Acrasia |12|

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Acrasia
Noun| Meaning:
Lack of self control

Ein brennendes Feuer entfachte sich langsam aber sicher hinter seinen Augen, was dazu führte, dass er sich zurück auf sein Bett fallen ließ. Der pulsierende Schmerz eines hartnäckigen Fiebers brachte ihn dazu an seine Schläfe zu greifen. Seine feuchten Hände sorgten für ein frisches Gefühl außer der konstanten Hitze. War es möglich von innen heraus zu verbrennen? Willenskraft allein war es, die er brauchte, um aus dem Bett zu kommen. Er warf sich ein paar Schichten an Decken über, damit er die Kälte in sich bekämpfen konnte, aber das Zittern hatte bereits seinen Tribut gefordert. Ihm entkam ein gelegentliches Stöhnen bei anspruchsvollen Bewegungen, sein Brustkorb hob und senkte sich bei jedem müden Atemzug. Er fühlte sich erschöpft vom bloßen Aufrecht halten. Doch das Schlimmste war, dass das Blinzeln zu einer Herausforderung wurde. Wenn er seine Augen zu lange schloss, und das passierte sehr oft, war es schwierig seinen Fokus zu behalten. Sein Gehirn fühlte sich an, als wäre es in Watte gepackt, alles was versuchte zu ihm durchzudringen, sickerte nur warm und dämpfend hindurch. Schweißperlen tanzten entlang seines Haaransatzes und heftige Kopfschmerzen verstärkten die Mischung. Es erreichte mittlerweile einen unerträglichen Zustand. Würgend rollte er sich aus dem Bett und landete dumpf auf dem Boden.
Seine Hand richtete sich auf seine Jacke, die er achtlos neben sein Bett geschmissen hatte. Wo war Seungmin? Warum hörte ihn niemand? Die Anstrengung war so groß, dass er zusammensackte. Er spürte, wie sich seine Mageninhalt verselbständigte und erbrach sich auf den Boden. Der saure Geschmack in seiner Luftröhre trieb ihm die Tränen in die Augen.
Hilfe!
Seine Hände nestelten nervös an seiner Jackentasche herum, um das Armband zu finden.
Wo bist du Armband? Wo bist du?, murmelte er. So langsam verlor er die Kraft in seinen Armen. Doch keine zwei Sekunden nach seinem Gedanken, fand er es. Der kleine Druckschalter darauf, ließ sich leicht drücken.
Jetzt würde Hilfe kommen.

Chan, Minho und Changbin kamen gerade aus der Stadt zurück. Als sie einen gehetzten Jungkook erkannten, der mit einem Affenzahn auf sie zugerannt kam. Hinter ihm zwei Sanitäter. Minho blickte zu Chan, welcher mit zusammengezogenen Augenbrauen die Schultern zuckten. Der ältere Vampir kam vor ihnen zum Stehen.
"Wo ist Jisung?"
Changbin war der Erste, der fragte, was los war.
"Beantwortet einfach meine Frage!"
Jungkook wurde normalerweise nicht laut. Was war hier los?
"Was sucht ihr denn hier?"
Seungmin, Jeongin und Felix erreichten die Traube von Personen. Der Jüngste unter ihnen fragte sofort, warum zwei Sanitäter dabei waren. Jungkook rieb sich die Schläfe und wiederholte seine Frage. Die Anwesenden zuckte bloß die Schulter, als Hyunjin völlig schockiert zu ihnen traf.
"Irgendwas, irgendwas stimmt mit Jisung nicht. Er ist in seinem Zimmer...", der Vampir brach ab, als hätte er die Hölle persönlich gesehen. Jungkook reagierte zuerst. Er wies die Sanitäter an ihnen zu folgen. Nach mehreren Minuten gelangte auch der Rest von Stray Kids zum Haus Zwei. Chan malte sich innerlich aus, was er in Hyunjins Gesicht gesehen hatte. Doch was ihn erwartete, war noch viel schlimmer. Chan war alt. Er hatte viel erlebt. Doch einen Menschen, den er mittlerweile in sein Herz geschlossen hatte, so zu sehen, versagte ihm das Atmen. Minho neben ihm verfiel in eine Art Schockstarre. Der Braunhaarige hatte den Kleinen zwar immer geärgert, doch das sowas diesem Sonnenschein, diesem hellen Stern passierte, nachdem er ihnen vor zwei Tagen erzählt hatte, er würde sterben, war nicht fair. Die blasse, beinahe blaue Haut des Blonden sah unnatürlich an ihm aus. Seine Haaren schienen so, als hätten sie ihren Glanz, ihr Strahlen, verloren. Nein, das war ganz und gar nicht fair, dachte sich Minho.
Als man Jisung die Treppe runtertrug, blickte der Blonde träge zu ihm. Selbst jetzt wirkte er unendlich tapfer, obwohl der Schmerz ihn zerfressen musste.
"Jisung? Hörst du mich?", fragte Jungkook. Es ertönte kein Laut, kein Nicken, nur ein träges Blinzeln.
"Wie schlimm ist der Schmerz? Kannst du es mir zeigen?"
Die anderen folgten dem Geschehen mit schockierten oder ernsten Blick. Vor allem Jeongin schien es stark mitzunehmen, Jisung so zu sehen. Felix krallte sich in Changbins Arm. Der Mensch hob langsam den Arm, man sah ihm an, dass es ihm unglaublich schwer fiel.
Sieben. Sieben Finger zeigte der Blonde nach oben. Minho musste sich automatisch fragen, ob Jisung in seinem bisherigen Leben schon einmal eine zehn erlebt hatte. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. So kalt er auch immer abgestempelt wurde, war er keineswegs und er machte sich ehrliche Sorgen um seinen Mitbewohner.

Jisung öffnete stöhnend die Augen.
Wenn man meinen sollte, sein ganzer Körper würde unter einem Berg aus Geröll liegen, war das die Untertreibung des Jahrhunderts.
"Wie lange wollt ihr noch um mein Bett stehen, wie eine Gruppe Stalker?", murrte Jisung und zog die Decke über seinen Kopf. Das, was Seungmin und die anderen gerade taten, wollte er nicht. Er wollte nicht, dass sie sich um ihn sorgten oder ihn bemitleideten.
Ihm ging es gut. Mehr oder weniger.
"Warum hast du nicht um Hilfe gerufen", wollte Chan wissen. Die Tonlage des Leaders bescherte dem Blonden eine Gänsehaut. Er wusste automatisch, dass sich der Ältere für Jisungs Zusammenbruch die Schuld gab, obwohl es nicht seine war. Niemand konnte etwas dafür, nur sein beschissenes Herz, dass nicht arbeitete, wie es sollte.
Jisung kroch aus seinem Versteck hervor und linste zu Minho. Dieser starrte ihn mit seinem typischen Pokerface an. Das war eine gute Frage. Vielleicht wollte er nicht, dass die anderen ihn so sahen, denn krank sein war hässlich. Man sah grauenvoll aus, man tat grauenvolle Dinge, wie zum Beispiel in seiner Kotze liegen oder Blut spucken. Jisung konnte noch tausend weitere Gründe aufzählen für die seine Zeit so oder so nicht reichen würde. Aber vor allem war es eins: Schmerzhaft. Es reichte ihm, dass Jungkook all das miterlebt hatte und er hoffte, dass es niemals wieder geschah.
Die anderen merkten, dass er nicht weiter drüber sprechen wollte, also wandten sie sich angenehmeren Themen zu. Jisung horchte die meiste Zeit zu. Er fühlte sich noch zu kaputt, um sich einigermaßen zu konzentrieren und einzubringen. Die Stimmen von Chan und Felix waren so angenehm, dass er beinahe wieder wegdämmerte. Jedoch riss er sich zusammen. Das Gesicht von Minho, welches ihn anstarrte, fiel ihm erst auf, als er seinen Kopf zur Seite drehte. Die grünen Iriden von ihm wirkten wie Jadekugeln in einem heiligen Tempel.
Sie waren atemberaubend schön.
"Ich glaube, wie sollten langsam gehen. Die Ausgangsperre beginnt bald."
Die Anwesenden nickten zustimmend und erhoben sich. Sie alle hatten sich entweder auf das Bett oder die kleine Couch im Zimmer gequetscht. Ein herrlicher Anblick. Jisung lächelte.
"Danke, Leute."
Die Vampire nickten, ja selbst Minho hatte ein kleines, feines Lächeln auf den Lippen. Das nannte Jisung heimlich seinen ersten Erfolg.
Seungmin blieb länger als der Rest, blieb an seiner Seite und sah ihn stumm an.
"Es gab mal eine Zeit, in der ich wie du war. Allein. Ein einsamer Kämpfer zwischen all den schlimmen Dingen dieser Welt", fing der Braunhaarige an. Jisung lauschte seiner Stimme, während er die Kacheln der Decke zählte.
"Ich habe eine lange Zeit für mich gelebt. So alt, wie Minho oder Chan oder Hong-Joong oder Hanbin, bin ich nicht. Ich habe nicht so viel Leid, wie sie gesehen, aber doch genug, dass es für die Unsterblichkeit reicht."
Er seufzte schwer, als würden ihm die Wörter im Mund stecken bleiben, als würden sie nicht gesagt werden wollen. Seungmin schluckte. Jisung streckte seine Hand nach ihm aus. Die Wärme, die der Braunhaarige auf ihn übertrug, war wohlig und rein.
"Dann kam Hyunjin. Ich sage nicht, dass die Welt dadurch besser geworden ist, oder das ich dadurch besser geworden bin. Nein, ich habe gelernt auch die positiven Dinge, die schönen Dinge zu sehen. Und plötzlich wirst du ins Leben gerissen."
Seine Augen wurden groß und Jisung beobachtete wie sein Nachbar lächeln musste.
"Und Leben ist Schmerz, und Leben ist Leiden und Leben ist Horror. Aber, zu den Sternen, du bist am Leben und es ist spektakulär."

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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! So langsam kommt die Sache ins Rollen xd
Ich habe schon bis Kapitel Fünfundzwanzig vorgeschrieben. Mal schauen, was danach noch kommt xd

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Erin🌸

Cordolium {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt