Kapitel 22

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Ohne länger über ihr neues Leben nachzudenken, holte sie zwei Taschen aus ihrem Schrank und stopfte wahlos Kleidung heinein. "Argh!" Mit einem Aufschrei fiel Jadora aufs Bett und vergrub ihr Gesicht im Bettlaken. Warum musste das Leben so beschissen sein?

Konnte sie nicht einfach ein normales Mädchen sein, welches einen normalen Freund hat? "Jadora? Alles gut?", ertönte Jacquelines Stimme von unten. "Ja, alles bestens", rief sie zurück und saß sich schwungvoll auf. Mit leeren Blick durchforstete sie ihr Zimmer. Von hier aus hatte man einen perfekten Blick auf die Straße und den Wald dahinter. Auf den Wänden hingen Poster von Tiger und Hirschen. Sie erwachten unter der Sonneneinstrahlung zum Leben. Es schien, als ob sie sie beobachten würden und ihren Namen murmelten. Ein Schluchzen bahnte sich ihre Kehle hinauf und drohte aus Ja herauszubrechen.

Sie musste ihr gewohntes Umfeld aufgeben, ihre Freunde, ihre Hobbys. Langsam beugte sich die Schattenjägerin vor und holte ihre eingepackten Sachen wieder hervor. Diesesmal wählte sie die Klamotten mit bedacht aus. Welche praktisch, welche für Feste geeignet waren und welche sie eher nicht mitnehmen sollte. Schließlich hatte sie eine Tasche voll und machte sich daran, Dinge die ihr besonders am Herzen lagen- wie eine Schneekugel, die noch von ihrer Mutter stammte- in die andere Tasche zu packten. Dabei stieß Jadora auf ein Buch. Es war schon sehr alt, die seiten eingerissen und vergilbt. Aber trotzdem konnte man die Zeilen noch lesen. Es war ein Kinderbuch. Es handelte über Schattenjäger, was denn sonst?

Ja grinste ein wenig und warf das auch noch zu ihren Sachen. Man wusste ja nie, für was es gut sein konnte. Wehmütig ließ sie ihr Zimmer hinter sich und stieg vollbebackt die Treppe hinunter. Doch in der Tür war ihre Schwester nicht zu sehen. Mit einem prüfenden Blick stellte Ja fest, dass sie auch nicht draueßen an der frische Luft war oder so.

"Jacqueline?", fragte sie und stellte ihr Gepäck ab. Ein leises Geräusch drang von dem Wohnzimmer zu ihr. Ja schlenderte in den besagten Raum und blieb stehen. Was sie sah, rührte sie zu Tränen.

Ihre Schwester saß am Holzboden, ein Foto in der Hand und weinte. Stumme Tränen flossen ihr über ihr schönes Gesicht. Jadora hatte sie noch nie weinen sehen."Jacky", wisperte Jadora und ging langsam auf sie zu. Die Schattenjägerin sah auf und streckte den Arm nach ihr aus. Sie folgte ihrer Aufforderung und schlang den rechten Arm um den Hals ihrer großen Schwester. Zusammen blickten sie auf das Foto. "Sie..hat mich nie vergessen, oder?", schniefte Jacqueline. "Nein". Bisher hatte Ja angenommen, das Foto wäre von ihrer Cousine, aber da musste sie sich wohl sehr getäuscht haben. "Ich erkennen das Kleid auf dem Bild. Es war mein Lieblingskleid, ich habe es sogar noch zuhause", erzählte sie.

"Das ist schön. Siehst du? Meine..unsere Mom hat dich nicht vergessen". Jadoras Stimme war ganz heiser vom Zurückhalten der Tränen. Jacqueline berührte ihre Wange und wischte eine einzelne Träne weg: "Wir zwei Heulsusen, hmm?"Sie erhob sich und Ja tat es ihr gleich. Die junge Schattenjägerin ging zum Esstisch, worauf ein Foto mit ihr und ihrem Dad stand. Sie nahm es und verließ das Haus. "Es ist wundevoll wieder hier zu sein", meinte Jacky dann und räusperte sich. Jadora verschloss die Tür und klopfte zärtlich gegen die Haustür: "Wie kannst du dich eigentlich noch an alles erinnern? Ich meine, du warst erst zwei Jahre.." "Fleur hat mir davon erzählt, sie hatte sogar Fotos".

Die Schwester wanderten los. Durch fast ganz Cergy. Sie kaufen sich ein Eis und genossen die Sonne. "Wie weit ist es denn bis zu dieser Schule? Sie ist in Paris, oder?" Jacqueline hielt inne: "Ja, aber mach dir keine Sorgen".

Die Sonne stand schon tief, als die Zwei das Motorrad erreichten. Sie schwangen sich darauf und Jadora saß ihren Helm auf. Danach preschten sie los. Auf dem Weg in eine neue Zukunft.

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Die Fahrt verging viel zu schnell. Schon tauchten die ersten Gebäude Paris' auf. Auf der Straße war es so friedlich gewesen, kein Auto kam ihnen entgegen. "Jetzt wird es ein bisschen holprig", warnte Jacqueline Jadora, die sich daraufhin fest an ihre Schwester klammerte. Sie bog in einem Waldweg ein. Er war verwachsen und sie holperten oft über Wurzeln. "Man, man,man", schimpfte Ja gedämpft in ihren Helm, doch Jacky konnte es trotzdem hören und biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. Der Weg verlief noch eine Weile so, bis ein Gebäude mitten im Wald vor ihnen aufragte.

Dunkle BedrohungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt