2 - Kämpfe und überzeuge

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R O S E

„Und wie ist es gelaufen? Das hat so lange gedauert. Habt ihr schon Nummern getauscht?“

Hailee kam auf mich zugestürmt. Sie hatte tatsächlich die ganz Zeit auf mich gewartet.  Obwohl ich noch so lange draußen gestanden habe und unnützin die Luft gestarrt habe. Ich löste meinen Blick vom Boden. Mein Gesicht sprach Bände. Hailees Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig von aufgedreht in besorgt.

„Nein. Und dazu wird es auch nicht kommen.“

Sie verzog ihren Mund leicht und nahm mich in den Arm. Sie strich mir beruhigend über den Rücken.

„Was ist passiert?“, fragte sie.

Ich schaute auf die Uhr. Der Unterricht hatte schon angefangen. Sie bemerkte meinen Blick. „Der Unterricht hat schon angefangen. Der ist jetzt nicht so wichtig“, winkte sie ab.

Da ich gerade eh keine Lust hatte, entschied ich mich dafür, auch nicht mehr hinzugehen. Sie zog mich nach draußen und wir lehnten uns mit dem Rücken an eine Wand.

„Willst du darüber reden?“

Ich zuckte lustlos mit den Schultern. Was machte ich da überhaupt für ein großes Drama heraus? Ich redete mir immer wieder ein,  dass es nicht persönlich gegen mich gerichtet war, doch es bezweckte nichts. Ich war trotzdem noch maßlos enttäuscht. Also fing ich an, Hailee davon zu berichten. Sehr viel gab es zwar nicht zu sagen, aber sie wollte alles wissen.

„Und der Grund war, dass er nicht auf Mädchen steht.“

„Waaaas?“ Hailee riss ihre Augen auf und ihre Kinnlade klappte nach unten.

„Ja, er ist schwul“, bestätigte ich sie niedergeschmettert.

„Oha, das ist krass. Shit!“, entfuhr es ihr und sie knabberte nachdenklich an ihrer Unterlippe.

„Ich hätte das nie von ihm gedacht. Schau ihn dir doch mal an. Andere würden sich dann auch entsprechend kleiden. Aber ich hätte das nie erwartet.“ Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. „Oh Gott. Das ist so peinlich!“

Ich jammerte vor mich hin und versank förmlich im Selbstmitleid.

„Hey, sag so etwas nicht! Er wird es schon nicht herumposaunen. So ist er nicht“, versuchte sie mich zu trösten.

„Du kennst ihn doch gar nicht!“

„Du ihn auch nicht“, grinste Hailee provozierend und brachte mich somit zum Schweigen.

„Der Punkt ist, du hast dich getraut, ihn anzusprechen. Zumindest weißt du es jetzt und du weißt auch, dass es nicht an dir liegt.“

Lange saßen wir schweigend nebeneinander. Hailee hatte schon Recht. Bevor ich zu ihm gegangen war, hatte sie mir gesagt, ich sollte ihn ansprechen, damit ich nicht die ganze Zeit die Ungewissheit hatte. Nun hatte ich sie nicht mehr, aber war es nun besser?

Vorher hätte ich es mir wenigstens noch ausmalen können, wie es wäre, ihn an meiner Seite zu haben. Aber jetzt wusste ich, dass es wohl nie dazu kommen wird, sich näher kennenzulernen.

„Rede nochmal mit ihm.“

Mein Kopf fuhr hoch. Ich schaute sie an, als wäre sie komplett verrückt. Hatte ich Hailee richtig vertstanden?

„Nein, garantiert nicht! Ich mache mich doch nicht noch mehr zum Affen. Das hat vollkommen gereicht“, antwortete ich zerknirscht.

Hailee konnte es so leicht sagen. Sie war die selbstbewussteste Person, die ich kannte und nahm kein Blatt vor den Mund. Sie sagte, was sie dachte. Oft kam dies gut an, aber sie machte sich auch nicht immer damit Freunde. Ich war im Gegenteil nur offen, wenn ich den Personen vertraute und sie gut kannte. Hailee war meine beste Freundin und mit ihr habe ich schon früher großen Mist gebaut. Doch was Leute betraf, die ich so gut wie gar nicht kannte, ihnen gegenüber war ich zurückhaltender.

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