Kapitel 15

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Ganze sieben Stunden saß ich im Haus, bis ich mich endlich raus traute. Der Gedanke, dass Noah das war und ich vielleicht auch bald dran war, ließ mich nicht in Ruhe. Dabei war ich eigentlich nur hier, um zu sehen, wie es meiner Familie geht. Und erst jetzt wurde mir klar, dass Noah sie alle ausgelöscht hatte. Müde trug ich mich die Treppen hinab, bis ich zur Straße kam. Keine Nachbarn waren draußen, niemand. Nicht einmal die nette alte Dame, die mir immer Süßigkeiten gab, wenn Ostern oder Weihnachten war. Nicht einmal mehr die nervigen Kinder von gegenüber. Besonders meine Eltern fehlten mir. Das würde ich Noah niemals verzeihen. Wie in Trance ging ich die leere Straße entlang und merkte, dass die Häuser alle leer standen. Niemand wohnte mehr hier. Es hangen keine Gardinen mehr nebenan, keine Lichterketten für Weihnachten. Keine Bäume, kein Licht in den Räumen. Jetzt fielen mir die schwarzen Stellen an den Wänden auf, die rote Schrift die überall verteilt war. Blutspritzer? Das Blut von meinen Eltern? Das Blut von den damaligen Bewohnern? Ich schluckte, ging langsam am Straßenrand weiter, bis ich an unserem damaligen Kindergarten angekommen war. Hier war ich immer am liebsten. Das war die Zeit, wo ich mich mit Noah noch gut verstand, bevor er auf einmal so komisch geworden war. Ich glaubte nie wirklich, dass er eine Krankheit hatte. Logisch wäre es nicht, aber ich glaubte, dass er dazu geboren worden war, um zu töten. Nur noch wenige Schritte trennten mich von meinem damaligen Paradies voller Spiele, Spaß und Menschen, die mich mochten, so wie ich war. Doch schon am eigentlich so niedlichen Eingang der Kita erwarteten mich welche. Köpfe hingen an der Tür herunter, sie hingen vom ganzen Dach herunter, von allen Ästen. Mir wurde fast schlecht, als ich erkannte, dass es echte Köpfe von echten Kindern waren. Das schlimmste war ja, dass ich den Jungen erkannte, auf den ich immer aufpasste. Ich konnte nicht mehr. Hastig rannte ich zum nächsten Gebüsch und übergab mich. Wie konnte diese Straße hier niemand bemerken? Wie konnte diese Straße keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Vielleicht war sie in den Nachrichten. Vielleicht war die ganze Straße ein Tatort. Vielleicht habe ich einfach nichts davon mitbekommen, weil ich zu naiv war? Meinen Bruder vertraut hatte? Weg war? Wäre ich doch nicht wiedergekommen. "Sophia."

Auf und davon {Casper Story} ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt