Kapitel 17

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Zitternd drückte er mir eine riesige Schusswaffe in die Hand. "Was soll ich damit?", fragte ich sofort ernst, wollte das Ding zuerst auf den Boden schmeißen, doch er drückte es fest gegen meine Brust. "Damit habe ich Mum und Dad getötet.", sagte er trocken. "Und die anderen.", fügte er hinzu. "Und ich soll das für dich halten, damit du mich umbringen kannst?", fragte ich sofort etwas lauter, doch er blieb komischerweise total ruhig. "Nö.", meinte er nur. Er hatte wohl Halluzinationen. Das war eine weitere Stufe seiner Krankheit. Ich war etwas beunruhigt. Kurz erinnerte ich mich an Harper zurück, an die schöne Zeit mit der Casper Crew, die mir mein Leben gerettet hatten. Ich passte dort aber ehrlich gesagt sowieso überhaupt nicht rein. Irgendwann wäre ich gegangen oder raus geworfen worden. Schlimmstenfalls auch umgebracht worden, auf einen Konzert. Dafür hätte ich aber einen schönen Ort gehabt, wo ich umgekommen wäre. Starr schaute ich meinem älteren Bruder in die Augen. Sie waren leer, wurden blass. Die Augen waren nicht mehr blau, so wie ich sie kannte. Seine Augen waren grau, wurden fast durchsichtig. Erst jetzt realisierte ich, dass er es war, der mein Leben von Anfang an ruinierte. Nicht ich. Nicht meine Eltern. Nicht meine damaligen Freunde, die er bestimmt auch auf den Gewissen hatte. "Sag mir die Wahrheit.", hauchte ich kaum hörbar. Noah stand nun einige Meter weiter vor mir. Seine Füße waren wie angenagelt am weichen Feld Boden. "Die Welt geht vor die Hunde Mädchen, traurig aber wahr.", kam es von ihm. Ich sah erschrocken auf und hörte ihm dann aufmerksam zu. "Ich hab mein Bestes getan." - "Was? Leute umgebracht?", fragte ich sofort sauer und aufgelöst auf. Ich merkte gar nicht, dass mir die Tränen über die Wange liefen. "Oh ja. Sie haben es verdient." Schweigen. "Weswegen? Dass sie das Leben genossen haben? Glücklich waren? Nicht nach deiner Nase getanzt haben?", fragte ich unter Tränen und führte meine Finger zum Trigger der Waffe. "Sie haben dich unterstützt.", grinste er und sah auf den Boden. "Sie alle. Mum, Dad, Harper, alle meine Freunde. Die Musiker. Alle, mit denen du zutun hattest. Du hattest alles, was du wolltest. Und ich wurde hinten angestellt, nur weil ich krank bin.", knurrte er und ballte seine blutigen Hände zu Fäuste. Plötzlich sah er auf. Sein Blick traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Stumm schluckte ich, blieb starr, rührte mich nicht. "Du bist nicht krank.", kam es leise von meinen Lippen. "Und ob ich das bin.", meinte er etwas wütend. "Ich sehe, was ihr alle gemeinsam habt, Sophia. Ihr habt alle einen Plan geschmiedet, um mich zur Strecke zu bringen." Seine Stimme zog die Sache selbst ins Lächerliche. "Aber ich bin nicht blöd." Nun lachte er ein wenig. Er war krank, ja. Wieso halfen ihm keine Ärzte? Wieso ließen meine Eltern ihn nie einweisen? "Ich habe mich immer gewehrt.", lachte er, als würde er meine Gedanken lesen können. "Ich wollte nie in eine Klapse. Da gehöre ich doch nicht hin." Er beruhigte sich etwas. "Aber ich bin nicht krank. Ich bin auch nicht doof. Ich will nur die Aufmerksamkeit, die du immer bekommen hast. Und nachdem du bei diesem Typen da warst, hab ich sowieso keine Chance mehr.", lachte er wieder. "Deswegen wirst du mich davon erlösen, die Sache zu tun, die ich schon seit Jahren tun wollte." Ich riss meine Augen auf, doch dann lockerte ich meinen Griff und schmunzelte etwas. "Schön, dass du mir die Ehre erweist. Ich wollte das schon lange selbst tun, hauptsächlich, weil du mich immer terrorisiert hast.". versuchte ich es ruhig auszudrücken. "Doch nicht du." Seine Stimme klang so, als würde er mit einem Kleinkind reden. Er zwang mich nahezu mit seinem Blick aufzusehen und in seine Augen zu schauen, doch ich wollte nicht. Die Leere machte mich kaputt. Welch Ironie. "Du wirst mich jetzt umbringen.", sagte er ruhig zu mir. Mein Körper fing langsam an zu zittern, bis er bebte. "Nicht dein ernst. Du bringst so viele Menschen um, aber kannst dich selbst nicht erschießen? Nein, niemals, Noah.", meinte ich ernst. Er war mein Bruder. Egal, ob die Krankheit ihn zu einem Tyran machten oder nicht. Er war ein Mörder, aber er war mein Bruder. Und ich würde es niemals übers Herz bringen ihn umzubringen. Er hat zwar nie etwas richtiges für mich gemacht, meine ganzen Freunde und Familie auf den Gewissen. Aber das konnte ich nicht. Ich ließ die kleine Waffe auf den Boden fallen. Seinen Augen zuurteil wirkte er ziemlich überrascht. Er kam wenige Schritte auf mich zu und hob die Waffe auf, hielt sie sich selbst an den Kopf. "Gut, wie du willst.", hauchte er kaum hörbar. Er schoss, doch meine Augen verfolgten jeden einzelnen Moment weiterhin mit. Noah fiel nicht zu Boden. Ich sah von seiner Perspektive aus, wie mein toter Körper leblos auf den dreckigen Boden lag. Ein Grinsen zeichnete das Gesicht meines kranken Bruders. "Hab' alles losgelassen, nur um nach deinen Händen zu greifen, Sophia."


Auf und davon {Casper Story} ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt