43. Gefangen in einem Albtraum

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"Minho?", rief ich und beschleunigte meine Schritte. "Minho, wo bist du?"
"Anna! Hilfe, Klonk! Hilf mir!"
Schlitternd bog ich um die nächste Ecke. Mir bot sich der Anblick, vor dem ich all die Jahre, die wir nun schon hier raus liefen, die größte Angst gehabt hatte. Minho war auf allen Vieren und versuchte, vor dem Griever, der über ihm stand, wegzukriechen, aber das spinnenartige Wesen, halb Maschine, halb organisch, packte ihn mit dem Greifer an seinem Schwanz und hielt ihn fest.
"Nein, Minho!", schrie ich.
Geistesabwesend griff ich mir an den Hosenbund, um meine Pistole herauszuholen, aber sie war nicht da.
Moment, was?
Wie kam ich auf die Idee, ich könnte eine Pistole bei mir haben? Auf der Lichtung gab es keine Schusswaffen. Wieder durchfuhr ein stechender Schmerz meinen Kopf.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Alles, was mir zum Kämpfen blieb, war mein Messer, das ich jetzt ergriff und mit einem Schrei auf den Griever zusprang. Mit aller Kraft schlug ich auf den Schwanz ein, der noch immer Minho auf den Boden drückte.
"Runter von ihm, du Mistvieh!", brüllte ich und schaffte es, den Griff des Wesens zu lösen, als es durch mich abgelenkt war.
Dies nutzte Minho, um unter ihm wegzukriechen und schwankend auf die Füße zu kommen. Auch er stürzte jetzt vor und gemeinsam schafften wir es, den Greifer abzutrennen.
"Lauf!", rief ich und drehte mich auf dem Absatz um.
Wir sprinteten los waren im nächsten Moment um eine Ecke verschwunden.
"Los, zur Lichtung! Die Tore sind nicht mehr lange offen, da können wir ihn abhängen!", keuchte Minho, während wir Seite an Seite durch die Gänge des Labyrinths rannten.
"Wurdest du gestochen?"
"Nein. Nein, wurde ich nicht. Alles gut. Du hast mich schon wieder gerettet."
Ich schüttelte beim Laufen mit dem Kopf. Dieses Mal war es eindeutig zu knapp gewesen.
Wir bahnten uns unseren Weg zwischen den Mauern hindurch. Gerade, als ich beinahe sicher war, dass wir das Monster abgehängt hatten, rutschte ich plötzlich aus und fiel der Länge nach hin, wobei ich mich einmal überschlug, da mein Schwung mich weiterzog.
Auch Minho kam schlitternd zum Stehen und war sofort an meiner Seite, um mir zu helfen.
"Alles okay?", fragte er.
Ich nickte benommen. Ich war auf den Kopf gefallen, weshalb sich alles um mich herum drehte.
Doch im nächsten Augenblick war ich wieder völlig bei mir, denn hinter uns ertönte ein ohrenbetäubender Schrei.
"Shit!", stieß Minho hervor, als der Griever um eine Ecke bog.
Er sprang auf und wirbelte zu ihm herum. Ich versuchte, auf die Füße zu kommen, wurde aber von dem Schwindel überrascht, der stärker war, als ich erwartet hatte, nachdem ich vor einer Sekunde noch wieder so klar hatte denken können.
"Minho, nein!", brüllte ich, aber es war zu spät.
Er war dem Griever entgegengesprungen und hatte ihm seine Machete mitten ins Gesicht gerammt. Kurz dachte ich, er hätte es geschafft und das Wesen tatsächlich umgebracht, aber da erkannte ich, dass etwas ganz gewaltig schief lief. Der Griever gab einen markerschütternden Schrei von sich, strauchelte und fiel dann hin, wobei er Minho unter sich begrub.
"Minho!", stieß ich entsetzt hervor.
Endlich schaffte ich es, auf die Beine zu kommen und auf den Haufen aus dem Monster und meinem Hüterkollegen zuzustürzen. Das Ding zuckte noch ein paar Mal, bevor es endgültig erschlaffte.
"Minho! Minho!"
Er gab ein ersticktes Stöhnen von sich.
Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen die Grieverleiche und schob sie von ihm herunter.
"Shit! Minho!" Ich ging neben ihm auf die Knie.
"Alles gut, alles gut", keuchte er.
Aber ich sah, dass überhaupt nichts gut war. Als der Griever gestrauchelt war, hatte er ihn nicht nur unter seinem Körper begraben, er hatte ihm eins seiner Beine, die aus spitzem Metall bestanden, mitten in den Bauch gerammt.
"Nein, nein, nein!", schluchzte ich und begann sofort, auf die Wunde zu drücken, die bereits stark blutete und sein hellblaues Oberteil rot färbte.
Minho röchelte. "Tut mir leid -... Tut mir leid, Anna."
"Sieh mich an, okay? Du musst bei mir bleiben. Bleib wach, Minho!", stieß ich hervor.
Aber sein Blick wurde bereits trüber.
"Du musst zur Lichtung..."
"Nein! Ich lasse dich nicht alleine, hörst du? Wir passen immer aufeinander auf!"
"Ich... Ich werd's nicht schaffen. Du musst zurück laufen, bevor mehr von diesen Dingern kommen." Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
"Nein...", schluchzte ich.
Er nahm meine Hand und zwang mich somit, diese eine von seinem Bauch zu nehmen.
"Ich möchte, dass du jetzt gehst. Du musst leben, Anna. Tu's für mich." Ich erkannte Tränen in seinen Augen. "Pass auf diese Strünke auf."
Da ertönte ein Schrei, nur wenige Gänge entfernt. Entsetzt sah ich in die Richtung, aus der er gekommen war.
"Geh jetzt!", presste Minho mit letzter Kraft hervor und drückte mich von sich weg.
Ich stand auf und sah zu ihm herunter. "Es tut mir so leid..."
"Geh...", flehte er, als ein weiterer Schrei, dieses Mal näher, durch das Labyrinth hallte.
Ich drehte mich um und rannte los. Tränen rannen meine Wangen herunter und ich konnte kaum erkennen, wo ich hinlief, während ich mich immer weiter von dem Griever und somit auch von Minho entfernte, den ich sterbend zurückgelassen hatte. Beinahe hoffte ich, dass dieses Ding ihn fand und es schnell beendete, damit er nicht noch länger leiden musste.
Ich rannte und rannte, blind vor Tränen und hielt erst an, als ich ausreichend Strecke zwischen mich und den Griever gebracht hatte. Keuchend stützte ich mich auf den Knien ab und schluchzte unkontrolliert auf.
So verharrte ich einige Zeit, bis ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, als plötzlich ein neues Geräusch aufkam. Es klang so, als würde jemand neben mir auf der Mauer entlanglaufen. Kurz dachte ich, es wäre ein Griever und ich wäre verloren, aber als ich verwirrt aufsah, erkannte ich eine menschliche Gestalt. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich erkannte, wer es war.
"Newt?", fragte ich überrascht.
Die Gestalt hielt inne, drehte sich aber nicht zu mir um.
"Was machst du denn hier?"
Er schien mit sich zu ringen, schüttelte dann mit dem Kopf und wollte schon weiter laufen, als ich es erneut versuchte: "Newt! Was ist hier los?"
"Geh", entgegnete er nur.
Noch verwirrter trat ich jetzt näher zu der Mauer, auf der er noch immer stand, ohne mich anzusehen.
"Was?"
"Geh einfach. Ich muss das tun. Ich kann einfach nicht mehr. Ich halte das nicht aus."
"Wovon redest du? Was meinst du?" Ein mehr als ungutes Gefühl machte sich in mir breit.
Aber er schüttelte nur noch einmal den Kopf und rannte dann unvermittelt los, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
"Newt!", stieß ich entsetzt hervor, aber ich konnte nichts tun. Mir blieb einfach keine Zeit.
Newt sprintete förmlich über die Mauer und alles, was mir übrig blieb, war im Gang darunter neben ihm herzulaufen, als er plötzlich einen Satz zur Seite machte und sprang. Ich schrie auf, kam schlitternd zum Stehen und schlug mir die Hände vor den Mund. Nur wenige Meter vor mir, schlug er jetzt mit einem dumpfen Geräusch und dem Knacken von brechenden Knochen auf dem Boden auf.
"Newt!"
Ich wollte zu ihm laufen, mich neben ihn werfen und ihm helfen, aber meine innere Stimme hielt mich davon ab. Viel zu zerrissen war ich bereits von Minhos Schicksal, als dass ich auch nur einen genaueren Blick auf den schlaffen Körper meines Freundes, mit unnatürlich abgespreizten Gliedmaßen hätte werfen können, ohne ohnmächtig zu werden.
Wieder schluchzte ich auf, machte instinktiv aus Selbstschutz auf dem Absatz kehrt und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Ich rannte und rannte, bis meine Kehle brannte und meine Beine nachzugeben drohten. Da erkannte ich, dass ich unbewusst geradewegs auf die Lichtung zugelaufen war.
Erst jetzt fiel mir auf, dass es mittlerweile fast völlig dunkel war. Warum war das Tor noch offen?
Ich joggte die letzten Meter, bis ich das Gras erreichte, stützte mich auf meinen Knien ab und versuchte, zu Atem zu kommen, als ich plötzlich ein Wimmern nur wenige Meter entfernt vernahm.
Verwirrt sah ich auf und erkannte Blut neben meinem Füßen, dessen Spur ein Stück weiter führte, so als hätte jemand sich hier entlang geschleppt. Ich folgte der Spur und entdeckte ein zusammengekauertes Bündel, das im Gras lag.
"Tommy?!", stieß ich entsetzt hervor.
Mit einem Satz war ich neben ihm und auf den Knien.
"Was ist passiert?"
"Du musst dich verstecken... Es ist WICKED, sie... Sie haben ihn verrückt werden lassen."
"Was? Wen? Wovon redest du?"
"Er hat eine Waffe, Anna!", keuchte Thomas.
Jetzt erkannte ich, warum so viel Blut auf dem Boden verteilt war. Thomas hielt sich den Bauch und mir wurde klar, dass er angeschossen worden war.
"Wer -? Wer hat dir das angetan?", fragte ich.
Gerade, als er antworten wollte, hörte ich plötzlich Schritte hinter mir und wirbelte herum. Ein breiter Mann, bestimmt zwei Köpfe größer als ich, kam auf mich zu. Ich erkannte eine Pistole in seiner rechten Hand, die er allerdings nicht auf mich richtete - noch nicht.
"Gally?!"

Till The WICKED End | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt