welt des Übernatürlichen Bescheid wusste. Auch wenn die Neugierde ihr unter den Fingernägeln brannte, hatte sie schnell gespürt, dass dies die einzige Begegnungsmöglichkeit mit dem Mönch war; ein anonymes Kommen, ein anonymes Gehen.

Als sie den Parkplatz überquerten, spürte Kalila noch immer den unergründlichen Blick des Mannes im Rücken.

Khemu war der Erste, der es wagte, zu sprechen. »Das war ja mal so ziemlich semi-hilfreich.« Er schnaubte und trat mit seinen schweren Bikerstiefeln nach einem Kieselstein.

»Wenn du mit ›semi-hilfreich‹ kompletter Bockmist meinst, dann ja«, sagte Alice.

»Ich glaube nicht, dass es Bockmist ist«, wandte Caroline ruhig ein. »Selbst ein Denkanstoß ist ein Schritt in die richtige Richtung.«

Kalila wünschte, sie könnte den ewigen Optimismus ihrer Freundin teilen. Missmutig setzte sie sich auf die Motorhaube von James schwarzem Ford und zog die Knie an die Brust.

Der Mönch hatte ihnen auch nicht sagen können, wo sie Pandämonium finden konnten. Dass er aufrichtig mit ihnen gewesen war und wirklich nichts darüber wusste, kaufte Kalila ihm sogar ab. Den einzigen Rat, den er ihnen mitgeben konnte, war, ›sich auf das zu verlassen, was ihr bereits gewonnen habt‹. Was sich nicht nur nach einer miesen Glückskeksweisheit anhörte, sondern auch die piksenden kleinen Nadelstiche ihrer Schuldgefühle verstärkte. All ihr bisher gewonnenes Wissen hatte in dem Buch gestanden, welches dank Kalilas eigener Unfähigkeit Melissa in die Finger bekommen hatte. Selbst wenn sie es zurück hätte, wie sollte ihnen das helfen? In ihm stand nichts über Pandämonium.

»Okay, brainstormen wir«, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel. Den Gesichtsausdrücken der anderen nach zu urteilen, ging es ihnen genauso. »Vielleicht kriegen wir wirklich selbst heraus, wo Pandämonium liegt, wenn wir uns auf unser bereits gewonnenes Wissen stützen.«

Samuel seufzte und betrachtete verdrossen den silbernen Anhänger in seiner Hand. »Das wäre nicht existent.«

»Wenn ihr Dämonen wärt, wo würdet ihr euren Unterschlupf vor menschlichen Augen verstecken?«, fragte sie.

Sofort fingen alle an, wild durcheinander zu spekulieren.

»Auf einem Friedhof?«

»In einer Bibliothek – da geht doch eh niemand hin.«

»In Naturschutzgebieten?«

»Im Zoo – Qarins sehen doch aus wie Tiere.«

»Im Einkaufszentrum!«

Während wild durcheinander diskutiert wurde, wanderten Kalilas Gedanken zurück zu ihrem Gespräch mit Lucius. Der Pfarrer hatte haufenweise strenggläubigen Hokuspokus vom Stapel gelassen – aber in einem schien er voller Überzeugung gewesen zu sein. Er hatte Pandämonium ›die Hölle‹ genannt. Ob das doch wortwörtlich gemeint war?

»Was verbindet ihr mit der Hölle?«, unterbrach sie die anderen. Sofort drehten sich fünf Köpfe zu ihr um.

»Ein dunkler Ort«, Khemu stützte sich nachdenklich auf die Motorhaube, »der von einem Typen mit flammenden blauen Haaren regiert wird.«

»Das ist ein Disneyfilm, du Idiot«, warf Alice ein.

»Ein heißer Ort, wie in einem Vulkan.« Samuel hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte nachdenklich in den Himmel. »Aber kein Ort in unserer Nähe.«

Kalila Edward - RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt