78. Eine unerwartete Wendung

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich mich nur noch dunkel an das erinnern, was am Abend zuvor passiert war. Ich schob es beiseite und entschied, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Tatsächlich sollte es noch mehrere Wochen dauern, bis ich wieder daran dachte.
Wir hatten Alaska hinter uns gelassen, hatten Yukon, die Nordwestterritorien, Nunavut und Manitoba "gesäubert", wie Avery es zu nennen begonnen hatte, und befanden uns in Ontario, wo wir uns Toronto immer mehr näherten - die erste Stadt, in der wir gesunde Menschen erwarteten. Shepherds Teams befanden sich am nächsten bei uns, in Saskatchewan und würden zu uns stoßen, bevor wir uns auf die Stadt konzentrieren würden, während Averys Teams in Alberta waren. Bald, ungefähr zeitgleich mit unserem Ankommen in Toronto, würden sie sich nach Vancouver aufmachen, der einzigen anderen Stadt Kanadas, die uns noch fehlte und in der WICKEDs Späher Leben ausgemacht hatten.
Es war ein lauwarmer Tag. Newt, Gally, Fry Pan und ich befanden uns ungefähr auf halben Weg zwischen dem Punkt, an dem Jorge uns dieses Mal abgesetzt hatte, und der nördlichen Grenze Torontos und liefen nun schon seit mehreren Stunden am Ufer eines großen Sees entlang, den Newt als den Lake Simcoe identifiziert hatte, als dieser uns auf ein großes Gebäude aufmerksam machte, das noch erstaunlich gut in Schuss zu sein schien.
"Hey, Leute, sieht so aus, als könnten sich da Cranks drinnen verstecken, was meint ihr?", fragte er und deutete auf das, was ich für eine alte Fabrik hielt.
"Da könntest du Recht haben, Mann", nickte Fry Pan.
"Na, dann lasst uns nachschauen", sagte ich und steuerte darauf zu.
Mittlerweile waren wir ein eingespieltes Team geworden. Als wir das Gebäude erreichten, suchten Gally und Newt nach einem Eingang, während Fry Pan und ich uns um das Serum kümmerten. Nach dem Vorfall in dem Keller, bei dem der Junge namens Tom mich gebissen hatte, waren wir stets so vorbereitet, dass jeder einige Kanülen mit Serum bei sich hatte. Außerdem kontrollierten wir die drei Gewehre mit Serum.
Es dauerte nicht lange und die beiden anderen kamen wieder und verkündeten, dass sie eine Tür gefunden hatten, die wir würden aufbrechen können. Wir folgten ihnen und Gally machte sich an dem Schloss zu schaffen, während wir noch einmal checkten, ob all unsere Sachen an ihrem Platz waren.
"Ich hab's. Bereit?"
Wir nickten.
"Mach auf, Gally", entgegnete Fry Pan.
Das Schloss klickte uns die Tür schwang auf. Gally ging als erstes hinein, sicherte die Umgebung und winkte uns dann zu sich.
Im Inneren war es dunkel. Wir schalteten unsere Taschenlampen ein und leuchteten die riesige Halle aus, deren Decken bis zum Dach des Gebäudes reichten.
"Sieht ziemlich verlassen aus", stellte Newt fest.
"Zumindest riecht es hier nicht nach Cranks", stimmte Gally ihm zu.
"Seht mal, da vorne. Da geht es glaube ich noch weiter", flüsterte Fry Pan und deutete auf eine Tür auf der anderen Seite der Halle.
"Gehen wir nachsehen." Ich nickte.
So leise wie möglich durchquerten wir die Halle. Ich konnte mir vorstellen, dass hier einmal viele Maschinen gestanden hatten. Wahrscheinlich hatte man Holz verarbeitet. Ich wusste, dass Kanada für seine Forstwirtschaft bekannt gewesen war, bevor die Sonne die Erde verbrannt hatte.
Gally öffnete auch diese Tür, die nicht verschlossen war und mit einem Quietschen aufging. Dahinter wurde der Blick auf einen Flur frei, der sich nach links und rechts entlang der Halle erstreckte. Wir leuchteten ihn entlang, konnten aber nichts erkennen.
"Sollen wir uns aufteilen?", fragte Fry Pan in die Stille hinein.
"Lieber nicht. Wir wissen nicht, wie weit es in die beiden Richtungen geht. Das hier ist ein anderer Teil des Gebäudes, den wir von draußen noch nicht gesehen haben. Seht ihr? Die Wände sind nicht aus Wellblech", sagte Newt.
"Klinkersteine", nickte ich.
"Na schön, wohin zuerst?", fragte Gally.
Wir entschieden uns dafür, nach rechts abzubiegen, wo der Gang bald einen Knick nach links machte. Schon bald erreichten wir einen langen Raum, der allerdings nicht so hohe Decken hatte, wie die Halle am Anfang. Ob das Holz hier weiterverarbeitet worden war?
In der Mitte befand sich ein Fließband, das sich ein gutes Stück zog, bis es in der nächsten Wand, einige zig Meter von uns entfernt, verschwand. Fry Pan und ich liefen auf der rechten Seite der Maschine, während Newt und Gally sich auf der linken umsahen, als plötzlich ein Schrei ertönte und ein Crank aus dem Loch stürzte, in dem das Fließband verschwand, nur wenige Meter von Fry Pan und mir entfernt. Er schlug wild mit den Armen und wollte auf meinen Nebenmann losgehen.
"Pan, Achtung!", rief ich entsetzt. Es war zu spät, um mit dem Gewehr zu schießen.
Instinktiv griff ich ihn am Arm und riss ihn zur Seite, wobei er auf mir landete, der Crank über ihm.
"Anna, Fry!", hörte ich Gally entsetzt rufen. "Newt, komm schon! Das Serum!"
"Ja! Ja!", entgegnete dieser.
Doch die beiden waren zu langsam und Newt zu weit weg, als dass er in der Dunkelheit hätte treffen können. Über mir versuchte der Crank jetzt Fry Pan zu beißen. Verzweifelt versuchte ich, an mein Serum heranzukommen.
"Ich muss schießen! Ich komme nur an meine Pistole ran, Anna! Was soll ich tun?", stieß der Junge über mir entsetzt hervor, als er verzweifelt versuchte, den Zähnen des Infizierten auszuweichen.
"Tu es! Schieß! Ich komm' nicht an das Serum ran!"
Dann ging alles schief. Fry Pan schaffte es irgendwie, seine Pistole zu ziehen. Gerade, als er abdrückte, sorgte der Crank durch ein wildes Zucken dafür, dass er sie in die völlig falsche Richtung abfeuerte. Die Kugel flog in Richtung Decke und traf dort das Dach, das ein lautes Ächzen von sich gab.
"Oh, shit! Shit! Shit!", stieß Gally hervor. "Newt, runter! Komm her, wir müssen durch die Tür!"
Die Decke gab nach und begann, in der Mitte zu kollabieren. Ziegel fielen auf den Boden, Balken kamen tosend herunter.
"Anna! Pan!", brüllte Newt.
Über mir spürte ich, wie Fry Pan all seine Kraft zusammennahm und den Crank von sich wegstieß. Mit einem Brüllen kam er einige Meter von uns entfernt auf dem Boden auf, nur um im nächsten Moment von einem Balken erschlagen zu werden. Ich stieß einen entsetzten Schrei aus. Dann war Fry Pan auf den Beinen, packte mich, zog mich auf die Füße und riss mich mit sich.
"Wir müssen hier weg! Komm schon!", rief er.
Geduckt rannten wir auf unsere einzige Chance auf Flucht zu - dem Loch, in dem das Fließband verschwand. Fry Pan schubste mich förmlich hinein und folgte mir dann. Auf allen Vieren krabbelten wir einige Meter weit, dann um eine Kurve. Sonnenlicht schien mir entgegen und kurz darauf sprang ich aus einem Loch in der Außenwand und landete auf sandigem Boden. Außer Atem ließen wir uns auf die Knie fallen und blickten zurück in das Loch, das uns das Leben gerettet hatte.
"Pan, was ist mit Newt und Gally?", fragte ich entsetzt.
Das Rumoren des einstürzenden Gebäudes war noch immer zuhören.
"Sie haben es rausgeschafft. Sie sind auf der anderen Seite des Gebäudes. Ich bin sicher", keuchte er.
"Wir haben kein Walkie. Wir müssen zu ihnen! Sofort!"
Er nickte. "Ja. Ja, komm. Hier lang."
Wir kamen wieder auf die Füße, klopften uns die Kleidung sauber. Gerade, als ich mich umdrehen wollte, um mich zu orientieren, hörte ich das unverkennbare Geräusch mehrerer Waffen hinter mir, die entsichert wurden. Mitten in der Bewegung gefror ich zu Stein.
"Hände hoch", sagte eine kalte Stimme.
Langsam hoben wir die Arme. Ich sah zu Fry Pan auf und konnte auf seinem Gesicht blankes Entsetzen sehen.
"Und jetzt ganz langsam umdrehen."
Wir taten, wie uns geheißen. Im nächsten Moment blickten wir in den Lauf von vier Gewehren, die allesamt einer Gruppe von Männern, gekleidet in dreckige Mäntel, gehörten.
"Bitte, hören Sie, wir sind nicht hier, um Ärger zu machen. Wir wollen helfen", begann Fry Pan.
"Oh, natürlich." Der Blick des Mannes, der mir am nächsten war, wanderte über meine kugelsichere Weste und blieb an dem kleinen Logo hängen, das auf ihrer Brust eingestickt war.
"Lasst mich raten: 'WICKED ist gut'?"

Till The WICKED End | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt