Kapitel 2

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Mein Magen knurrte den Morgen so laut, dass ich am Mittag beschloss in die Stadt zu gehen und einfach zu hoffen, niemanden anzutreffen den ich kannte. Der Weg war etwas weiter, eine halbe Stunde musste ich mit dem Bus fahren. Währendessen hörte ich ein wenig Musik von meiner Lieblingsband My Chemical Romance. Ich wollte schon immer auf ein Konzert von ihnen, nur als ich nach Karten gesucht habe, fand ich den Eintrag im Netz, dass sie sich getrennt hätten. An der Haltestelle 'Hauptbahnhof' stieg ich aus und machte mich auf die Suche nach saftigen Pommes mit Mayo. Ich schaute durch die Läden, die viel unnützes Zeug anboten, sah Menschen, die lachten und glücklich waren, zum Glück kannte ich niemanden von ihnen. Auf einmal hörte ich Klaviertöne, die meine Aufmerksamkeit erregten. Die Töne kamen eine Starße weiter. Ich ging etwas schneller, damit ich auch ja nichts verpasste. Als ich vor dem kleinen Klavier stand, befanden sich massig Leute um den jungen Pianisten, der leidenschaftlich in die Tasten haute und auf einmal anfing zu singen. "Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkomm'n. Will auf und davon und nie wieder komm'n. Kein Lebewohl, will euch nicht kenn'n! Die Stadt muss brenn'n, brenn'n, brenn'n, brenn'n!" Er hatte diesen Schmerz in der Stimme, die ein wenig verraucht klang. Der braunhaarige, junge Pianist konzentrierte sich ganz auf die Noten, die vor ihm lagen. Nicht einmal eine Box zum Geld einsammeln hatte er aufgestellt, nein, er spielte wohl aus Liebe. Gebannt hörte ich ihm zu, war wie in Trance, konnte gar nicht mehr aufhören ihm zuzuhören und wollte immer mehr. Doch nach zwei weiteren Lieder hörte er auf, machte eine Pause. Alle Menschen klatschten aufgeregt, einige entfernten sich aber schnell. Das war meine Chance. Er hatte mich mit diesen Texten echt getroffen, hat mein Herz berührt, ohne es überhaupt anzufassen. "Hey, du warst echt gut.", fing ich das Gespräch an und lächelte schüchtern. "Hast du die Lieder selbst geschrieben?", fragte ich direkt darauf und bekam ein Lächeln als Begrüßung. "Hey, danke, ihr wart aber auch nicht schlecht. Es ist so krass, dass so viele Menschen einfach mal überwinden und mitmachen, Musik verbindet. Die Lieder sind von Casper. Ich spiele und singe sie nur.", erzählte er mir und hatte mich somit wieder in seinen Bann gezogen. Egal ob er sang oder einfach nur sprach, er war wundervoll. "Casper?", fragte ich etwas verwirrt. Er nickte sofort und holte eine CD aus seiner Tasche. Sie war schwarz weiß, ein Wolf war zu sehen und die Aufschrift: Casper - XOXO. "Die ist von ihm. Kannst du haben, seine beste Platte, finde ich.", grinste er und reichte mir die wertvolle CD. Ich nahm sie dankend an, drehte die CD um und las mir die Liedernamen durch. Ich war so gespannt, was sich hinter ihnen versteckte. "Wie heißt du überhaupt?", fragte mich der namenlose, talentierte Pianist. "Sophia.", sagte ich etwas schüchtern. "Mit wem habe ich die Ehre?" Er grinste wieder und setzte sich an sein kleines, weißes Klavier. "Mason. Wunderschöner Name, ich bin froh, dich kennenzulernen.", sagte Mason fröhlich und spielte somit wieder ein paar Takte des ersten Liedes. "Im Ascheregen, heißt es.", erklärte er mir, als er die ersten zwei Minuten Instrumental gespielt hatte. "Irgendeinen Wunsch, Sophia?" Sein Lächeln zog mich wieder in seinen Bann. "XOXO würde ich gerne mal hören.", sagte ich gespannt und sah zu, wie er ohne Noten einfach drauf los spielte. Seine Finger glitten sanft über die weißen und schwarzen Tasten, diesmal sang er nicht. Ich konnte es kaum glauben, dass jemand so nett zu mir sein konnte und mich anscheinden auch mochte. Er spielte den letzten Takt, sah mich am Ende zufrieden an und wir hörten wieder viele Menschen, die applaudierten. "So, ich muss gleich weiter.", sagte Mason. "Ich hab nur eine kurze Mittagspause, normalerweise arbeite ich im Hospiz." Es war so toll, so viel neues von einem Menschen zu erfahren. "Glaube meine Nummer müsste im Album versteckt sein.", grinste er schließlich und packte seine Sachen zusammen, wobei ich ihm half. "Es war mir eine Ehre.", lächelte ich ihn zum Abschied an. "Mir ebenfalls, wunderschöne Sophia." Und somit verschwand er mit seinem kleinen Klavier im Musikladen, wo er es sich wohl ausgeliehen hatte. Mein Magenknurren unterbrach meine Träumerei. Meine Augen musterten das schwarz-weiß-graue Album, welches Mason mir in die Hand gedrückt hatte. Ich öffnete es, fand eine schwarze CD vor und einen gelben Zettel mit einer Handynummer. Hätte ich mein Handy nur nicht eben weggeschleudert. Nur war es einfach zu unerträglich. Es war wie im Traum. Die Realität holte mich langsam wieder ein. Langsam ging ich einen Schritt nach dem nächsten, bis ich eine versteckte Pommesbude fand und mir dort eine Kleinigkeit kaufte. Mason hatte es bestimmt nicht ernst gemeint. Ich sollte mir keine Gedanken mehr über ihn machen. So gut war die Realität oder das Schicksal noch nie zu mir. 

Auf und davon {Casper Story} ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt