"Man, sehe ich scheiße aus!" Jadora stand vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und musterte sich selbstkritisch. Ihre großen, blauen Augen sahen verquollen aus, obwohl sie in der letzten Zeit keine Schminke benutzte, oder nur ganz dezent auftrug. Ihre hasselnussbrauen Haare, die ihr bis knapp über die Hüfte reichten, waren dünn und schlaff geworden und sie wirkte noch blasser, als sie es sonst schon war. Was eigentlich eine Kunst war! Sie war so bleich wie ein Vampir.
"Jadora, wo bleibst du denn?" Ihr Vater kam die Treppe hoch. "Bin gleich da", gab sie bekannt , bevor er zu ihr ins Zimmer kommen konnte und zog sich schnell ein Top über den Kopf, welches sie halbwegs gesund erscheinen lässt. Es war rot, ihre Lieblingsfarbe.
Ihr Dad fuhr sie nach einem schnellen Frühstück zur Schule, wo Caro schon auf sie wartete. "Ich bin heute den ganzen Tag unterwegs, bitte bestell dir doch eine Pizza", sagte er dann und tippte eine Adresse im Navi ein. Jadora reckte den Hals, doch konnte nichts erkennen. "Ja, okay mach ich. Und Dad? Pass bitte auf dich auf". Sie lächelte und schlug die Autotür zu. Sie sah zu, wie der Range Rover vom Parkplatz fuhr.
"Stress mit Dad?", wollte Caro wissen. Sie hatte ihren Ausdruck auf dem Gesicht falsch gedeutet. "Nein, eigentlich nicht.." Jadora seufzte. "Ich muss dir etwas zeigen!" "Was denn? Hat dein Dad eine Neue?" "Was, spinnst du?", fuhr sie ihre Freundin scharf an. " 'tschuldigung.." Sie hakte sich bei Jadora ein und zog sich zu ihrem Geheimversteck hinter der Schule.
Es war eine kleine Lichtung zwischen all den Büschen. Dort saßen sie sich auf den Boden und Ja holte den ominösen Brief aus ihrer Tasche. "Einen Brief?", fragte Caro sichtlich gelangweilt. Sie begutachtete ihre Fingernägel, die mal wieder glänzten. Weißer Nagellack schimmerte in der Morgensonne. "Man, jetzt tu doch nicht so! Den habe ich gestern gefunden. Als ich zum Haus kam, stand da eine Person. Sie war ganz in schwarz und ist vor mir geflohen", berichtete Jadora aufgeregt.
"Ja, und?" "Na, den hat sie verloren. Er ist an meinen Vater addressiert, keine Ahnung was sie von ihm wollte". "Sie? Es könnte doch auch so gut ein Er gewesen sein", überlegte Caro. Ja drehte den Umschlag um, sodass ihre Freundin den Absender lesen konnte.
"Okay, das erklärt einiges..Hast du einen Verdacht?" Sie schüttelte den Kopf: "Nein, aber ich habe zwei Adressen von hier ausgemacht. Ich will sie dann bald abklappern. Kommst du mit?" "Nein, geh lieber ohne mich. Ich muss heute mein Zimmer aufräumen und dass kann dauern.." Sie verdrehte die Augen und stand auf. Jadora war nicht begeistert davon, dass sie nun ganz allein zu der Person gehen sollte, aber was blieb ihr übrig, wenn sie endlich die Wahrheit wissen wollte?
"Ähm Jadora..guck mal!" Caro stieß sie aufgeregt an und zeigte zwischen die Bäume, die rings um die Schule herumwucherten. "Was ist?" Sie sah in diese Richtung und war kurz sprachlos. "Was ist denn nur los?" Ja sah zum Himmel, der nun wieder rabenschwarz wurde. Ein weiteres Gewitter. "Die Frau ist unheimlich", wisperte sie.
Ja konnte ihr nur recht geben. Die seltsame Frau sah sie direkt an, ihre Augen loderten im Tageslicht wie pures Feuer. Ihre Lippen verzogen sich zum einem Lächeln. Durch ihr Top war eine lange Narbe an Brustbein zu erkennen. Jadora kroch ein Schauer den Nacken hinauf, aber sie konnte den Blick nicht von ihr abwenden. "Jadora, was ist los mit dir? Hat die dich hypnotisiert? Sprich mit mir, verdammt nochmal!" Caro war nun richtig panisch und zerrte ihre Freundin weg.
Sie wirkte verwirrt und kam wieder zu sich, als sie schon in der Klasse standen. "Was war los, Caro?" Jadora hatte nun wirklich Angst und fasste sich an die Stirn. "Ja, ich weiß es nicht. Es sah so aus, als hätte sie dich in einem Bann. Geht's dir wirklich gut?", wollte Caro wissen und drückte Ja auf den Stuhl. Sie schwitzte, der Schweiß lief ihr die Stirn hinunter. Der Puls dröhnte ihr in den Ohren und sie japste unregelmäßig nach Luft.
"Mir geht es nicht gut!" Sie rannte aus der Klasse unsd übergab sich im Klo. Als ob ein LKW über mich gefahren wäre, fiel ihr nur ein. Kurz nach dem Erbrechen flog die Tür auf. Ihre Französischlehrerin, die sie jetzt in der ersten Stunde hatten, beugte sich besorgt zu ihrer Schülerin hinunter. Ihr langer blonder Zopf striff Ja bei den Wangen. "Alles okay?" Jadora schüttelte nur stumm den Kopf und versuchte sich aufzusetzen. Es gelang.
"Mir war plötzlich so schwummrig", murmelte sie und fasste sich an den Kopf. "Komm, du gehst jetzt zur Schulärztin", sagte die Lehrerin. Ja taumelte, als sie aufstand. Ihre Beine gaben unter ihr nach und die Frau musste sie auffangen, sonst wäre sie mit voller Wucht auf den Kopf geknallt.
Jadora lag auf der Liege in der Krankenstation in der Schule. Ihre Kopfschmerzen waren schlimmer denn je, als ob man in ihren Körper eindringen wollte.
"Darwin, was machen Sie denn hier?" Die Schulärztin sah verwundert auf. Jadora drehte sich um und da stand der Junge und blickte sie an. "Ich wollte nur sehen, wie es Jadora Roux geht. Ich habe gesehen, dass sie sich übergeben hat", meinte er. Er fühlte sich sichtlich unwohl, seine Finger waren weiß, so fest presste er sie aufeinander. Aber Jadora entdeckte noch etwas. In seinem Ärmel verschwand ein Tattoo.
Es war tintenschwarz und feine rauchähnliche Fäden bedeckten seinen Unterarm. In der Mitte stand ein Wort, sie konnte es aber nicht lesen, da es Latein war.
"Mir geht es gut", sagte sie dann und grinste ihn an. Dawrin grinste kurzerhand zurück: "Gut, dann..geh ich mal!" Er hob die Hand zum Gruß und ging." Na, da mag dich ja einer". Die Schulärztin blinzelte ihr verschwörerisch zu. Jadora lächelte nur still und sah sein Tattoo vor ihrem Auge...
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Dunkle Bedrohung
Fantasi🥉3. Platz Butterfly Award 2021🥉 2. Platz Bookaward 2022/23 Seit Jahrzehnten gibt es nur schwarz und weiß, gut und böse. Das Schicksal wurde ihnen in die Wiege gelegt. Jadora kannte die Schatten nicht und als sie ohne Vorwarnung in deren We...