Kapitel 17

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Sie saßen beim Essen. Ob es Frühstück, Mittagessen oder Abendessen war, wusste Jadora nicht. Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren. Sie spießte eine Erbse auf ihre Gabel und führte sie zum Mund.

"Jadora..wir möchten, dass du auf eine Schule gehst!", sagte Fleur. Sie lag in ihrem Bett. Jacqueline und Jadora aßen im Zimmer, damit sie nicht so allein war. Das Gift schwächte sie immernoch, nach all der Zeit. Es war sehr hoch konzentriert gewesen, hatte ihre Schwester ihr erzählt.

 "Ich gehe doch auf eine Schule, aber es sind Sommerferien", verstand Ja nicht ganz. Sie legte ihre Gabel weg und lehnte sich zurück. Der Hunger war ihr vergangen. "Wir möchten, dass du auf eine Schattenjäger Schule gehst. Sie heißt Elase".

Elase? Warte! Das hatte sie doch schon einmal gehört. Ja, der Name war bei einem Buch gefallen, dass sie von der Bibliothek mitgenommen hatte. Also gab es diese Schule wirklich... Jemand musste darüber ein Buch verfasst haben und die Menschen haben gedacht, das dies nur ausgedacht sei.

"Und..wo ist die?", wollte sie wissen. "In Paris, also in der Nähe", meinte Jacqueline. "Und wie soll ich dort jetzt so schnell hinkommen?" "Fahren?" "Okay!" Jadora stand langsam auf: "Wann fahren wir los?"

Jacqueline und Fleur wechselten einen Blick. "Ich dachte, du holst ein paar Sachen von deinem Haus. Deine Schwester wird dich begleiten, da ich ja nicht aufstehen kann", erklärte Fleur dann. "Super!" Sie ging weg und knallte die Tür ihres Zimmers mit Nachdruck zu.

Ja wollte nicht weg von hier. In Elase war sie allein, ohne Caro und Lucy. Und vermutlich auch ohne Fleur. Sie ließ sich auf das duftetende Bett sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

Die Tür quietschte, als sie sich öffnete. "Ich will allein sein. Immerhin habt ihr mir gerade veröffentlicht, dass ich ein neues Leben haben werde", sagte sie tonlos. "Ja, das kann ich gut verstehen. Aber Jadora..in Elase sind alle Schattenjäger Frankreichs. Viele sind in deinem Alter. Es wird gut, ich verspreche es dir!"

Jacqueline verließ den Raum wieder. Ja sah auf und entdeckte ein Foto auf ihrem Tisch. Sie stand lautlos auf und glitt zu dem Eichenholztisch hinüber.

Das Foto war kalt und glatt unter ihren Finger. Jadora hob es an. Es zeigte ein unscheinbares Haus. Es war alt und grau. Dornen krochen die Hausmauer hinauf, Vögel flogen über das Haus hinweg. Vor der Haustür stand eine Person, sie lächelte freundlich in die Kamera.

Ein Stromkabel ging über das Haus hinweg, am Horizont bauschten sich dunkle Wolken auf.  Wohnten dort Fleur und ihre Mutter früher als Kinder? Und wenn ja, wo waren alle?

Es sah klein aus. Jacqueline hatte ihr erzählt, dass erwachsene Schattenjäger undercover hinaus in die Welt gingen und die Schatten suchten. Hatten die Schatten auch solche Schulen? Wo war die neue Zentrale?

Sie seufzte und legte sich rücklings aufs Bett. Ihr blieben höchtens ein paar Stunden vergönnt, bevor sie  nach Paris ging. Paris, Stadt der Liebe. Dort war Jadora eine Weile nicht mehr gewesen.

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"Du willst was?" Fleur richtete sich langsam auf. Ihre Augen waren immernoch ein bisschen glasig. "Hey, hey!" Ja ging zu ihr. "Du willst deinen Vater sehen?", wiederholte sie ihre Bitte. Das Mädchen nickte.

"Okay..was kann ich schon dagegen sagen?" Fleur lächelte traurig und hob die Hand an Jadoras Wange. Ja schloss die Augen und genoss die Berührung: "Er ist immernoch mein Vater und ich will ihm lebewohl sagen".

"Das verstehe ich. Jacqueline wird dich begleiten, ok?" Sie nickte und schon tauchte ihre Schwester auf. Sie trug ein weißes Shirt und eine graue Jeans. Ihre Haare flielen ihr lose über den Rücken.

"Was ist mit mir?", wolte sie wissen. "Du begleitest Jadora zu ihrem Vater ins Gefängnis". Jacqueline sah sie ganz komisch an und senkte den Blick. "Du musst nicht, ich kann auch alleine gehen", sagte Ja schnell. "Nein, kannst du nicht. Es ist gefährlich für dich, begreife das doch endlich!", donnerte Fleur.

"Ja..ich..ich gehe mit ihr, keine Sorge", meinte Jacqueline matt und wandte sich zum Gehen: "Kommst du?" "Jetzt?" Ja sah auf Fleur hinab, die leicht nickte. "Ich werde dich vermissen!" Sie umarmte die Schattenjägerin alias Vampirin innig.

"Ich bin immer da, Ja. Auch wenn du mich nicht sehen kannst, ich bin immer hier!" Sie legte eine Hand auf Jadoras Herz. Die grinste und zwinkerte die Tränen weg, die sich ihren Weg hinausgebahnt hatten.

Als Fleur zurück ins Bett sank, rutschte Jadoras Ärmel rauf und legte ein Teil des Tattoos frei. Schnell zog sie sich zurück und striff Jacqueline mit einem Blick. "Alles okay?", fragte Fleur. Sie hatte die Abkühlung im Raum bemerkt.

"Ja, alles gut. Ich..will nur nicht weg", stammelte Jadora zusammen. Die Vampirin maß sie mit einem skeptischen Blick. "Ja, wir müssen jetzt auch". Jacquelines Arm schnellte hervor und packte Ja warnend am Arm.

"Ja, genau. Also dann, mach es gut!", verabschiedete sich Ja schnell und flüchtete aus dem Zimmer. Sie rannte bis vor die Tür und lehnte sich gegen die Hausmauer. Die frische Waldluft drang ihr in jede Pore.

Ihre Lungen fühlten sich mit der Luft, ließ sie gleich viel ruhiger werden. "Was wer dass denn?", wolte Jacqueline wissen. Ihr Tonfall war scharf. "Nichts, was sollte es gewesen sein?" "Du hast nicht aufpasst, das war los!"

Jadora schlug die Augen auf und versuchte, so viel Zorn in ihren Blick zu legen wie es nur möglich war. "Ja, und? Man, es war ein Versehen, was hast du denn damit?"

"Es ist nicht gut, dass Fleur es sieht!", meinte sie bloß. "Ach ja? Weißt du was? Lass mich einfach in Ruhe!"

Sie eilte mit langen Schritten mitten ins Herz des Waldes. "Man, Jadora! warte!" Doch sie dachte nicht daran. Ja huschte ins Unterholz und blieb vor einem großen Baum stehen. Es war eine Buche.

Sie überlegte nicht lange, umklammerte mit beiden Händen einen Ast und zog sich daran hoch. Das ging ihr ganz schön in die Arme, dennoch schaffte sie es mehr oder weniger gut auf den Baum. Kurz dankte sie ihrer Sportlehrerin, die sie immer gezwungen hatte sämtlich Liegestütze zu machen. Dadurch hatte sie Kraft aufgebaut.

Vom dicken Ast aus beobachtete sie Jacqueline, die nach ihr suchte. Tja, da würde sie lange suchen!

Jadora wollte nicht weg, sie wollte hier bleiben. Bei ihnen. "Fuck!", schimpfte sie und ließ ihren Kopf gegen das massive Holz sinken. Ein Vogel zwitscherte neben ihr. Seine großen, braunen Augen wirkten fast schwarz. Er legte den Kopf schief und guckte sie an. Ja erwiderte den unergründlichen Blick des Tieres.


Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Jadora sich auf den Rückweg machte. Ihr tat alles weh, auf dem Baum sitzend war keine bequeme Position gewesen. "Tschüss, mein kleiner Freund", verabschiedete sie sich von dem Vogel. Das Tierchen sah sie nochmals an, pfiff und flog dann davon. Ja sah ihm veträumt nach, schüttelte aber den Kopf und rollte sich geschickt ab, als sie am Boden aufkam.

Inzwischen musste es schon nach Mittag sein. Ob Jacqueline noch hier war oder ob sie schon zurück bei der Hütte war? Es war ihr egal!

Ja klopfte sich das trockene Laub von der Kleidung und setzte ihren Weg durch den dichten Wald fort. Jadora wollte zu ihren Freundinnen und dort bleiben, in der Hoffnung, Jacqueline würde sie nicht finden...

Dunkle BedrohungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt