Mallacht |24|

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Mallacht
Noun| Meaning:
Curse

Jisung fiel durch Welten.
Durch düstere Orte, voller Grauen und Tod, voller Leere und Trauer, voller Schmerz und Leid. Wo Monster umher schlichen, sich auf die Lauer legten und warteten. Auf ihn warteten, um ihn zu zerfleischen. Doch auch hinter den dunkelsten Verliesen erblickte man ein Stück Licht. Die Welten dahinter waren wie in seinen Träumen. Mit Schmetterlingen so groß wie Elefanten, versehen mit den mächtigsten Schwingen auf denen man reiten könnte. Mit Licht, dass in aller Herrlichkeit erklang, das leuchtete und glänzte und strahlte. Hier würde er bleiben wollen und warten, doch auf wen?
Seine Geschwindigkeit nahm nicht ab. Mit dem Wind in den Haaren und dem Brennen in seinen Augen erschien ihm Sterben gar nicht so schlecht. Er stieß einen Freudenschrei aus, der in seinen Ohren widerhallte, als wäre er in der Oper. Er war betrunken durch das Gefühl des Friedens, welches ihn durchströmte. High durch die Luft, die ihm entgegenschlug und sein Atem weiter zurückdrängte. War das der Tod? Starb man mit diesen Gefühlen? Er schüttelte den Kopf. Nein. Das hier war etwas anderes. Etwas das kein Anfang und kein Ende kannte.
Eine Zwischenwelt.
Irgendwann landete er. Es war weder sanft noch hart, weder elegant noch unbeholfen. Er sank zu Boden und befand sie in einer Vakuum. Ein quadratisches Zimmer, ohne Türen oder Fenster ohne Mobiliar noch Luft. Und am Ende des Raumes stand eine Person. Es war eine Gestalt ohne Hülle, ein Geist oder ein Gespenst.
"Hey, Dad", sagte er.
Die Person unter dem Mantel kam zum Vorschein. Ein Mann, der Jisung in vielerlei Hinsicht ähnelte. Vom Gesicht bis zur Statur. Nur seine Haare waren anders.
Nicht blond, sondern schwarz.
"Hallo, Champ", sagte er und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
Eine Frage brannte ihm auf seiner Zunge. Eine Frage, die ihn seit dem Angriff des Dämonen durch seinen Geist spukte.
"Warum? Warum habt ihr all das gemacht?", verlangte er zu wissen. Er hatte ein Recht dazu. Jisung folgte dem Blick seines Vaters. Er sah in die Ferne. In das große, dunkle Nichts, welches zurückstarrte.
"Als du geboren wurdest, hat sich in uns vieles geändert. Du warst unser kleines Stück Glück. Mit deinem ersten Lächeln, was du uns geschenkt hast, wussten wir, du würdest die Welt verändern. Du warst unser Sternenstaub. Egal wie anstrengend der Tag für mich oder deine Mutter war, dein kleines, rosiges Gesicht, dein strahlendes Lächeln, half."
Der Blonde betrachtete das Profil seines Vaters, den er kannte und irgendwie auch nicht. Zum ersten Mal sah er ihn und das nicht auf Bildern, sondern in Echt. Ein innerlicher Wunsch äußerte sich. Er wollte ihn berühren. Doch er wagte es nicht. Vielleicht, vielleicht würde er einfach so wieder verschwinden.
"Aber du hattest etwas in dir, etwas was dort nicht sein dürfte."
Der Vampir seufzte. Jisung legte den Kopf schief. Was meinte er damit?
In weiter Ferne erklang ein Donnern. Ein Donnern, dass ihm bekannt war, jedoch konnte er es nicht zuordnen? Er blickte sich um. Das Hallen des Donners wurde leiser und leiser, bis es nur noch wie Regen klang, welcher durch das Blätterdach eines Baumes drang.
"Es gab bisher nur Vampirköniginnen und das schon seit Anbeginn des Vampirzeitalters. Du musst wissen, dass es ziemlich ungewöhnlich ist, dass eine Königin sich mit einem Fürsten abgibt."
Jisung hob die Hand und wartete auf das Einverständnis seiner Vaters zu sprechen.
"Aber es gab doch keine Könige mit wem sollte sie sich sonst treffen?"
Sein Vater lächelte.
"Vampirköniginnen sind mächtig. Mächtiger als jeder normale Vampir. Sie dürften sich gar nicht mit anderen Menschen oder Vampiren treffen, denn eine Königin wird in unserer Spezies nicht geboren, sondern erschaffen. Aber scheinbar wollten es die Götter anders. Sie wollten, dass wir Mweya sind."
Der Blonde riss die Augen auf. Seine Mutter hatte nie über die Verbindung zwischen ihnen als Seelenverwandte gesprochen. Sie hatte ihn immer nur als Partner abgetan, wann immer Jisung nach ihm gefragt hatte.
"Du bist unserer Kind, Jisung. Du trägst Kräfte in dir, die viel zu gefährlich sind für die Welt. Also haben wir gehandelt und dir dein Herz genommen."
"Und mich zu einem Menschen gemacht...", ergänzte der Blonde und ballte die Hände zu Fäusten. Sein Gesicht verzog sich zu einem angewiderten Blick.
"Damit habt ihr mir die Chance verwehrt, ein normales Leben zu führen. Habt ihr mal an mich gedacht? An mein Leiden?"
Sein Vater senkte den Kopf. Er wusste es natürlich, doch es hatte ihn nicht gekümmert.
"Es gibt etwas, was wir nicht bedacht haben. Es war uns nicht in den Sinn gekommen."
Jisung sah ihn fragend an. Er war immer noch wütend und fuchsteufelswild. Er würde jetzt am liebsten irgendetwas schlagen oder treten oder zerstückeln.
"Liebe macht alles möglich."
Jetzt starrte Jisung ihn nur an. Er verstand gar nichts mehr.
"Ich sage dir, wo es ist", seufzte er. Die Reue in seiner Stimme war nicht zu überhören und das besänftigte den Jungen ein klitzekleines bisschen.
"Ich hoffe, du verzeihst deiner Mutter und mir. Wir waren jung und naiv und wir dachten, wir würden dich schützen."
Über ihnen flogen jetzt Vögel so strahlend und glitzernd, wie die Sterne. Sie würden seinen Vater abholen, ihn in die unendlichen Lande mitnehmen. Ihre Flügelschläge waren so laut, dass der Blonde beinahe die Worte seines Gegenübers überhörte.
Durch Jisung jagte ein Schauer, als sein Vater die letzten Worte sprach, bevor er verschwand, und dabei dasselbe Grinsen auf den Lippen hatte, wie er selbst.
"Du musst lieben, Jisung. Du musst fühlen. Das ist der Grund, warum du auf der Erde bist. Du bist hier, um dein Herz zu riskieren."

Cordolium {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt