Kapitel 5

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"Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen." Ich hörte Gemurmel, alles hallte in meinem Kopf. Diese Stimme kam mir sehr bekannt vor. Aber bevor ich die vielen Gesichter vor meinem Auge erkannte, wurde mir wieder schwarz vor Augen. Ich spürte nur noch, wie mich jemand auf seine Arme nahm. 

"Okay, wir warten draußen.", hörte ich jemanden sagen. Nun folgten Schritte, die sich ins Wartezimmer begaben. Ein Kaffeeautomat war zu hören. Die Tür von meinem Zimmer wurde geschlossen. Meine Augen öffneten sich nicht, sie hatten Angst, es würde noch mehr passieren. "Sophia Parker, richtig?", fragte eine Krankenschwester sanft. Sie hatte gemerkt, dass ich nur so tat, als würde ich vor der Realität flüchten wollen. Vorsichtig nickte ich. "Du hattest echt Glück." Meine Augen öffneten sich. Glück? Ich konnte mich zwar nur schwammig an die Ereignisse erinnern, aber Glück hatte ich auf keinen Fall. Glück war etwas anderes. "Und dass dich diese netten Jungs ins Krankenhaus gebracht haben - sind das alles deine Brüder?", fragte sie und lächelte. Nebenbei schrieb sich die dunkelhaarige, wunderschöne Krankenschwester mit ihrem Haarreifen im Haar die Werte auf, die ihr das Fieberthermometer und die Maschinen gaben. "Brüder?" Ich dachte nach, was mir nicht allzu leicht fiel wie damals. Mein Kopf tat höllisch weh. "Mein Bruder ist- also, nein.", stammelte ich verwirrt. Ihr roter Haarreifen schimmerte. Es war dunkel draußen. "Ganz ruhig. Ich bin übrigens Nina.", sagte sie mit ihrer sanften Stimme, die mich wirklich beruhigte. "Du scheinst wohl doch noch etwas verwirrter zu sein, als ich dachte.", stellte sie fest. Was sollte ich sagen? Langsam ließ ich mich in mein flauschiges Kissen zurück sinken und schloss die Augen. "Möchtest du einen der Jungs mal eben sehen?", fragte mich Nina dann und lächelte. Ich zwang mir ein schwaches Lächeln auf und nickte dann vorsichtig. Natürlich würde ich gerne sehen, wer mir mein Leben gerettet hat. Das wäre aber nicht nötig gewesen. Echt nicht. "Gut, ich komme gleich wieder." Nachdem mir eine weitere, etwas ältere Krankenschwester mir mein Abendessen vorbeibrachte, kam auch ein junger Mann herein. Er war mindestens 1,80 m groß, hatte braune Haare, ein wunderschönes Lächeln und seine Augen, oh man, sie brachten ein breites Lächeln über meine Lippen. "Hey, ist alles in Ordnung?", fragte dieser mit einer rauchigen und dennoch süßen Stimme. Die kam mir irgendwie bekannt vor. Ich musterte ihn erstmal, nippte dann an meinem Kakao, der mir gebracht wurde. Die Krankenschwester ließ uns wortlos alleine, desinfizierte sich noch die Hände. "Ja, es geht, es wäre aber nicht nötig gewesen.", lächelte ich. Mein Blick ruhte ganz auf seinen. "Ah, wie unhöflich von mir. Benjamin Griffey.", stellte sich dieser vor und strich mir nur sanft über die Schulter. Dann entdeckte er meine Narben am Arm. Ja, sie waren noch etwas frisch. Die Wunden, die Tritte, die Schläge, mein ganzer Körper fing an weh zu tun und ich zuckte etwas zurück. "Tut mir leid." - "Schon okay, passiert.", lächelte ich schüchtern. Als er nochmal auf meine Arme sah und sich leicht zu mir hinunter beugte, mir dann ins Ohr flüsterte: "Alles wird perfekt, glaub mir.", dämmerte es mir allmählich und ich bekam riesige Augen. Benjamin Griffey kam mir auch bekannt vor. Diesen Namen hatte ich im XOXO Album gelesen. Mein ganzer Körper zitterte ein wenig und mein Herz pumpte das Blut schneller durch meinen Körper, als bei einem Marathon. "Sophia.", brachte ich nur raus. "Oh Gott, du bist Casper?", fragte ich noch einmal nach, als wäre ich mir nicht mehr sicher. Casper hat mich aus dem Waldstück geholt, mich ins Krankenhaus gebracht und sitzt jetzt tatsächlich besorgt neben mir? Er fing sofort an zu Lächeln, oh, dieses Lächeln, es würde jedes Mädchenherz einfach so dahin schmelzen lassen. "Wunderschöner Name, Sophia." Er musterte mich wieder. "Irgendwie hast du Ähnlichkeiten mit meiner Halbschwester.", fiel ihm auf. "Ben, darf ich dich Ben nennen? Oh Ben, wieso hast du mich da rausgeholt?", fragte ich leise und merkte, wie mein Blick langsam auf den Boden wanderte. Ben sah mich etwas geschockt an. "Sollte ich dich dort etwa liegen lassen? Das ist nicht meine Art. Sowas sollte niemand's Art sein.", fügte er hinzu und strich mir vorsichtig über meine Narben. "Das war echt nicht nötig." Nun sah er mich ernst an. "Nicht nötig? Dass die Pegida-Anhänger meine Musik benutzen, das ist nicht nötig. Aber dein Leben ist mehr als lebenswert und nötig." Mein Lächeln kam langsam wieder. Er sah mich besorgt an. Ich wusste, was er und seine Augen von mir wollten und schon fing ich an meine Geschichte zu erzählen. Seine Augen schimmerten, sein Stoppelbart fiel mir dabei ins Auge. Sein Gesicht, seine Mimik, einfach alles stimmte überein. Und ich konnte nicht glauben, dass mein Lebensretter neben mir saß. Wortwörtlich Lebensretter. Ich beendete meine Geschichte mit einem offenen Ende, erzählte ihm auch, wie ich sein Album in die Hände bekam. Er lächelte wieder schwach, aber es verflog sehr schnell. Zu schockierend war mein Leben. "Weißt du was?" Ich sah auf, stellte meinen Kakao auf das kleine Tischchen und widmete ihm meine ganze Aufmerksamkeit. "Wir nehmen dich mit, einfach auf und davon."

Auf und davon {Casper Story} ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt