Caliginous |29|

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Caliginous
Adjective | Meaning:
misty, dim, dark

Die Regentropfen tanzten an dem Fenster entlang, als würden sie an einem Wettbewerb teilnehmen. Jisungs Blick  wandte sich den dunklen Wolken am Himmel zu, während er versuchte mit einem Ohr Frau Liu zu folgen, die gerade über die Politik im Westen sprach. Trotz der trüben Stimmung, die das Wetter vermittelte, konnte er den ganzen Morgen nicht aufhören zu grinsen. Er durfte wieder zur Schule gehen und die anderen sehen. Seine Mutter hatte nämlich darauf bestanden, dass er noch weitere drei Tage ruhen sollte, um sich an seinen neuen Körper zu gewöhnen. Zugegeben, es war ganz gut, dass er erst jetzt wieder seine volle Tagesordnung ab arbeiten konnte. Wer weiß, was passiert wäre, wenn er schon vor vier Tage wieder im Unterricht säße. Es wäre eindeutig nicht gut gegangen. Absolut nicht. Chanwoo zu seiner Rechten kritzelte etwas in seinen Block, um sich abzulenken. San hatte ihm seit zwei Tagen nicht mehr angeblickt. Und das machte ihm, um ehrlich zu sein, mächtig zu schaffen. Jisung war sich nicht im Klaren gewesen, was seine Mutter gemeint hatte, mit der Aussage, dass er das mächtigste Wesen der Erde sei. Gestern hatte er sogar noch etwas bemerkt. Er konnte beliebig Leben schenken und nehmen. Zumindest was Pflanzen anging. Ob es bei Menschen oder Vampiren funktionierte, wollte er nicht ausprobieren. Er wollte nicht den Tod spielen.
Er seufzte, als der Glockenschlag sie von der Unterrichtsstunde erlöste. Mit langsamen Schritten schlürfte er zur Cafeteria. Felix und Seungmin an seiner Seite. Sie erzählten über irgendeinen Song, der die letzten Wochen immer im Radio spielte. Ehe sie den Essenssaal erreichten, ertönte über die Lautsprecher eine dunkle Stimme, die der Blonde bisher noch nicht kannte.
"Ich bitte alle Leader der verschiedenen Vampirzirkel, Vampirfürsten und den Prinzen bitte umgehend in den Konferenzsaal nahe der Bibliothek."
Jisung zuckte bei der Nennung seines neuen Titels zusammen. Daran würde er sich nie gewöhnen. Warum hatte er überhaupt einen Titel? Als Mensch besaß er auch keinen. Ein erneuter Seufzer kam ihm über die Lippen, als er sich umdrehte. Sich von den beiden Vampiren verabschiedend, trugen seine Beine ihn anschließend das Treppenhaus hinauf und durch die Gänge. Er war so in Gedanken vertieft, dass er den Vampir, der auf ihn zu gestürzt kam, erst wahrnahm, als sie beide auf dem Boden lagen.
"Oh...ähm. Das tut mir schrecklich leid! Aber ich bin in Eile und habe mich schon wieder verlaufen."
Jisung fand, er wirkte wie dieser Hase aus Alice im Wunderland, der, der immer sagt, er sei zu spät. Der Blonde lächelte und ließ sich von dem Schwarzhaarigen auf die Beine ziehen. Verlegen kratzte sich sein Gegenüber am Kopf.
"Ich bin Zhang Yixing, aber alle nennen mich Lay."
"Han Jisung, freut mich deine Bekanntschaft zu machen!"
Er schenkte dem Vampir sein Tausend-Kilowatt-Lächeln, obwohl er merkte, dass es nicht seine Augen erreichte. Und Lay schien das ebenfalls zu merken.
"Ich sage dir jetzt mal eine Weisheit, die mir mal jemand gesagt hat", begann der Schwarzhaarige geheimnisvoll und zupfte an seinem Armband herum.
"Wenn die Sonne nicht scheint, sei der Sonnenschein!"
Bevor der Blonde etwas zu der Äußerung sagen konnte, lief der Vampir schon an ihm vorbei.
"Ich muss los! Den Frettchen Flöte beizubringen wird nicht leichter!"
Zum Abschied hob er die Hand und schüttelte, nachdem der Schwarzhaarige außer Sichtweise war, schmunzelnd den Kopf. Dann blickte er zu dem wolkenverhangenden Tag. Lay hatte Recht.
Er würde der Sonnenschein sein, wenn die Sonne nicht am Himmel leuchtete.
Er nickte seinem Spiegelbild zu.
Mit neugewonnener Kraft führte er seinen Weg zum Konferenzraum fort. Was ihn dort erwartete, war erschreckend. Es war eine Ansammlung von magischer Kraft, mit schier unendlichem Ausmaß. Er war der Letzte und als er sich an den Rand zu Minho gesellte, begann die tiefe Stimme, die aus der Sprechanlage tönte, zu sprechen.
"Diese Dämonenangriffe häufen sich immer mehr. Wir müssen etwas tun."
Jisungs Augen scannten den Raum. Chan saß am Tisch neben Nayeon, die seinem Blick mied. Die Rektorin stand am Fenster und starrte in die Ferne. Seine Mutter weilte mit verschränkten Armen neben dem männlichen Vampir, der das Wort erhoben hatte. Der Blonde lehnte sich zu Minho und fragte wer die Person war, die da neben seiner Mutter strahlte.
"Kim Jong-hyun. Stellvertretender Rektor der Schule. Bis vor dem Angriff war er mit seinem Zirkel verreist."
Jisung nickte verstehend und sah sich weiter um. Katzenhafte Augen, die er bemerkte, stierten zu ihm. In der linken Ecke stand eine blonde Vampirin mit einem halben Grinsen auf den Lippen. Ihre Magie säuselte. Sie rief nach ihm und er wandte sich komplett an sie. Ihre Augen blitzten voller Argwohn und Freude.
Das musste Lisa sein.
"Wie wäre es, wenn wir einen Schutzzauber um die Schule errichten?", schlug Suho vor und zeigte auf ein Gebiet, welcher auf der Karte, die ausgebreitet wurde, verzeichnet war.
"Eine gute Möglichkeit, doch wir wissen nicht, ob es hält. Das erste Mal, als ein Dämon hier eingebrochen war, lag auch ein Zauber über dem Schulgebäude", entgegnete Chan und runzelte die Stirn. Jisung trat an den Tisch heran, um die Karte der Umgebung zu beobachten. Er überlegte, wie man die Schule besser schützen könnte. Vielleicht vier Posten an jeder Himmelsrichtung einführen?
"Normalerweise brechen Schutzzauber nicht so leicht, es sei denn, jemand von innen lässt das Vieh rein", murrte Minho. Ein Raunen ging durch die Gruppe der Vampire. Darüber hatte der Blonde auch schon nachgedacht. So war es ebenfalls mit dem Schuppen gewesen. Seine Mutter hatte ihn bestimmend geöffnet, damit sie darin Schutz fanden. Alleine hätten Stray Kids diesen Schuppen nicht öffnen können.
"Die viel interessantere Frage ist-", begann Lisa und schritt auf den Tisch zu. Ihre Aura war bedrohlich, während ihr Kopf sich immer wieder zu Jisung drehte. Minho knurrte und die Vampirin legte den Kopf schief.
"-warum kommen Sie her?"
Die Antwort sah der Blonde in den Augen seiner Mutter. Es lag nicht daran, dass sie hier war, oder drei Vampirfürsten, sondern an Jisung.
"Weil Körper und Herz sich nun an einem Ort befinden und zwar: vereint", hauchte die Königin. In Jisung gefror jede Ader und jede Zelle, seines neuen, nicht kaputten Herzes.. Die Stille, die durch den Raum jagte, war erdrückend. Der Blonde konnte kaum atmen. Er wusste, was sie alle dachten und nicht aussprachen.
Wenn er von hier verschwand, wären die Angriffe Geschichte. Er merkte in seinem benebelten Hirn, dass Minho seine schwitzige Hand ergriff.
Ich lasse dich nicht gehen.
Chan erhob sich. Binnen Sekunden kühlte der Raum sich runter. Seine Körperhaltung vermittelte etwas, dass Jisung noch nie an dem Blonden gesehen hatte. Kampfeslust, oder doch Mordlust? Jonghyun hob beschwichtigend die Hände. Doch es war Jimins Stimme, die die Stille und Kälte im Raum zerbrach.
"Wenn irgendjemand Hand an meinen König legt, wird er den nächsten Tag nicht erleben."

Cordolium {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt