Kapitel 1

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Der Wind blies die losen Blätter über den Asphalt. Der Himmel verfärbte sich leicht rosa, Vögel zogen ihre Züge. Der Abend kehrte in Cergy, Frankreich, ein.

Jadora Roux saß in der Küche ihres Hauses und rührte in ihrem Müsli. Ihr Vater saß bei ihr am Tisch und laß seine Zeitung. "Wie war dein Tag?", fragte er. "Ging schon", antwortete sie und legte den Löffel weg,,,keinen Hunger!" Jadora stand auf und ging zum Fenster. "Ist alles okay? Hast du Probleme in der Schule?", wollte ihr Vater wissen. Ja neigte leicht den Kopf und rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn. "Ja...Ich habe die Mathearbeit versaut!" Kurz war es still. "Aber das ist doch nicht so schlimm. Weißt du, wie schlecht ich in der Schule war?" Ihr Dad lachte leise auf. Jadora wandte sich zu ihm um und hob eine Augenbraue: "Ja schon, aber nicht, wenn man die Klassenbeste ist".

Mit einem Ruck drehte sie sich wieder zum Fenster hin. Sie sah einem Blatt hinterher, welches die Avenuestraße entlangrollte. Es war sehr still, alle waren in ihren Häusern. Es war ein Sturm vorrausgesagt worden, klar, dass da keiner draußen war!

Die dunklen Wolken bauschten sich am Horizont auf, bereit über die Stadt herzufallen. In der Ferne grollte ein Donner und ein Blitz durchzuckte die gespenstige Stille. "Du must dich nicht immer so unter Druck setzten. Ja, wo wir gerade dabei sind, könntest du bitte die Post holen?", wollte ihr Dad wissen und räumte die Spülmaschine ein. Er hatte nicht mehr gesagt und schien auch nicht über die schlechte Note sauer zu sein. "Klaro, mach ich".

Sie zog sich ihre dünne Jacke über und trat hinaus in den Wind. Dort blieb sie stehen und schloss die Augen. Jadora liebte den Wind, das war seit klein auf schon so gewesen. Windfänger, hatte ihre Mutter sie laut ihrem Vater immer genannt. Ein Lächeln zuckte über ihr Gesicht, während die zum Briefkasten schlenderte, der an dem Zaun angebracht war. Im Fach lag ein Brief.  Er war aus weißem Blütenpapier und roch auch ganz dezent nach Blumen. Jadora nahm ihn an sich und studierte interessiert den Absender. Der blumige Duft kitzelte sie in der Nase.

"Ssshh!" Sie drehte sich um, doch da war nichts. Es kam aus dem Himmel. Vielleicht ein Vögel? Sie legte den Kopf in den Nacken und bekam einen Tropfen Wasser ins Gesicht. Sie lachte erschrocken auf.

Ein Lufthauch striff Jadora, sie zuckte zusammen. Stimmen redeten, schwarzer Rauch gringelte sich am Himmel. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Was war das bloß? Der Rauch kam näher, umschloss sie. Sie meinte, dass sie Konturen eines Armes wahrnehmen konnte. Dicke, elegante Muskeln. Münder, mit rasiermesserscharfen Zähnen.

Er schlang sich um sie, drohte sie zu ersticken..aber dann war der Rauch plötzlich weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Jadora schnappte nach Luft und presste sich panisch eine Hand auf die Brust. Ihr Atem kam nur stoßweise und sie hatte Angst daran zu ersticken. Die Luft brannte höllisch in ihrer Lunge, jeder Atemzug glich einem Feuer. Ja hielt nur mit Mühe die Tränen zurück und eilte zügig ins Haus. Ihr Kopf pochte und Schweiß rann an ihr herab, doch sie war vorerst außer Gefahr. Oder?

 Sie traute sich nicht, den Blick in die Außenwelt zu richten, immer in der Angst, dass diese Schatten zurückkehren würden, wenn sie nur zulange hinsehen würde. Aber die weit wichtigere Frage war doch: Bildete sie sich das nur ein? Ja seufzte und rieb sich übers Gesicht. Ihr Buch lag aufgeschlagen vor ihr auf dem Schreibtisch, jedoch war sie unfähig dazu, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.

Physik kam ihr im Vergleich zu den Schatten unbedeutend vor und so versuchte sie erst gar nicht, zu lernen. Die Formeln würden sie sowieso in ihren Kopf zu Rauch auflösen. Ihr Dad hantierte irgendwas in der Küche herum. Man hörte die Geräusche bis in ihr Zimmer. Jadora sank auf den Drehsessel und zog die Beine an. Ihr Blick wanderte verstohlen zu dem Schlitz der Vorhänge am Fenster.

Bevor sie heute schlafen ging, öffnete sie das besagte Fenster und beugte sich weit hinaus. Der Himmel war nun rabenschwarz, es krachte bereits. Ihre langen Haare wurden ihr ins Gesicht geblasen, sie hob ihre Hand und wischte sie sich aus dem Gesicht.

Sie sah sich nach merkwürdigen Schatten um, fand jedoch nichts Verdächtiges. Es war abgesehen vom Donner still. Zu still.  "Jetzt spinn ich auch schon rum", meinte sie und schloss das Fenster wieder. In dieser Nacht suchten Ja Albträume heim. Die meisten stammten von ihrer verlorenen Mutter. Es war ganz komisch. In ihren Träumen flüsterten ihr die Schatten etwas zu, versuchten sie zu töten. Soetwas hatte sie schon einmal erlebt, aber das war schon lange her..

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"Na, hast du gut geschlafen?" Als Jadora am nächsten Morgen runter in die Küche kam, machte ihr Dad schon Frühstück.  Er hatte sich bereits angezogen und war fertig für seine Arbeit.  Er arbeite in einem Büro. Nun lächelte ihr Vater sie an.

Sie nickte nur und schnappte ihm eine Erdbeere weg: "Ich gehe dann mal! Ich jogge heute, soll besser für das Gehirn sein". In Wahrheit wollte Jadora nach den Schatten Ausschau halten. Schatten, die es ja nicht einmal gab! Sie waren nicht normal, so viel war ihr schon klar. "Okay, meine Supermaus", meinte er fröhlich. Sie nahm sich ihre Jacke vom Stuhl, band sich ihre Turnschuhe und ging in gemächlichen Tempo los.

Ihr Schulweg dauerte knappe 30 Minuten. Diese vertrieb sie sich mit Musik und die Fragen für den Geschichtetest, der heute anstand, auswendig zu lernen. Eigentlich war Jadora eine sehr gute Schülerin, aber sie hatte es glatt vergessen. Hoffentlich sahen ihre Lehrer darüber hinweg. Andauernd drängten sich Bilder der Schattenarme in ihr Gedächtnis, vermischten sich mit den Worten und brachte ihren Kopf zum Dröhnen.

"Hey, Ja! Wo kommst du denn her?" Ihre Freundin Caro kam zu ihr. Ihre langen, blonden Haare trug sie offen, sie fielen leicht auf ihr Top den Rücken hinunter. Sie war dezent geschminkt und eine Kette zierte ihren Hals. Das Schmuckstück war einfach aber filigran gearbeitet. "Ich bin gejoggt, war mal ganz fein", sagte sie und umarmte sie. Gejoggt, naja.. "Seit wann joggst du denn?", wollte Caro wissen und legte den Kopf schräg. In ihrem Blick lag Wärme. Ihre Freundin zuckte mit den Schultern:" Solltest du auch mal probieren.." Die Blondhaarige bedachte sie mit einem wissenden Blick.


"Komm! Lucy wartet schon", sagte Jadora und zog sie mit, um die unangehme Stille zu durchbrechen. Die Mädchen liefen durch die Gänge bis zu ihrer Klasse. Unterwegs kamen sie bei der Jungstoilette vorbei. "Was macht denn er da?" Caro hielt an und runzelte die Stirn. Jadora tat es ihr nach. Darwin, ein Junge aus der Paralellklasse, saß am Boden vor den Toiletten und hielt sich den Arm. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.

"Alles okay?" Sie stürtzte auf ihn zu. Seine Augen sahen sie aufmerksam an: "Ja, alles okay!" Da war Jadora ganz in ihrem Helfersyndrom. Seine Augen waren einzigartig. Ihr Glanz ging Jadora durch Mark und Bein. "Mir geht es gut, lass mich einfach in Ruhe", knurrte Darwin unfreundlich. Der Moment war gebrochen, als er den Kopf von ihr abwandte. Etwas überrumpelt antwortete sie: "Schon gut, ich wollte dir ja nur helfen".

Ja spürte seinen Blick in ihren Rücken, er durchbohrte sie förmlich damit. Ihre Beine drohnten sich in Pudding zu verwandeln. "Lass uns bitte weggehen. Er will sich nicht helfen lassen, dann soll er auch keine Hilfe bekommen", meinte Caro dann und schob ihre Freundin in den Klassenraum. 

Dunkle BedrohungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt