66. Das ganze Puzzle

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Hallöchen ihr wunderbaren Strünke!
Ich habe mich dazu entschieden, meine Uploadtage etwas zu verändern und jetzt immer dienstags, donnerstags, samstags und sonntags zu posten, sodass ihr maximal einen Tag warten müsst. Tatsächlich habe ich echt viele Kapitel vorproduziert und möchte sie unbedingt mit euch teilen können. 😍
Viel Spaß mit dem heutigen Kapitel!
Eure mazerunnerklonk 🖤

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An diesem Tag redete ich kaum. Zum Frühstück war ich nicht gegangen und erst, als Thomas mich holen kam, begleitete ich ihn zum Labor, wo wir heute Vormittag von Shepherd in die Handhabung der Betäubungsgewehre, die mit Serum gefüllt werden und gegen Horden dienen würden, bei denen eine normale Impfung nicht möglich war, eingeführt werden sollten.
Mein Bruder stellte keine Fragen. Er schien zu wissen, dass etwas passiert war und als ich auf dem Weg zum Mittagessen endlich in der Lage war, seine Hand zu nehmen und ihm zu zeigen, was ich so dringend mit jemandem teilen musste, ohne es aussprechen zu können, nickte er einfach. Er verstand mich. Er verurteilte mich nicht für das, was ich getan hatte.
"Er wird es auch verstehen", sagte er leise, als wir ein Stück hinter Francesca und Rachel zurückgefallen waren. Ich wusste, dass er Newt meinte.
Dann nahm er mich stumm in den Arm und drückte mich einen Moment fest an sich.
"Danke, Tommy", flüsterte ich und schluckte die Tränen herunter.
Jetzt war es an der Zeit wieder stark zu sein. Ich wusste, dass ich das konnte. Ich hatte es schon so oft geschafft.
Ich zwang mich also, meinen Teller leer zu essen und mich an dem Gespräch zu beteiligen, dass Jorge und Fry Pan gerade mit Vince über das Fliegen eines Bergs führten. Ich freute mich wirklich für meinen Freund, dass er für den Piloten mehr als nur ein Co-Pilot war und mittlerweile sogar selbst fliegen durfte. Es schien ihm wirklich großen Spaß zu machen. Außerdem war er bereits in der Gedächtniskammer gewesen, genauso wie Gally, und hatte einiges von früher zu erzählen.
Sein bester Freund saß an einem anderen Tisch, zusammen mit Heath, Nico und Minho und unterhielt sich mit ihnen. Ob er ihnen auch von seinen Erinnerungen erzählte? Ich erkannte, dass er anders als ich nicht aufgegessen hatte. Mein Herz zog sich zusammen, aber als unsere Blicke sich trafen und er mir eines seiner schiefen Lächeln schenkte, konnte ich nicht anders, als zurück zulächeln.
Shepherd kam herein und holte jetzt Minho ab, der anders als Newt und Aris nicht von Francesca begleitet wurde. Sie hatte entschieden, zusammen mit Rachel letzte Vorbereitungen und Nachforschungen zu treffen, bevor sie morgen plötzlich wie zwei Ärztinnen in die Welt hinausziehen und Cranks impfen sollten.
Ich stand also auf und folgte ihm und der Frau, ohne etwas zu sagen. Als ich an Newts Tisch vorbeikam, den er sich mit Sonya, Aris, Harriet und Rachel teilte, trafen unsere Blicke sich kurz und er lächelte. Ich erwiderte dies. Heute Abend würde ich ihm erzählen, was zwischen Gally und mir passiert war, auch wenn ich mir sicher war, dass er es ahnte. Auch wenn es in Ordnung für ihn sein würde, ließ es ihn natürlich nicht kalt.
"Dr. Shepherd!", rief ich, als ich den Gang erreichte und die Gespräche der anderen hinter der Tür verstummten. "Lassen Sie mich mit ihm gehen. Ich kenne den Weg."
Die Ärztin nickte und auf Minhos Gesicht konnte ich erkennen, dass er sich wirklich darüber freute, dass ich ihn begleiten wollte.
Wir machten uns also auf den Weg zu Avery. Zuerst sagten wir beide nichts, doch dann durchbrach er die Stille.
"Gally hat es dir gesagt, richtig?"
Ich spürte, dass er mich von der Seite anblickte. Also nickte ich nur.
"Du weißt, dass er das nicht macht, um dir wehzutun. Es war keine leichte Entscheidung für ihn. Aber als Heath und Nico davon erzählt haben, dass sie die Welt entdecken wollen, hat er entschieden, dass es das Beste ist - für euch beide."
Wieder nickte ich. "Ich weiß, Minho. Er hat es verdient, glücklich werden zu können."
"Ja... Ja, das hat er."
Den Rest des Weges schwiegen wir. Erst, als wir den Gang erreichten, an dem das Labor lag, sagte Minho: "Ich hab' Angst. Aber ich bin mindestens genauso neugierig."
"Es ist es definitiv wert", nickte ich. "Du sollst endlich wissen, wie mutig du warst."
Und dass du Recht hattest, mit deiner Vermutung über dich und Ben, fügte ich stumm hinzu.
"Ah, da ist meine Lieblingshelferin ja wieder", begrüßte Avery uns und ich musste beinahe lachen, wäre ich nicht so verwirrt gewesen über diese Freundlichkeit des sonst so mürrischen Mannes. "Du bist als Nächste dran. Dein Bruder kommt zum Schluss."
Ich nickte. Dann erklärte der Arzt Minho kurz, was passieren würde und bat ihn, wie auch Newt am Vortag, seine Kleidung auszuziehen.
Als er in der Gedächtniskammer war, konnte ich auch ihm die Angst ansehen. Aber er wusste, für was er es tat. Er wehrte sich sogar weniger als mein Freund es getan hatte, vielleicht hatte er durch seine Zeit als Läufer eine größere Körperbeherrschung, vielleicht hatte er weniger Angst, vielleicht wurde er auch einfach schneller bewusstlos.
Nach der gleichen Zeit wie am Vortag bei Newt, ließ Avery das Wasser ab und wir arbeiteten wieder Hand in Hand, um Minho auf die Liege zu hieven. Als ich das Bett gerade in den angrenzenden Aufwachraum schob, hörte ich, wie die Luftschleuse benutzt wurde. Ich drehte mich um und erkannte, dass Thomas und Newt hereinkamen. Scheinbar waren sie da, um dabei zu sein, wenn ich meine Erinnerungen zurückbekam. Bei diesem Gedanken ging mein Herz auf.
Ich platzierte Minho also auf der linken Seite des Raums und trat dann wieder heraus in das Labor, um der Vervollständigung meiner Erinnerungen entgegenzutreten. Ohne dass Avery mich dazu auffordern musste, entkleidete ich mich bis auf die Unterwäsche und trat vor die Klappe der Kammer.
"Hey, Anna. Wir sind hier, okay? Wir sind bei dir", sagte Thomas.
"Ich bin da, wenn du wieder aufwachst", nickte Newt.
Ich lächelte die beiden an. "Danke, Jungs. Das bedeutet mir viel."
Dann stieg ich in die enge Kammer, in die man mich die Male zuvor, bevor Minho und ich ins Labyrinth geschickt worden waren, hereingetragen hatte. Avery schloss die Klappe und ich lehnte mich mit dem Rücken dagegen und wartete. Wartete auf das kalte Wasser, wartete auf das Gefühl, zu ertrinken.
Das Wasser umspülte meine Zehen, stieg über meine Knöchel, bis zu meinen Knien. Es war kalt, aber auszuhalten. Ich sah einfach geradeaus durch die Scheibe, blickte Newt in seine wunderschönen braunen Augen, als es jetzt meine Taille erreichte. Er und Thomas standen nah vor dem Glas und blickten mich mit festen Blicken, aber auch mit Sorge darin, an. Wie am Vortag legte ich meine rechte Hand gegen die Scheibe, als das Wasser nun meine Schultern überstieg. Newt legte seine auf der anderen Seite dagegen und nickte aufmunternd. Dann schloss ich die Augen, kurz bevor diese von dem kühlen Nass erreicht wurden.
Und dann ertrank ich, zum vierten Mal in meinem Leben. Ich spürte, wie meine Lungen nach Luft ächzten, die ich ihnen nicht geben konnte, spürte, wie meine Muskeln sich verkrampften. Aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben, begrüßte die Ohnmacht mit offenen Armen. Sie brachte mir endlich das, was mein Kopf schon so lange nach und nach erkämpft hatte.
Da waren sie endlich, alle Erinnerungen, klar, ohne Schleier um sie herum. Sie brachen über mich ein wie eine riesige Welle. Es waren nicht mehr nur einzelne Menschen und Geschehnisse, es waren ganze Szenarien. Ich erkannte Räume, Gesichter, Gefühle. Jede einzelne Erinnerung begrüßte ich mit offenen Armen, wie einen alten Freund, der lange verschollen, aber nicht vergessen gewesen war.
Ich sah Thomas und mich als Kinder, sah uns mit unseren Eltern, erkannte den Keller wieder, in dem wir uns versteckt hatten, wusste wieder, wo er gewesen war. Ich erinnerte mich an all die Jahre bei WICKED, in denen ich nicht gewusst hatte, was die Leere in mir zu bedeuten hatte, warum ich mich nicht an meine Vergangenheit hatte erinnern können. Ich sah, wie meine Freunde auftauchten, beobachtete, wie Gally und ich vom ersten Tag an unzertrennlich gewesen waren, wie er mich immer beschützt hatte. Ich erkannte Minho, Fry Pan, Alby, Ben, Nick, Zart, Winston, Heath. Ich sah Rachel und mich, wie wir uns um die Kinder gekümmert hatten, erkannte Chucks Locken, seine Grübchen. Und ich sah, wie sie alle verschwanden, einer nach dem anderen. Sah Thomas, wie er Teresa traf, wie er immer unglücklicher über das aussah, was er da tat. Ich erinnerte mich sogar daran, wie ich erfahren hatte, dass WICKED dabei war, riesige Labyrinthe zu bauen, dass Thomas und Teresa ihnen dabei halfen, noch bevor Alby, Nick und George dann verschwunden waren.
George... Ich erinnerte mich daran, wie ich davon erfahren hatte, dass eine neue Gruppe aus Kindern angekommen war, aus einem der Camps. Und ich erinnerte mich an ihn, wie er tagelang, ja, wochenlang bei jeder Mahlzeit dagesessen und nichts angerührt hatte. Alby hatte mir erzählt, dass WICKED seine Schwester zurückgelassen hatte, weil sie nicht immun gewesen war. Er hatte mir leid getan.
Irgendwann waren sie alle da. Alle Schleier waren verschwunden und meine Vergangenheit lag so klar vor mir, wie ich es niemals für möglich gehalten hatte.
Langsam öffnete ich die Augen. Das helle Licht der Deckenlampen blendete mich und ich hob eine Hand, um mich davor zu schützen. Leise keuchend versuchte ich mich aufzusetzen. Da erkannte ich, dass ich nicht alleine war. Newt und Minho saßen links und rechts von mir. Ersterer war näher an meinem Kopf und half mir jetzt, mich aufzurichten, indem er mich vorsichtig hochzog und mein Kissen so aufstellte, dass ich mich anlehnen konnte.
"Danke", krächzte ich.
"Wie geht's dir?", fragte mein Freund mich und griff meine linke Hand.
Hinter ihm konnte ich Thomas noch bewusstlos auf dem dritten Bett erkennen, auf dem Newt am Tag zuvor gelegen hatte.
"Gut... Mir geht's gut", entgegnete ich. "Kopfschmerzen, sonst nichts. Aber das war es wert."
Minho auf meiner anderen Seite nickte und zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
"Definitiv", stimmte er mir zu.
"Minho, ich... Wegen Ben...", begann ich, aber er unterbrach mich.
"Ich weiß. Aber du hattest Recht damit, es mir nicht zu sagen. Es gibt Dinge, an die wir uns selbst erinnern müssen."
Ich nickte langsam. So war es uns wohl allen gegangen. Newt und Sonya, Minho und auch uns anderen.
"Fühlt sich ziemlich verrückt an, plötzlich wieder zu wissen, wer man vor dem Labyrinth war, hm?", fragte Newt.
"Und das aus dem Mund von dem, der meinte, es sei egal, wer wir gewesen sind", witzelte Minho.
"Tja, ich schätze ich habe meine Meinung geändert", lächelte Newt. "Es gibt einfach viel zu viele schöne Dinge, die es wert sind, dass man sich neben ihnen auch an den Schmerz erinnern muss."
Bei diesen Worten strich er mir zärtlich eine Strähne aus der Stirn.
"Auch der Schmerz ist es wert, dass wir uns daran erinnern. Ohne ihn wären wir nicht die Menschen, die wir heute sind. Er hat uns stärker gemacht", entgegnete ich.
Die beiden Jungen nickten stumm.
Irgendwann konnte ich aufstehen und mich an Thomas' Bett setzen. Minho entschied sich, uns alleine zu lassen und nach Rachel zu suchen. Außerdem wollte er Francesca von seinen Erinnerungen erzählen. Newt zog sich seinen Hocker ebenfalls näher an das Bett seines besten Freundes und zusammen saßen wir da und betrachteten ihn, wie er so dalag, als schliefe er friedlich.
"Newt?", fragte ich nach einer Weile.
"Hm?"
"Wir müssen später über etwas reden", sagte ich ohne von Thomas' Gesicht aufzusehen.
"Bist du sicher, dass wir das müssen?", fragte er da.
Überrascht sah ich auf und blickte in seine braunen Augen.
"Du und Gally wisst beide, dass es in Ordnung für mich ist. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht einmal damit gerechnet habe, dich jemals wiederzusehen, geschweige denn, dass du mich dann immer noch wollen könntest. Und es stimmt. Ich habe das größte Glück dieser Welt, dass ich dich an meiner Seite habe und weiterhin haben darf. Aber ich bin trotzdem auch nur ein Mann, der seine Freundin beschützen möchte. Und ich bin eifersüchtig. Ich weiß, dass, was auch immer es genau war, notwendig war, dass es auch für dich wichtig war. Aber ich möchte es nicht wissen. Ich möchte Gally nicht die Nase brechen wollen."
Noch immer sah ich ihn mit großen Augen an, als er eine Hand nach mir ausstreckte und die meine drückte.
"Hey", sagte er sanft. "Ich liebe dich über alles. Und ich möchte endlich einfach nur dein Freund sein können, dein Mann. Vergessen wir, was passiert ist, vergessen wir, was hätte sein können. Lass uns einfach nur zusammen sein. Natürlich nur, wenn du das auch immer noch willst."
Wieder waren mir Tränen in die Augen gestiegen und der Kloß in meinem Hals war zurück.
"Natürlich will ich das. Ich werde nie etwas anderes wollen", flüsterte ich, stand auf und umarmte ihn, küsste ihn.
Und es stimmte. Solange ich Newt an meiner Seite hatte, konnte ich alles überstehen, ganz egal wie sehr es wehtat. Er war und würde immer mein Seelenverwandter bleiben. Mein Held.

Till The WICKED End | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt