80. Ein stummer Schrei

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Wie erstarrt stand ich da, gegen die Wand gedrängt. Mit seiner anderen Hand griff er mir jetzt an die Hüfte und zog mich näher an sich heran. Entsetzt keuchte ich auf, versuchte, mich gegen seinen Griff zu stemmen, aber er packte mir einfach auch mit der anderen Hand an die Hüfte.
Dann, als er mit seinen Händen zu meinem Hintern fuhr, explodierte etwas in mir. Ich würde nicht zulassen, dass mir das hier passierte. Ich würde ihn nicht mit mir tun lassen, was er vorhatte. Mit einem Schrei trat ich mit dem Knie zu und traf ihn genau dort, wo ich ihn hatte treffen wollen. Dann holte ich mit der rechten Faust aus und boxte ihm mitten ins Gesicht, als sein Körper sich zusammenkrümmte.
"Du Misststück!", stieß er hervor.
Er taumelte einige Schritte zurück, schoss dann vor und packte mich an den Haaren. Dann holte er aus und schlug mir so hart ins Gesicht, dass ich zu Boden ging. Benommen kauerte ich da, hörte, wie er nach seinen Leuten rief, wie die Tür aufging und mich Arme packten.
"Fesselt sie! Bringt sie zu dem Anderen. Heute Abend wird sie dafür bezahlen", sagte er.
Jemand riss mich auf die Füße. Derek kam jetzt ganz nah an mein Gesicht heran und als er sprach, spürte ich Speicheltröpchen, die mir entgegen flogen.
"Wir werden ihn töten, deinen kleinen Freund und du wirst zusehen. Und dann dürfen meine Männer mit dir machen, was sie wollen. Wie gefällt dir das? Wenn du mich nicht willst, dann sicherlich sie, hm?"
Ich konnte nicht anders, als jetzt jemand begann, mir die Hände auf dem Rücken zu fesseln, ich brüllte ihn einfach an.
"Wichser!", schrie ich, dann spuckte ich ihm mitten ins Gesicht.
Ein zweites Mal holte er aus und schlug mich. Sofort schmeckte ich Blut. Meine Lippe musste aufgeplatzt sein. Benommen spürte ich, wie man mich aus dem Raum schliff und die Tür ins Schloss fiel.
Während irgendjemand mich durch die Gänge schleifte, spürte ich, wie mein Bewusstsein zu schwinden drohte. Aber ich musste etwas tun, jetzt, andernfalls würden sie Fry Pan töten und mich am Ende auch.
Und da, ganz plötzlich, fiel mir das Gefühl wieder ein, das ich vor Wochen am Lagerfeuer gehabt hatte, nachdem Tom mich gebissen hatte. Ganz kurz hatte ich gedacht, Thomas in meinem Kopf zu spüren, obwohl wir uns nicht an den Händen gehalten hatten.
Ich nahm all meine Kraft zusammen, glaubte nicht daran, dass es klappen konnte. Aber ich musste es einfach versuchen. Mit jeder Faser meines Körpers dachte ich an meinen Bruder, stellte ihn mir vor, stellte mir vor, wie ich in seinen Kopf eindrang, so wie schon so oft. Vielleicht bildetete ich es mir ein, aber mir war, als würde ich durch meine geschlossenen Augen plötzlich Licht sehen. Dann sah ich Newt und Gally, die vor mir standen, völlig außer Atem. Ich konnte nur ihre Umrisse erkennen, aber ich war sicher, dass sie es waren.
Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Kopf. Aber war es mein eigener? Es fühlte sich an, als würde ich ihn doppelt spüren, in zwei Köpfen - in meinem Kopf und in Thomas' Kopf. Er war so überwältigend, dass ich spürte, wie die Ohnmacht sofort drohte, mich zu packen.
Tommy!, dachte ich, schrie es in meinem Kopf, in seinem Kopf.
Mein Bewusstsein entglitt mir mehr und mehr, viel zu groß war die Anstrengung, der ich es aussetzte. Mit letzter Kraft dachte ich zwei Worte. Und betete, dass er es hörte.
Richmond Hill.
Dann wurde alles dunkel.

"Anna! Hey, Anna!"
Jemand rüttelte an meiner Schulter. Mit einem Stöhnen richtete ich mich unbeholfen auf, weil ich meine Arme nicht benutzen konnte, und erkannte, dass es Fry Pan war, der neben mir kniete und mich mit großen Augen anblickte.
"Gott sei Dank, da bist du wieder", stieß er hervor.
"Pan... Was ist passiert?", murmelte ich benommen.
"Ein paar von den Kerlen haben dich hergebracht. Du blutest", erklärte er und ich spürte, wie er mir ein Stück Stoff auf die Unterlippe drückte. Anders als ich war er nicht gefesselt.
"Was ist da oben passiert?"
"Dieser Mann, Derek, er wollte mich anfassen. Er..." Aber weiter kam ich nicht.
Tränen stiegen mir in die Augen und Fry Pan strich mir beruhigend über die Schulter, bis ich es geschafft hatte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Dieser Mistkerl hatte es nicht verdient, dass ich seinetwegen weinte.
"Ich hab ihn getreten, geschlagen, mich gewehrt. Dann hat er mich halb k.o. geschlagen und seine Männer gerufen, damit sie mich herbringen."
"Die haben etwas von 'Das wird ein Spaß heute Abend' gefaselt. Was hat das zu bedeuten?"
"Die wollen uns töten, Pan..."
Er starrte mich mit großen Augen an. In seinem Blick konnte ich genau die Angst erkennen, die ich spürte.
"Wir müssen versuchen, hier irgendwie herauszukommen. Wir müssen von hier verschwinden", flüsterte ich.
Ich sah mich in dem kleinen Raum um, in dem wir uns befanden. Durch ein Fenster, viel zu klein um hindurchzuklettern, über unseren Köpfen konnte ich erkennen, dass es noch hell draußen war. Es war also noch nicht zu spät. Auf der anderen Seite des Raumes war eine Zellentür eingelassen, vergittert.
"Wie lange sind wir hier?", fragte ich Fry Pan.
"Du warst ziemlich lange bewusstlos, mehrere Stunden. So lange, dass ich sicher war, dass es nicht an einem Schlag gegen den Kopf liegen kann. Ich hab mehrfach versucht, dich wach zu bekommen, aber erst vor ein paar Minuten hast du angefangen, dich wieder zu regen."
War ich so lange bewusstlos gewesen wegen dem, was ich versucht hatte? Hieß das, es hatte funktioniert?
"Sieh dir das Sonnenlicht an. Sieht aus wie später Nachmittag..."
Er nickte. "Uns bleibt nicht viel Zeit."
"Kannst du dir die Tür ansehen? Was ist das für ein Schloss? Kannst du es irgendwie knacken?"
Fry Pan stand auf und begutachtete die Tür in dem dämmrigen Licht.
"Nicht mal wenn ich annähernd so gut darin wäre wie Gally, würde ich das aufbekommen. Wir haben nichts, was ich benutzen könnte."
Ich nickte, schloss die Augen für einen Moment, suchte verzweifelt nach einer Idee. Aber es wollte mir einfach nichts einfallen.
Fry Pan kam jetzt zurück zu mir, umarmte mich stumm, legte sein Kinn auf meinen Kopf. Ich spürte, wie ich vor Angst zu zittern begann, spürte, wie seine Tränen auf meine Haare tropften.
Und dann konnte auch ich den ersten Schluchzer der Verzweiflung nicht mehr zurückhalten.

Till The WICKED End | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt